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[ox] Klostermetapher



Franz Nahrada (13 Nov)

   Wie haben das bloß die Klöster im Mittelalter geschafft?
   Tausende professionelle Urheber alimentiert, auf einem total
   niedrigen Stand der gesellschaftlichen Produktivkräfte.....

   Ein Teil der Antwort könnte sein: weils der Gesellschaft drauf
   ankam.....!

Ralf Krämer (14 Nov)

   M.E. ist das genau so eine Antwort, die hier überhaupt nicht
   weiterhilft.  Stellt sich nämlich die Frage, wie sich damals die
   Klöster finanzierten.

Ich war neulich mal im Klostermuseum in Lorsch und habe mit
Interesse die dortigen Tafeln zu dieser Frage gelesen. Es war in
der Tat so wie Franz schreibt: "weils der Gesellschaft drauf
ankam". Gesellschaft sind da zwar nur genau die Herrschenden
gewesen.  Aber sie haben die ihnen zur Verfügung stehenden
Ressourcenströme so gelenkt, dass dieser Bereich, der damals die
Wissens(re)produktion zu 100% in der Hand hatte (Klix, Lanius:
Wege und Irrwege der Menschenartigen, S. 199), seine
_Funktionalität_ ausreichend bedienen konnte. Fürsten ohne
solches Hinterland waren in der Regel nicht lange im Sattel.
Andererseits wurden zu aufmüpfige Bruderschaften auch immer
wieder diszipliniert und auf die loyale Besetzung der Abtsposten
entsprechendes politisches Augenmerk gelegt (Verflechtung von
Wissen und Macht, aber eben NICHT als Einbahnstraße).  Es wäre
schön, wenn die heute Herrschenden ein ähnliches "Bewußtsein" an
den Tag legen würden bzw. ihnen die kap. Verwertungsmaschine
ihnen solche Spielräume überhaupt einräumte.  Ich teile da Franz
Nahradas Skepsis und Ruf nach einem "nicht marktförmigen New
Deal".

Franz Nahrada zu einem solchen Deal weiter (14 Nov)

   ... vorausgesetzt diese Wissensproduktion steht tatsächlich
   allen Produzenten zur Verfügung und sie umschließt auch
   Entstehungsbedingungen von Kooperation und sie bekämpft
   offensiv die Pest aller heutigen Technologien:
   künstliche Redundanzen, Hektik des Herumprobierens, Hochskalierung und
   Überflutung mit Kopien und Attrappen, Privatisierung von Modellen, 
   Undurchschaubarmachung, das "Immer mehr,differenzierter,schneller
   wechselnd, unüberschaubarer und unnötiger" der Informationsbewirtschaftung.
   Dann bedarf es dazu aber auch neuer Institutionen, die tatsächlich in der
   Lage sind, vom gesamtprodukt her zu denken und nicht jede Form
   von Rationalität in Klugheit und Beinchenstellen auflösen.

Diese Pest hat ihre Wurzeln in den Zwängen der kap. Verwertung
und ist nicht wissenschaftsimmanent. Die zentrale Frage ist die,
ob man den Wissenschaftsbetrieb (wieder) als ein kooperatives
_Miteinander_ organisieren kann oder endgültig in Patenten,
Lizenzen, geschützten Marken und Mustern etc. landen wird. Also
kurz: Freizügigkeit _oder_ Kommerz. Und damit auch: Ohne Freies
Wissen keine Chance auf nachhaltige Verbesserung der
Finanzierungssituation von Wissenschaft insgesamt.

Franz Nahrada weiter

   Vielleicht wird es ja eine Open Source Börse geben, über die
   die Gesellschaft freie Ressourcen an Projekte alloziert, in
   deren Informationsarbeit die Evaluierenden den größten
   allgemeinen Nutzen sehen. Die Entwicklung dorthin sehe ich
   nicht mehr als Utopie an, und wage sogar die Prognose, daß wir
   das bald erleben werden.

Was sind "freie Ressourcen" ? Wieso hat Open Source nur einen so
nachrangigen Realisierungsanspruch ? Genau hier halte ich eine
pauschale OpenSource-Abgabe als die "Büchse auf dem Tisch" für
einen nicht zu unterschätzenden Denkansatz. Dann müssen wir "nur
noch" streiten (und durchsetzen), wer was und wieviel reintut, so
dass unterm Strich genügend drin ist (zunächst, in _dieser_
Gesellschaft, Geld, später vielleicht in der Tat nur noch
"Zurverfügungstellen stofflicher Ressourcen").

Hans-Gert Gräbe

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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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