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Re: [ox] Re: Gegen die eigenen Beduerfnisse handeln?



Hallo allerseits,

ich komme zufällig aus derselben Ecke wie Stefan Mz (Kritische Psychologie), und will mal versuchen, das Argument zu erklären, was er gebracht hat (in der Hoffnung, mit ihm einer Meinung zu sein).


Stefan Seefeld wrote:

> nein, aber das Experimentieren, d.h. das Re-Produzieren von
> Bedingungen unter denen sich bestimmte Beobachtungen machen lassen,
> ist *die* Grundlage der Wissenschaft.

Eine Behauptung Kritischer Psychologie ist, dass dieses Modell von Wissenschaft nicht auf menschliches Handeln angewendet werden kann. Der Mensch ist aufgrund seines freien Willens in der Lage sich bewußt zu seinen Bedingungen zu verhalten. Die Bedingungen determinieren ihn nicht, daher sind können auch keine Aussagen gemacht werden im Stile:
Wenn (Bedingung) ==> Dann (Reaktion)

Für Leute, die dem Konzept des freien Willens nichts abgewinnen könne, würde ich das ganze so formulieren: Die Bedingungen, die das menschliche Verhalten determinieren sind derart komplex und vielschichtig, dass es unmöglich ist, sie in Experimenten derart zu kontrollieren, dass Wenn-Dann-Aussagen möglich sind. Im Prinzip ist das zwar eine andere Argumentationsrichtung, aber sie kommt auf das gleiche heraus: Es ist nicht möglich, Bedingungen zu reproduzieren, unter denen sich bestimmte Beobachtungen machen lassen.

Welches Ziel hat nun die Kritische Psychologie, wenn sie schon keine Wenn->Dann-Aussagen treffen kann ? Dazu zitiere ich mal Holger Weiß (vom 5.5., 05:22)

Holger Weiss wrote:
> * Stefan Meretz <stefan.meretz hbv.org> [2003-04-22 09:11]:
>
>>Zugespitzt: Menschen können sich nicht bewußt selbst schaden, wobei
>>"Schaden" nicht an äußerlichen Maßstäben bestimmbar ist, sondern sich
>>nach der konkreten Situation, wie es das Individuum erfährt, bemisst.
>
> Somit entspricht _jede_ Handlung schlicht dem Massstab des Individuums
> zur Zeit seiner Handlung, right? Das hat was tautologisches, sagt aber
> immerhin aus, dass man weitergehende Aussagen offensichtlich nicht
> machen kann ;-)

Und ob man weitergehende Aussagen machen kann. Das wirklich Interessante ist nämlich genau der Massstab des Individuums. Dieser Maßstab ist dem Individuum selber nämlich nicht immer klar - und noch viel weniger ist er es anderen Leuten. Wenn man aber irgendwelche Veränderungsprozesse starten will, dürfte es extrem wichtig sein, diesen Maßstab zu kennen. Sonst verändert man an dem eigentlichen Problem vorbei.


	Joost



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