Re: [ox] Re: Gegen die eigenen Beduerfnisse handeln?
- From: "Franz J. Nahrada" <f.nahrada reflex.at>
- Date: Sun, 01 Jun 2003 11:47:07 +0200
liste oekonux.de (Joost) schreibt:
Ich wollte mit diesem Absatz mitnichten behaupten, dass die Entscheidung
in den Krieg zu ziehen ein besonderer Ausdruck des freien Willens ist.
Sondern es ging mir hierbei um den Ausgangspunkt des ganzen Threads,
nämlich um die Frage, ob Individuen gegen ihre Bedürfnisse handeln
können (Die durch das Problem motiviert war, ob/wann es von einem
emanzipatorischen Standpunkt aus sinnvoll sein kann, Macht/Herrschaft/H.
auszuüben). Und ich finde, diese Frage (sofern sie noch relevant ist)
kann man an dem Kriegsbeispiel ganz gut diskutieren.
Die kann man an *jedem* Beispiel gut diskutieren, denn tatsächlich ist
die Welt voll von Herrschaft - und Menschen, die die Anforderungen der
Unterwerfung an die äußerlich gesetzten Umstände an sich selbst vollziehen
und sich die Negation der eigenen Bedürfnisse zum Bedürfnis machen.
Das kann und soll man zum Anlaß nehmen, diese Menschen an ihrer
Freiheit zu packen, mit der sie sich bewußt eine Notwendigkeit
konstruiert haben - und diese argumentativ anzugreifen.
Aber es fällt mir auf daß das ohnehin verpönt und altmodisch ist.
Viel mehr regiert die Berufung auf die Massen -
und das ist m.e. der verborgene Knackpunkt: eine Herrschaft, die
ihren *Gegensatz* zu den Bedürfnissen und Interessen der Beherrschten
leugnet, hat am Allerwenigsten vor, sich als Herrschaft überflüssig zu
machen.
Insoferne ist "objektives Interesse" genau und immer die Ideologie aller
Herrschaft. "Es geschieht doch nur zu Eurem Besten". Das kann auch ein
Bush sagen. eben. so leicht ist die Auflösung dieses theoretischen
Widerspruchs,
den ich eingangs moniert habe. Theoretisch ist ein objektives Interesse
eben
ein Unsinn, praktisch aber ist es die Waffe von Herrschaftsideologen.
Marx und Lenin, um diese Rangen auch mal zu zitieren, haben zumindest
prognostisch gesagt: Wenn die Reihe an uns kommt, wir werden nichts
beschönigen. Wir wollen den gegensatz austragen....
Soll heißen: ja, wir wollen Herrschaft über die Umstände erlangen und
gleichzeitig wollen wir den Gegensatz zu denen, deren Bedürfnis wir negiert
haben, in einem Prozeß der Argumentation auflösen. Wenn man uns läßt,
übrigens. Ob diese komische Vorstellung, einen zivilisierten Dialog zu
erzwingen, nicht selbst ideologie ist, überlasse ich Deinem Urteil:
für mich geht sich das jedenfalls nicht aus. Da suche ich schon lieber
nach Keimformen, die einmal nichts anderes behaupten als sich selber ;-)
Und überlasse die Herrschaftsfrage den praktischen Kräfteverhältnissen,
ebenso auch die Deals.
Franz
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