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Die hier archivierte Mail kann, muss sich aber nicht auf den Themenkomplex von Oekonux beziehen.

Insbesondere kann nicht geschlossen werden, dass die hier geäußerten Inhalte etwas mit dem Projekt Oekonux oder irgendeiner TeilnehmerIn zu tun haben.

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Message 00577 [Homepage] [Navigation]
Thread: choxT00577 Message: 1/1 L0 [In date index] [In thread index]
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[chox] oekonux und der wert



liste oekonux.de writes:
Bessere Zeiten
Rudolf Sponsel, Erlangen
http://www.sgipt.org/org/aktuell.htm

Lieber Rudolf Sponsel,

ich muß jetzt mal eine halb-private mail schreiben....verbunden mit der
Idee, ein wenig die Konversation auf unsere oekonux - Chatliste zu
verlegen.

Vielleicht wollen Sie diese auch subskribieren,

das ist hier:

http://www.oekonux.de/projekt/chat/default.html

Wir haben diese zweite Liste eingerichtet, um auch solchen Themen eine
Chance zu geben, die nicht direkt mit der Thematik "freie Software und
Übertragbarkeit ihres Prinzips auf andere Gesellschaftsbereiche" verbunden
sind, aber nichtsdestoweniger einen relevanten Bezug haben.

1.
Bei Oekonux geht es zwar andauernd um die Frage, ob sich und wie sich
freie Software einsetzen läßt, aber doch aus einer ganz anderen
Perspektive als aus dem jeweils spezifischen Anwendungsfeld oder den
jeweis spezifischen Interessen. Interessant für Oekonux wird es dann, wenn
die Frage so gestellt wird, ob es einen Unterschied macht, ob es sich um
*freie* oder proprietäre Software handelt. Zumeist sind dann allgemeine
gesellschaftliche Faktoren im Spiel, und mit denen beschäftigen wir uns
dann. Das kann dann wieder sehr ins Detail gehen. Unlängst hatten wir eine
Schreinerei, die sich mit einschlägiger Berechnungssoftware beschäftigt.
Diese sollte aber allen, und nicht nur ein paar Interessierten frei zur
Verfügung stellen. Was das bedeutet, ist Gegenstand der Debatte. kann zum
Beispiel damit zu tun haben, daß sich DANN solche Software leichter
schreiben läßt etc.

So habe ich auch zu folgendem Gedanken eine Anmerkung:

N?§chstliegend scheint mir, da?ü freie Software, die auch direkt ?ºber
das 
Internet verwendet werden k?ðnnen sollte, geeignet w?§re, ?ðkonomische 
Zusammenh?§nge allgemeinverst?§ndlicher zu machen. Z.B. ein Programm,
da?ü 
die Folgen immer h?ðherer Staatsverschuldung zeigt, auch graphisch.

Inhaltlich könnte man sich jetzt streiten, ob die immer höhere
Staatsverschuldung vermeidbar oder unvermeidbar ist, welches ihre
politischen Zwecke sind und so weiter.

Man könnte sich auch darüber streiten, ob sich eine Thematik wie die
Zusammenhänge von Kapitalakkumulation, Kredit und Staatsausgaben überhaupt
in einem mathematischen Modell abbilden läßt oder ob es nicht von
vorneherein eine chaotisch - krisenhafte Struktur ist, die da
zugrundeliegt. 

Was aber im oekonux-Kontext sehr interessant wäre, wäre die Frage wie ein
derart komplexer Theoriebildungsprozeß überhaupt denkbar wäre.

Inhaltlich hat Peter Fleissner in den siebziger und achtziger Jahren in
Wien einiges versucht, eine eindrucksvolle Liste seiner auf Stella
beruhenden Simulationsarbeiten findet sich hier:

http://igw.tuwien.ac.at/zope/igw/menschen/fleissner/cv.html

oekonuxig wäre die Frage, inwieferne ein kollektiver und freier
Theoriebildungsprozeß die Methode wissenschaftlicher Arbeit umwälzt und
auch Vohaben von so phantastischen Dimensionen wie das Fleissnersche
Vorhaben möglich macht. 


Ansonsten ist mir nicht so recht klar, wie hier die Vorstellungen sind.

Franz Tabeis Hinweis auf die Textsammlung war doch gut, auch bei oekonux
gibt es eine Menge an Publikationen die den Hintergrund und die Richtung
der Arbeit umreißen.

http://www.oekonux.de/texte/


Freie Software kann man in der Freizeit entwickeln. Will man nicht zur 
Tauschgesellschaft zur?ºck, braucht man Geld und Markt, also Wirtschaft 
im ganz traditionellen Sinne. 

Es wurde schon mehrmals bemerkt, daß oekonux behauptet, daß die
Alternative zu Tausch UND Geldwirtschaft in einer Verallgemeinerung des
Prinzips freier Softwareproduktion besteht.

Vielleicht muß ich das nochmal erklären, weil der Gedanke so weltfremd
erscheint: 

"Geld"  "braucht"  "man" insoferne die Produktion gesellschaftlichen
Reichtums unter dem Zweck steht, für die Vermehrung von Geld zu taugen. Es
steht außer Zweifel, daß der gesamte Erdball diesem Zweck unterworfen IST,
auch wenn immer weniger Inseln rentablen Produktion überhaupt noch
funktionieren. Deswegen ist alles - Grund und Boden, Fabriken, Häuser -
Privateigentum, hat einen Wert und wird ideell ständig als solcher
geschätzt. Geld bedeutet den Zustand, in dem ein unmittelbarer oder
arbeitsteiliger oder sonstwie organisierter Zugriff auf gesellschaftlichen
Reichtum gerade nicht existiert. Aller Reichtum ist Form von Wert. Und
zwar zunehmend (als kalte, geschäftsmäßige Auslöschung aller
Vor-Wert-Formen), wenngleich der Wert selbst (als Wertgröße) abnimmt! Für
die Bewahrung dieses Zustandes steht der größte Gewaltapparat der
Geschichte zur Verfügung, der "die Freiheit" verteidigt. ich schenke mir
jetzt die Erklärung warum "der Wert" und "die Freiheit" ein und dasselbe
sind, behaupte es einfach.

Das oekonux - Projekt läßt sich auf die ideologische Rechtfertigung dieses
Zustandes einerseits ein: das alles sei eben so, weil die Gegenstände
menschlichen Bedürfnisses prinzipiell knapp seien, Beschränkung daher sein
müsse und sich daher die Menschen mit dem Geld ein Mittel des Einteilens
geschaffen hätten. Auch wenn die Realität diesen ideologischen Schein
permanent widerlegt, weil der Umstand daß Geld sich in exorbitanten Mengen
*vermehrt* davon unerbittlich  Zeugnis ablegt, daß diese Gesellschaft
nicht im mindesten Respekt vor einer wie immer gearteten Knappheit hat.
Der Markt wird von denen, die Produktion veranstalten, als prinzipiell
unbeschränkt behandelt, wenn sie sich kreditbewaffnet ihre
Produktionswettläufe liefern, und das Versiegen der massenhaften
Zahlungsfähigkeit ist ein allseits bekanntes und delikates Problem - nicht
der Knappheit, sondern der Stockung im Geschäftsgang. 

Andererseits stellt sich das oekonux-Projekt gegen diesen Zustand, indem
sie eine gesellschaftliche Synthesis jenseits von Ware und Geld, rein
durch Organisation und Konsens, zum Gegenstand ihrer Betrachtung macht.
Freie Software ist wertfrei, sie ist für jeden verfügbar, der über Wissen
und Können verfügt, sie ist ein beliebig vermehrbares Gut (Wissen teilen
heißt es vermehren). Diese beliebige Vermehrbarkeit macht auch in der
Theorie endgültig Schluß mit dem Gespenst der Knappheit.

Freie Software ist ein Teil eines Nicht-knappen Produktionsverhältnisses,
in dem die Wissenschaft allererste "Produktivkraft" ist. Freilich ist das
gerade nicht zu denken im industriellen Sinn als abstrakter Quantitäten -
Ausstoß. Gerade die sekuläre Vernachlässigung des qualitativen
übergreifenden Denkens in der Ökonomik ist ja Bestandteil der
gegenwärtigen gesellschaftlichen Katastrophe. Es geht eher darum, mit dem
gegenwärtigen Reichtum so umzugehen daß er auch Reichtum bleibt.
Nachhaltige Kreislaufwirtschaft auf hohem technologischen Niveau,
biomorphe und teleologische Prozesse in optimalen Kombinationen, das wäre
die anzustrebende Alternative - zumindest für einige Leute auf der Liste.
Freie Software ist unmittelbar die Kehrseite von Automation, sowie dem
stofflichen Substrat in reproduzierbaren (daher auch freien) Ressourcen
wie Biomasse, Solarenergie etc. Zusammen wird das insgesamt etwas, was
nicht das mindeste mit Geld und Markt-wirtschaft zu tun hat.


Diese steht allerdings unter der 
Vorherrschaft der Plutokraten und hat sich verselbst?§ndigt, Marx w?ºrde 
sagen, das ganze Wirtschaftssystem hat sich vom Menschen entfremdet, ist 
zum Selbstzweck f?ºr immer mehr Wachstum, Konsum pervertiert.

Merken Sie nicht daß dieser Aussage ein unmittelbarer logischer
Widerspruch zugrunde liegt? 

Einerseits soll die Markt - Wirtschaft sich vom Menschen entfremdet haben.
Dieser Aussage wäre abstrakt zuzustimmen. Marx hat nachgewiesen, daß das
"automatische Subjekt" Wert tatsächlich eine objektive Verkehrungsstruktur
ist, in der den menschen das Resultat ihrer Handlungen als äußerliche,
verdinglichte Größe und Form gegenübertritt, über deren Natur sie sich
nicht die geringste Rechenschaft ablegen.

Andererseits soll das dann doch wieder seinen Grund haben im schlechten
Charakter von Menschen. Vorherrschaft von Plutokraten, das heißt,  um der
Sache (Geld) nicht auf den Grund gehen zu müssen wird die erfahrene
Katastrophe wiederum im schlechten Umgang mit ihr verortet.

Wie wäre es mit: Plurokraten gibt es, weil es die Natur des Geldes ist,
maßlos zu sein, und daher auch der dementsprechenden Charaktermasken
bedarf? (wobei die Maßlosigkeit oft von übelstem privaten Geiz begleitet
wird?)


Damit dies anders wird, braucht es ein anderes Verst?§ndnis von Sinn, 
Wert und Umgang. Aristoteles Staatslehre angewandt auf Bill Gates h?§tte 
z.B. zu seiner Verbannung gef?ºhrt.  Die Grundideen sind also schon alt 
und stammen keineswegs von den Gr?ºnen.

Aristoteles hat in der Tat eine systematische zum Zweck des Austausches
veranstaltete Wirtschaft abgelehnt. Er hatte leicht lachen, er schrieb
seine Politeia für eine Handvoll reicher Bürger, die in einer Art
sklavenhalterischer Subsistenzökonomie ihr Gemeinwesen verwalteten. Die in
poiesis versunkenen antropoda - "Menschenfüßer" - waren von der
Eigenschaft, "physei zoon politikon" zu sein, natürlich ausgeschlossen.

Mit Aristoteles läßt sich kein Staat machen, das haben am Beginn der
Neuzeit Hobbes, Locke, Smith und Kant erkannt, und die theoretische
Begleitmusik zur souveränen Gewalt geliefert, über deren genese alles
Nötige bei Robert Kurz steht:

http://www.giga.or.at/others/krisis/r-kurz_kanonen-und-kapitalismus_folha.html


PS.

Ich hab mich ein wenig auf Ihrer Website umgesehen. Sie lassen keine
Gelegenheit aus, die Marxsche Werttheorie als Ursache allen Übels
anzugreifen. Ich möchte Ihnen nur eines zu bedenken geben. Im Oekonux -
Umfeld ist eine Kritik des Wertes etwas anderes als sie vielleicht von den
"Kommunisten" gewohnt sind, die lediglich die Störungen des Wertes durch
Profit und Kapital abgelehnt haben und deren "sozialistische
Gesellschaftsformation" sich durch das segensreiche "Wirken des
Wertgesetzes" hätte auszeichnen sollen. Mit solchen Kommunisten hat aber
schon Marx wenig zu tun haben wollen, der nicht müde wird den Zusammenhang
von Wert und Geld zu betonen. Geld, Kapital, Zins sind die notwendigen
Formen des Wertes. Oder um mit Hegel zu sprechen: das Wesen zeigt sich in
seinen Erscheinungen, und zwar in ihrer Mannigfaltigkeit. das Unwesen des
Wertes zeigt sich vor allem daran, daß keine der Wertformen in sich
beständig ruhen kann, sondern sie sozusagen als "prozessierender
Widerspruch zu sich selbst" zu "rastloser Bewegung" gezwungen sind, wollen
sie nicht ent-wertet werden.

Ich denke, auf diesen Unterschied kommt es an!

mit besten Grüßen

Franz Nahrada

_______________________
http://www.oekonux.de/



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