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Re: [ox] ... auf den Punkt



* Laurent Straskraba <laurent straskraba.net> [2004-01-06 13:29]:
nach längerer Verfolgung der Debatten auf dieser Liste möchte ich mal auf
den Punkt kommen.

Na dann bring ich mal schnell alles auf den Punkt. Danach kannst Du die
Liste ja dann schliessen, Stefan, ok? ;-)

Wie auf der oekonux.de-Seite zu lesen soll es hier um eine Utopie gehen
(Zitat):

Vorab: Mit dem Utopie-Begriff habe ich so meine Probleme, mir geht's
erstmal primaer um Kapitalismusanalyse. Hier ist die real existierende
Freie Software ein nettes Beispiel fuer eine Produktion, die nicht via
Wertform vermittelt ist. Das Beispiel zeigt anschaulich, erstmal ganz
ohne Utopie, dass Wertform und Tausch historisch _spezifische_ Formen
der Vermittlung der Arbeitsteilung sind.  Dieser Punkt wird zwar ebenso
deutlich, wenn man sich vorkapitalistische Produktionsformen ansieht.
Die Produktionsform Freier Software hat demgegenueber aber den Vorteil,
dass sie der Warenproduktion nicht unterlegen ist.

Sehr wichtiges Charakteristikum
   * Geldfrei
   * EntwicklerInnen finanzieren sich auf anderem Wege
Also hierzu möchte ich gerne mal etwas hören, welche KONKRETEN anderen Wege
hier gemeint sind.

An _dieser_ Stelle geht es ebenfalls nicht um eine Utopie, sondern
schlicht um die Tatsachenfeststellung, dass viele Entwickler Freier
Software _heute_ einen anderen Job (oder BAFoeG oder whatever) haben, um
sich zu finanzieren. (Wobei natuerlich viele auch direkt fuer die
Produktion Freier Software bezahlt werden, aber das ist eine andere
Frage.) Sofern es um eine "Utopie" geht, wuerden viele auf der Liste
sicher eine Produktion im Auge haben, in der der Begriff der
"Finanzierung" sinnfrei waere.

Und mich würde auch interessieren, wie man das nennen soll, wenn es (s.o.)
keinen Tausch gibt, die Leute aber doch die (Informations-)Produkte haben
wollen.

Na wie nennst Du es denn, wenn Leute Freie Software produzieren und
andere Leute die produzierte Software downloaden? Deine Frage zeigt
nett, wie sehr man dem Schein unterliegen kann, dass der Tausch von
privat produzierten Waren die einzige Moeglichkeit sei, Arbeitsteilung
zu organisieren. Es scheint so, als wuerde es sich beim Markt quasi um
eine technisch/natuerlich gegebene Notwendigkeit handeln, nicht um eine
gesellschaftlich bestimmte, historisch spezifische Organisationsform.

Und wie bezeichnet man dann die Tätigkeit, wenn es keine Arbeit ist?

Darueber gibt's lange Debatten. Viele wuerden eben einfach von einer
"Taetigkeit" sprechen, ich wuerde den Gegensatz zwischen Arbeit (als
"technischer Notwendigkeit", solange wir keinen Replikator haben) und
Lohnarbeit (als kapitalistische Form der Arbeit) betonen.

Von meiner Disziplin her (Sozialwirtschaft) habe ich es zu schätzen
gelernt, wenn man sich HANDLUNGSORIENTIERT auseinandersetzt. Daher habe ich
auch vielleicht eine andere Vorstellung von Konkurrenz - nämlich des
Wettbewerbs um die bessere Lösung - als die rein traditionell-ökonomische
Sichtweise, die auch Begriffe wie "Marktbeherrschung" oder "Monopolstreben"
beinhaltet.

Jedoch weiss ich in welchem Umfeld ich lebe und mache mir nicht vor, dass
es doch nur einer "Revolution" bedürfe, um das "System" zu ändern. Vieles
das heute Bestand hat, ist durch Evolution entstanden und ist immer noch
vorhanden, weil es sich bewährt hat. Jedoch ist immer noch nicht das
"Ideal" erreicht, wie ich es verstehe: eine Wirtschaft mit dem Ziel der
NUTZENmaximierung und der Berücksichtigung von Mensch und Natur in seiner
Ganzheitlichkeit.

An Deinen Ausfuehrungen sieht man, dass wir schon meilenweit auseinander
sind, wenn es "nur" um die Analyse des Bestehenden geht. Zu klaeren, wie
es _ist_, waere aber erste Voraussetzung fuer die Bestimmung von
Handlungsorientierungen. Das wesentliche Problem ist der _Zweck_
kapitalistisch organisierter Produktion, welche die Produktion von
Gebrauchswert _systematisch_ nur als notwendiges Uebel implementiert.
Systematisch deshalb, weil ich als Kapitalist Wertform-adaequat agieren
_muss_. "Mensch und Natur in seiner Ganzheitlichkeit" _kann_ ich nicht
oder nur sehr begrenzt beruecksichtigen, will ich nicht Pleite gehen.
Solange die sich objektiv durchsetzende Wertform in der Analyse
unangetastet bleibt, bleiben die moralischen Appelle an "menschlichere"
Handlungsorientierungen utopische Sonntagsreden; viel utopischer als
das, was Du angreifst.

Aber eigentlich hatte Franz die Fragen, die Du hier nochmal gestellt
hast, schon viel ausfuehrlicher in dem [chox]-Posting zu "Oekonux und
dem Wert" beantwortet, welches Du auch bekommen hast:

   http://www.oekonux.de/projekt/chat/archive/msg00577.html

Holger

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