[ox] Die Anwendbarkeit der Werttheorie in der Informatik
- From: Hans-Gert Graebe <graebe informatik.uni-leipzig.de>
- Date: Mon, 20 Nov 2000 10:02:36 +0100 (MET)
Ich stimme der Kritik von Ralf Krämer (Mon, 13 Nov 2000) an den
Ausführungen von Christian Fuchs weitgehend zu, insbesondere dass
Akkumulation grundsätzlich auf der Geldseite erfolgt (G - W - G',
nicht W - G - W' wie in vorkapitalistischen Marktgesellschaften).
Ralf Krämer schreibt zur Anwendbarkeit der Werttheorie auf
wissenschaftliche Arbeit
<quote>Fuchs schreibt u.a.: "Die immer bedeutender werdende
wissenschaftliche Arbeit tritt zwar als eine Voraussetzung des
Produktionsprozesses indirekt in ihn ein, es kann aber
argumentiert werden, daß sie im Sinn der Produktion von
Mehrwert keine produktive Arbeit ist. Sie vergegenständlicht
sich nicht im Produkt wie die verausgabte menschliche Arbeit,
die Mehrwert schafft. Sie ist also keine abstrakte Arbeit,
aber auch keine konkrete, da sie keinen Wert der
Produktionsmittel auf die Ware überträgt. Sie ist unproduktive
Arbeit und fällt aus der Tauschwert-Vergesellschaftung auf dem
Markt heraus. Die Wissenschaft ist die "unmittelbare
Produktivkraft" (Grundrisse, [MEW] Band 42, S. 602), schafft
jedoch selbst keinen Wert."
Ich (Krämer - HGG) denke, dass immaterielle Produkte durchaus
als Vergegenständlichung von sowohl abstrakter wie konkreter
(z.B. wissenschaftlicher oder künstlerischer oder
Programmier-)Arbeit zu betrachten sind. Das "da" oben ist zwar
eh verfehlt, aber soweit dazu Produktionsmittel notwendig
sind, wird auch deren Wert anteilig übertragen. Die
WissenschaftlerInnen schaffen dann keinen auf dem Markt
relevanten Wert, wenn sie wirklich "allgemeine Arbeit"
leisten, das ist nach meinem Verständnis bei sinnvoller
Interpretation von Marx aber (nur) dann der Fall, wenn sie
nicht als Lohnarbeit für das Kapital verrichtet worden ist
(wie etwa in kapitalistischen Forschungsabteilungen oder
Software-Buden), sondern etwa in öffentlichen Hochschulen oder
Wissenschaftseinrichtungen oder von sozusagen freischaffenden
WissenschaftlerInnen und die Ergebnisse kostenlos der
Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. Das waren die
Fälle, die Marx zugrundelegte, und wenn das nicht der Fall
ist, die Ergebnisse also nicht frei zugänglich sind, gilt das
meiste, was Marx darüber sagte, nicht.</quote>
Das ist nicht ganz richtig. Marx überlegte durchaus (Grundrisse,
S. 601 ff), ob sich (im ökonomischen Bereich entstandenes) Wissen in
sein ökonomisches Modell einbauen lässt, etwa so wie die
Arbeitsmittel, wo jedes damit erstellte Produkt einen Teil ihres
Wertes wegträgt (capital fixe vs. capital circulant). Eine auf den
ersten Blick logische Einbeziehung als "capital fixe" wird von ihm
aber dann verworfen, weil sich die "Erstellung" von Wissen generell
nicht mit einem Arbeits_zeit_maß messen lässt: "In dieser Umwandlung
(des angewendeten Wissens in einen Teil des Produkts, HGG) ist es
weder die unmittelbare Arbeit, die der Mensch selbst verrichtet, noch
die Zeit, die er arbeitet, sondern die Aneignung seiner eignen
allgemeinen Produktivkraft, sein Verständnis der Natur und die
Beherrschung derselben durch sein Dasein als Gesellschaftskörper - in
einem Wort die Entwicklung des gesellschaftlichen Individuums, die als
der große Grundpfeiler der Produktion und des Reichtums erscheint."
Wissen in diesem Sinne ist also _Infrastruktur_, in die produktive
Aktivität _eingebettet_ ist. Die Frage, ob "Wissenschaft im Sinn der
Produktion von Mehrwert produktive Arbeit ist", muss also aus
wesentlich prinzipielleren Gründen als bei Christian Fuchs verneint
werden, da sie sich sehr wohl im Produkt vergegenständlicht.
Hans-Gert Gräbe
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