Re: [ox] Re: Gegen die eigenen Beduerfnisse handeln?
- From: Joost Klüßendorf <kluessej gmx.de>
- Date: Sun, 25 May 2003 17:37:40 +0200
Hallo allerseits,
ich komme zufällig aus derselben Ecke wie Stefan Mz (Kritische
Psychologie), und will mal versuchen, das Argument zu erklären, was er
gebracht hat (in der Hoffnung, mit ihm einer Meinung zu sein).
Stefan Seefeld wrote:
> nein, aber das Experimentieren, d.h. das Re-Produzieren von
> Bedingungen unter denen sich bestimmte Beobachtungen machen lassen,
> ist *die* Grundlage der Wissenschaft.
Eine Behauptung Kritischer Psychologie ist, dass dieses Modell von
Wissenschaft nicht auf menschliches Handeln angewendet werden kann. Der
Mensch ist aufgrund seines freien Willens in der Lage sich bewußt zu
seinen Bedingungen zu verhalten. Die Bedingungen determinieren ihn
nicht, daher sind können auch keine Aussagen gemacht werden im Stile:
Wenn (Bedingung) ==> Dann (Reaktion)
Für Leute, die dem Konzept des freien Willens nichts abgewinnen könne,
würde ich das ganze so formulieren: Die Bedingungen, die das menschliche
Verhalten determinieren sind derart komplex und vielschichtig, dass es
unmöglich ist, sie in Experimenten derart zu kontrollieren, dass
Wenn-Dann-Aussagen möglich sind. Im Prinzip ist das zwar eine andere
Argumentationsrichtung, aber sie kommt auf das gleiche heraus: Es ist
nicht möglich, Bedingungen zu reproduzieren, unter denen sich bestimmte
Beobachtungen machen lassen.
Welches Ziel hat nun die Kritische Psychologie, wenn sie schon keine
Wenn->Dann-Aussagen treffen kann ? Dazu zitiere ich mal Holger Weiß (vom
5.5., 05:22)
Holger Weiss wrote:
> * Stefan Meretz <stefan.meretz hbv.org> [2003-04-22 09:11]:
>
>>Zugespitzt: Menschen können sich nicht bewußt selbst schaden, wobei
>>"Schaden" nicht an äußerlichen Maßstäben bestimmbar ist, sondern sich
>>nach der konkreten Situation, wie es das Individuum erfährt, bemisst.
>
> Somit entspricht _jede_ Handlung schlicht dem Massstab des Individuums
> zur Zeit seiner Handlung, right? Das hat was tautologisches, sagt aber
> immerhin aus, dass man weitergehende Aussagen offensichtlich nicht
> machen kann ;-)
Und ob man weitergehende Aussagen machen kann. Das wirklich Interessante
ist nämlich genau der Massstab des Individuums. Dieser Maßstab ist dem
Individuum selber nämlich nicht immer klar - und noch viel weniger ist
er es anderen Leuten. Wenn man aber irgendwelche Veränderungsprozesse
starten will, dürfte es extrem wichtig sein, diesen Maßstab zu kennen.
Sonst verändert man an dem eigentlichen Problem vorbei.
Joost
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