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[ox] Literatur zur Kritik der Arbeit



UlrichLeicht t-online.de

Hallo FreundInnen,
anbei zwei Hinweise auf Publikation zum Thema Kritik der Arbeit, Wandel der
Arbeitsgesellschaft

Gruß Uli

---------------------------------- Erstens -----------------------------------

Bernd Hüttner
für die Rosa Luxemburg Stiftung Bremen   

Die Linke und die (Zukunft der) Arbeit

Inhalt: 

. Einleitung
     1. Memorandum-Gruppe: Der Staat soll es richten
     2. Betriebs- und Gewerkschaftslinke: Arbeit ist nicht (mehr) alles
     3. Bourdieu: Protest des niederen Staatsadels und/oder ÖBS
     4. Ehrenamt und Bürgerarbeit: Postmoderner Arbeitsdienst
     5. Gruppe FelS und andere: Existenzegld statt Arbeit
     6. Teilselbstversorgendes Wirtschaften
     7. Arbeit abschaffen! - Das Krisis-Manifest
     8. Und selbst?
     9. Zwickmühlen und Sackgassen
     10. Politische Alternativen

     Vorbermerkung

     Der nachfolgende Essay entstand im Zusammenhang mit der
     (Vorbereitung der) Veranstaltungsreihe "Zukunft der Arbeit" im
     Programm für das Frühjahr 2000 der Rosa Luxemburg Initiative
     Bremen. Er wurde zuerst in alaska. Zeitschrift für
     Internationalismus Nr. 227 (August 1999) veröffentlicht und dann
     für die Vorbereitung der Diskussionsreihe stark erweitert sowie um
     neue Literatur ergänzt.

     Die in ihm vertretene Meinung ist alleine die des Verfassers.

     Leider konnten aus unterschiedlichen Gründen nicht alle hier als
     diskussionswürdig bezeichneten Positionen in der
     Veranstaltungsreihe vorgestellt und dadurch die Breite des linken
     Diskurses zur Zukunft der Arbeit nicht angemessen abgebildet und
     öffentlich diskutierbar gemacht werden. Besonders das Fehlen
     zweier Bereiche machte sich in meinen Augen bemerkbar. Zum
     einen das eines feministischen Zugangs zur (Kritik der) "Zukunft
     der Arbeit", sowie zum anderen, das eines historisch-kritischen
     Zugangs (der etwa auch Verbindungen zur aktuellen Debatte um
     Entschädigung für Zwangsarbeit aufgegriffen hätte).


     0. Einleitung

     Nein, ein sogenanntes festes Arbeitsverhältnis, also eine
     unbefristete Vollzeitstelle hat kaum jemand in meinem
     Bekanntenkreis. Einige studieren oder sind pro forma
     eingeschrieben und arbeiten "nebenher" mehr oder weniger viel,
     andere sind arbeitslos und engagieren sich ehrenamtlich in
     politischen und sozialen Kontexten, wo auch schon mal der eine
     oder andere Einkommensbetrag abfällt, von dem das Arbeits- oder
     Sozialamt besser nichts erfährt; ja selbst die, die von außen wie
     eine richtige Angestellte im öffentlichen Dienst aussieht, hat nur
     einen Vertrag bis Mai 2001.

     Gleichzeitig werde ich zum Beispiel immer mal wieder gefragt, ob
     ich "denn heute frei hätte", wenn ich mit meiner eineinhalbjährigen
     Tochter morgens einen Laden betrete. Oder meine Freundin, die -
     unbenommen - einen stressigen Job hat, meint, ich sei ja -
     schließlich bin ich ja im Erziehungsurlaub - "sowieso den ganzen
     Tag Zuhause", was anklingen lässt, daß meine Tätigkeit keine
     richtige Arbeit sei. Daß ein Mann sein Kind betreut, und daß
     Kinderbetreuung "Arbeit" ist, ist keine gesellschaftlich anerkannte,
     geschweige denn honorierte Tatsache. Ein  Umstand, mit dem sich
     bislang zuallermeist Frauen auseinandersetzen mussten. Es ist also
     nicht so leicht mit der Arbeit.

     Die Arbeitslosigkeit und die Veränderung der Arbeitsverhältnisse
     schlägt sich bis in den sozialen Mikrokosmos durch - nicht nur im
     nachakademischen Theorieproletariat. JedeR muß sich damit
     auseinandersetzen. Arbeit ist weiter das große Thema der
     öffentlichen Debatte. In einer Zeit, in der die Standortdebatte
     wahnhafte Züge annimmt ("Kleinkleckersdorf muß Wurststandort
     bleiben!") und die Ankündigung einer "Reform" nur noch als
     Drohung verstanden werden kann, debattiert "die Linke" über ihr
     Verhältnis zur Arbeit, ebenso wie diverse Kommissionen und
     VordenkerInnen sich den Kopf darüber zerbrechen.

     Einigkeit besteht vielerorts darin, daß die Lohnarbeit als
     Normalmodell in ihrer bisherigen Form der Vergangenheit
     angehört. Die Sockelarbeitslosigkeit wird so hoch bleiben wie jetzt,
     wenn nicht noch höher werden, steht doch die
     Rationalisierungswelle im sog. Dienstleistungssektor, der bislang
     immer noch für neue Jobs sorgte, erst in ihren Anfängen. Eine
     Besserung der Lage ist nicht in Sicht, da Investition heute immer
     Arbeitsplatzabbau und nicht -schaffung bedeutet ("jobless
     growth"), was alle Strategien, die auf Wirtschaftswachstum
     orientieren, in einem sehr schlechten Licht dastehen lässt.
     Gleichzeitig wird die noch abgeleistete Arbeit zunehmend unter
     entgarantierten Bedingungen, d.h. z.B. ohne unbefristetem
     Arbeitsvertrag, zu Löhnen unter Tarif, "schwarz", etc. pp.
     geleistet. Schon jetzt wird an der Hälfte aller Arbeitsplätze nicht
     Vollzeit gearbeitet. Das bedeutet, daß die Arbeitsverhältnisse sich
     enorm ausfächern, ein Tatbestand, der Gewerkschaften wie
     radikalen Linken theoretische und praktische Probleme macht.
     Diese Ausfächerung wurde durch den Streik für die 35-Stunden
     Woche 1984, bzw. sein Ergebnis mitverursacht. Das Ergebnis war
     unter anderem die Flexibilisierung der Arbeitszeiten und eine
     Verbetrieblichung der Tarifpolitik: Belegschaften konnten nun ihre
     Arbeitszeiten etc. vor Ort entscheiden. Damit begann das
     Rutschen auf der schiefen Bahn von der Branche über den Betrieb
     hin zum Individuum, die jeweils ihr Verhältnis zum sog. Arbeitgeber
     regeln. Der/die einzelne ArbeiterIn stand und steht den
     ArbeitgeberInnen immer machtloser gegenüber.

     Zweitens, und hier fangen dann die Unterschiede an, gibt es
     gleichwohl eine Unmenge an "Arbeit" oder Tätigkeiten, die nicht
     (mehr) geleistet wird, weil sie zu teuer sei, oder familiäre Netze
     nicht mehr vorhanden sind und der Staat oder die Gesellschaft
     dies dann übernehmen soll bzw. muß, wenn er eine gewisse soziale
     Kohärenz garantieren will.

     Es lassen sich - in aller Vereinfachung - sieben Positionen zur
     Lösung der "Krise der Arbeit", zum Abbau der Arbeitslosigkeit und
     zur Bewältigung (vorgeblich) notwendiger Tätigkeiten
     unterscheiden. Sie werden nun vorgestellt, dabei richtet sich der
     Blick weniger auf die akademische Debatte, sondern auf die für die
     politische Linke relevante Diskussion auf
     populärwissenschaftlichem Niveau[1]. Grundlegende Fragen, wie
     etwa die nach "Arbeit und "Tätigkeit" werden nicht aufgegriffen,
     ebenso einige diskussionswürdige Aspekte von Gewerkschaften
     und ihrem männlich codierten Bild von Arbeit (was sich dann in
     ihrem ausbleibenden praktischen Engagement für gute
     Teilzeitarbeitsplätze oder Erziehungszeiten auch für Männer
     ausdrückt). Ausgespart bleibt auch das Verhältnis von Arbeit und
     Antisemitismus und die spezifisch deutsche Geschichte von
     "Arbeit" und die damit zusammenhängende - weit über den
     Nazismus hinausreichende - Prägung des Begriffs: Arbeit als positiv
     bewerteter Teil des Volkscharakters, was auch bedeutet, dass
     wer nicht gut arbeite, kein/e Deutsche/r sein könne und
     umgekehrt, wer nicht gut arbeitete, sich aus der
     Volksgemeinschaft ausschloß[2].

     Die programmatisch-theoretischen Positionen in der Linken lassen
     sich anhand ihres Abstandes zu zwei Polen beschreiben: Den einen
     Pol bildet die Subsistenz mit ihrer Eigenorientierung, ihrer Kritik von
     "Politik" und Staatlichkeit, ihrer Propagierung einer moralischen
     Ökonomie und ihrem ökologischen Rigorismus[3], den anderen
     bildet die staatliche (Global-) Steuerung bzw. Regulierung der
     Ökonomie.Die Linke und die (Zukunft der) Arbeit

(...)
   
7. Arbeit abschaffen!: Das Krisis-Manifest

     Etwas außer der Reihe liegt die Position der vor allem durch
     Robert Kurz bekannten Gruppe Krisis. In ihrem Manifest gegen die
     Arbeit [16], das bislang in der für einen solchen Text sehr hohen
     Auflage von 6000 Exemplaren verbreitet und auch in der linken
     Wochenzeitung jungle world abgedruckt wurde, leistet Krisis eine
     fulminante Kritik der Arbeit und der Arbeiterbewegung. Die
     Arbeitsgesellschaft, die auch als neoliberale Apartheidsgesellschaft
     bezeichnet wird, sei an eine "absolute Schranke"gestoßen, und die
     Reichtumsproduktion habe sich völlig von der menschlichen
     Arbeitskraft entkoppelt. Emanzipation sei daher nur noch gegen
     die Zwangslogik der Arbeit möglich.

     Mit dem Manifest scheint Krisis einen Wunsch angesprochen zu
     haben, der viele dazu bringt, es zu lesen. Den berechtigten
     Wunsch nach Abschaffung der Arbeit und dem nach dem Ende der
     Debatte darüber, wie noch mehr Arbeit geschaffen werden kann,
     statt sich nützlicheren und vor allem schöneren Dingen
     zuzuwenden. In der Kritik - wenn mensch einmal die
     Voraussetzungen des Theoriemodells von Krisis außer acht lässt -
     ist das Manifest sehr stark. In der Formulierung von Alternativen,
     die doch stark an Selbsthilfe, Alternativökonomie und Dritten
     Sektor erinnern, aber eher schwach. 

     8. Und selbst?

     In der Linken als sozialem Zusammenhang schlägt der
     Neoliberalismus voll durch. Zwar (noch) nicht ganz in dem Sinne,
     wie es einmal mit der Wiederkehr der Proletarität prophezeit
     wurde[17]. Daß die Linke massiv verarmt, ist nicht der Fall, auch
     wenn viele mit ihrer Existenzsicherung mehr als ausgelastet sind.
     Linke müssen arbeiten, und dies ist im Vergleich zu vor 15 Jahren
     anders: viele wollen es auch. Bildeten damals Arbeitsverweigerung
     und selbst herbeigeführte lange Ausbildungszeiten einen
     Bestandteil linker Lebensentwürfe, so wird heute Arbeit und Beruf
     wieder zu einem wichtigen Bestandteil linker Selbstdefinition und
     soll so den Verlust politischer Utopien und von sozialen
     Beziehungen kompensieren. Was sich verändert hat, merkt mensch
     dann, wenn Linke einem mit sehr angestrengtem Gesichtsausdruck
     erzählen, daß sie mit ihrer Arbeitslosigkeit eigentlich ganz gut
     leben können.

     Gleichzeitig ist die Linke Bestandteil, wenn nicht kleiner Motor des
     gegenwärtigen Transformationsprozeßes. Fallen einem nicht
     permanent Beispiele aus dem eigenen Umfeld ein, wenn neue
     Arbeitsverhältnisse beschrieben werden: ungesichert, mit neuen
     Technologien arbeitend etc. Wollen wir nicht alle Zeitsouveränität,
     flache Hierarchien etc., also all das mit dem heute moderne
     Ausbeutungsverhältnisse beschrieben werden? - ob sie in
     Wirklichkeit so sind, ist noch eine andere Frage. Auch unter Linken
     geht es individuell sehr stark darum die drei C zu haben:
     competence, concepts, connections. Egal ob es nun um das
     individuelle Fortkommen oder die Existenz des Betriebes oder
     Projektes geht, wer die drei C hat, kommt weiter, wer nicht, soll
     halt sehen, wo er oder sie bleibt. Der moderne Arbeiter als
     "Mischung aus Tagelöhner und Unternehmer", trifft das nicht für
     die Linke zu? Konkurrenz - das nicht so zu sehen wäre naiv - gibt
     es immer, und mit ihr muß umgegangen werden.  Gleichzeitig sind
     kollektive Strukturen, egal ob innerhalb einer Stadt ("alle
     Jugendprojekte ziehen an einem Strang") oder eines Projektes
     (wer bekommt welche Stellen/Bezahlung) immer schwieriger
     aufrechtzuerhalten. Die Individualisierung macht sich bemerkbar,
     und da werden Leute auch schon mal etwas rausgemobbt.

     9. Zwickmühlen und Sackgassen

     Wenn mensch nicht die Hoffnung auf die Arbeiteraufstände
     setzen will, die die Sozialrevolutionäre immer kommen sehen und
     sein Glück nicht in einer eher spartanischen Land-WG suchen will,
     und auch nicht, a la Krisis, auf die Selbstabschaffung des
     Kapitalismus durch die mikroelektronische Revolution oder den
     weltweiten Börsencrash setzt, hat zwar wenige, aber doch einige
     Möglichkeiten. Wichtig ist, einige Punkte zu prüfen und zu
     versuchen, sich aus der schlechten Logik von Arbeit, Lohn und
     Geld zu befreien. Konstitutiv für eine radikale Linke dürfte der
     historische Bruch mit dem kommunistischen und
     sozialdemokratischen Arbeitsethos sein, wie er sich in Kämpfen der
     endenden 60er und beginnenden 70er Jahre zeigte. "Arbeit für alle"
     ist keine Utopie, sondern eine Drohung. Dahinter kann eine
     vorwärtsweisende Diskussion und Strategie nicht mehr zurück.

     So fallen die Position eins und große Teile der zweiten, dritten und
     natürlich die vierte für eine weiterführende Debatte weitgehend
     weg. Impulse gibt es aus ihnen nur, wenn sie wie z.B. Position drei
     darauf hinweist, daß der Staat nicht einfach aus seiner
     Verantwortung für die Gesellschaft entlassen werden kann, wie es
     leicht bei allen Modellen und Praxen der Fall ist, die sich als
     Alternative zum herrschenden Vergesellschaftungszusammenhang
     begreifen (Position sechs und sieben). Position zwei führt zur
     Revision einiger gewerkschaftlicher Dogmen und könnte damit
     Möglichkeiten für neue Bündnisse mit der institutionalisierten
     ArbeiterInnenbewegung ermöglichen. Perfide ist, daß ein öffentlich
     geförderter Beschäftigungssektor eine offene Flanke zur
     Bürgerarbeit hat und Kritik an Arbeit in eine softere Variante von
     Arbeit(szwang) ummünzt. Bürgerarbeit andererseits ist z.B. nur
     noch insofern interessant, als es zu beobachten und natürlich zu
     bekämpfen gilt, wie ihre Argumente für eine Transformation der
     staatlichen Aufgaben und der Gesellschaft benutzt werden.

     Alternativen aufzuzeigen fällt schwer. Relevant ist im Grunde nur
     noch die Forderung eines Existenzgeldes, wenn es gelänge, aus
     dieser Forderung eine Bewegung zu machen. Dies ist aber
     momentan nicht der Fall. Interessant ist auch das
     teilselbstversorgende Wirtschaften, für das aber noch weniger
     Praxisbeispiele existieren, als beim öffentlich geförderten
     Beschäftigungssektor. Das teilselbstversorgende Wirtschaften
     kann zwar unter Umständen eine individuelle Perspektive für
     einzelne oder kleine Gruppen, gerade im urbanen Milieu sein
     (Wagenplätze oder auch Stadtkommunen) sein.

     Es entsteht der Eindruck, daß programmatisch die gedachte
     Polarität zwischen staatlich-gewaltförmiger Regulierung und
     moralistischer Subsistenz nicht aufgelöst werden kann, bewegt
     mensch sich doch immer auf der Linie zwischen den beiden
     gedachten Polen. Dies korrespondiert mit der individuellen
     Problematik. Hier muß mensch sich zunehmend zwischen Beruf
     oder Freiheit entscheiden, oder immense Zeit- und
     Selbstmanagementkompetenz aufweisen, wenn mensch die
     Entscheidung vermeiden will (übrigens ähnlich wie bei der
     Entscheidung bei der zwischen Beruf oder Kind).

     10. Politische Alternativen

     Dies führt zu einer Kritik eines verengten Arbeitsbegriffes. Unter
     "Arbeit" wird fast durchweg Lohnarbeit unter garantierten
     Bedingungen verstanden. Dies ist aber, wenn mensch an Pflege-,
     Erziehungs- und Haushaltsarbeit denkt, nur der geringere Teil der
     gesamten anfallenden Arbeit. Programmatische Positionen, die die
     geschlechtliche Arbeitsteilung nicht aufheben, bzw. sie nicht
     einmal erkennen wollen, sind nach dreißig Jahren neuer
     Frauenbewegung nicht mehr diskutabel. Unter diesem Blickwinkel
     fallen bis auf die hier vorgestellte Position sechs alle anderen mehr
     oder minder negativ auf. Sie nehmen zu diesen Problematiken
     entweder keine Stellung, oder führen zu einer Fortsetzung, wenn
     nicht Verschärfung des Status Quo (wenn auch u.U. unter
     anderem Namen).

     Angebracht und nützlich wäre ein Dialog zwischen den kritischen
     Positionen 2, 5, 6 und 7 (und auch Position 3 bietet einige
     interessante Aspekte), den es bislang zu wenig gibt. Ein Dialog,
     der darauf hinausläuft, individuelle Freiräume zu erweitern,
     geschlechtsspezifische Arbeitszuweisungen abzubauen und sich
     programmatisch nicht der Illusion hin gibt, mit einigen
     Alternativexperimenten sei eine gesamtgeschaftliche Alternative
     aufzubauen. Das bedeutet, daß auch in Zukunft eine Einrichtung,
     die jetzt "Staat" heißt, existieren wird. Die Einführung eines
     Existenzgeldes z.B. würde weder den Staat noch einen der
     anderen grundlegenden Widerspruches dieser Ordnung abschaffen,
     aber den Zwang zur Lohnarbeit vermindern. Politisch muß mensch
     dem zunehmenden Zwang zum Dienen, zu Treue und innerer
     Identifikation mit der Arbeit und dem sog. Arbeitgeber [18]
     entgegentreten. Kollektive Strukturen sind weiterhin wichtig.
     Politisch und auch individuell ist eine weitere Kritik an Arbeit als
     individuellem Leitbild notwendig. Denn nur bei radikaler Kritik an
     Lohnarbeit als Vergesellschaftungsmodus Nr. 1 und als dem
     persönlichem Leitbild der Linken sind wir gewappnet für die
     Zumutungen die das Arbeits-Lager, das mittlerweile parteipolitisch
     bis weit in die völlig neoliberal gewordenen Grünen und auch in die
     PDS hineinreicht, in Zukunft noch bereithalten wird.



     [1] Um die Debatte nachvollziehbar zu machen, wird hier auch
     ausführlich Literatur genannt, ebenso einige Web-Adressen. Auf
     das neue und vieldiskutierte Buch von Andrè Gorz, Arbeit zwischen
     Misere und Utopie (Frankfurt 2000) konnte leider nicht mehr
     eingegangen werden. 
     [2]Hierzu siehe Holger Schatz/ Andrea Woeldike: Einschluß,
     Ausschluß und Vernichtung. Gedanken zum Begriff der "Deutschen
     Arbeit", in VVN/BdA Kreisverband Esslingen: "Räder müssen rollen
     für den Sieg. Zwangsarbeit im "Dritten Reich", Stuttgart 2000
     sowie diess.: "Deutsche Arbeit" und eliminatorischer
     Antisemitismus, in Jürgen Elsässer/Andrei S. Markovits (Hrsg.):
     "Die Fratze der eigenen Geschichte". Von der Goldhagen-Debatte
     zum Jugoslawien-Krieg; Berlin 1999 
     [3] V. Bennholdt-Thomsen u.a. (Hrsg.): Das Subsistenzhandbuch.
     Widerstandskulturen in Asien, Europa und Lateinamerika, Wien
     1999 
     [4]  Ein neues Netzwerk von Betriebs- und Gewerkschaftslinken
     entfaltet seit einiger Zeit rührige Aktivitäten. Laufende Berichte in
     den Zeitschriften Sozialismus (www.sozialismus.de) und express,
     sowie unter www.labournet.de 
     [5] Siehe auch die Abschlußerklärung des Kongreßes "Lichter der
     Großstadt - Für soziale BürgerInnenrechte" Ende 1999 in Hamburg.
     Dokumentiert in analyse und kritik Nr. 433 (www.akweb.de) 
     [6] Pierre Bourdieu: Gegenfeuer. Wortmeldungen im Dienste des
     Widerstands gegen die neoliberale Invasion, Konstanz 1998 
     [7] Harald Werner (Hrsg.): Zwischen Markt und Staat. Der
     öffentlich geförderte Beschäftigungssektor; Hamburg 1999 
     [8] Ulrich Beck: Schöne neue Arbeitswelt. Vision:
     Weltbürgergesellschaft, Frankfurt 1999 
     [9] Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und
     Sachsen (Hrsg.): Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit in
     Deutschland, München Olzog Verlag 1998 (Kurzfassung des
     Abschlußberichtes) 
     [10] Siehe z.B. Willy Bierter, Uta von Winterfeld (Hrsg.): Zukunft
     der Arbeit - welcher Arbeit?, Basel 1998 
     [11]  Kritisch: Gisela Notz: Die neuen Freiwilligen. Das Ehrenamt -
     Eine Antwort auf die Krise, Neu-Ulm 1999 (2. aktual. Auflage) 
     [12] Laufende Debatte in den Zeitschriften arranca! (Nr. 14ff),
     analyse und kritik, diskus (www.copxriot.com/diskus) oder unter
     www.nadir.org/nadir/initiativ/fels/ 
     [13] Apropos veröffentlichen: Mit Hans-Peter Krebs/Harald Rein
     (Hrsg.): Existenzgeld. Kontroversen und Positionen (Münster 2000)
     ist ein Sammelband zum Thema angekündigt, der aus der
     genannten Konferenz entstanden ist und auch Erfahrungen aus
     Italien und Frankreich dokumentieren soll. 
     [14] Siehe z.B. die Beiträge in Das Argument 226, Anders
     wirtschaften, anders arbeiten (1998) oder auch in Carola Möller
     u.a.: Wirtschaften für das gemeine Eigne. Handbuch zum
     gemeinwesenorientierten Wirtschaften, Berlin 1997 sowie jetzt neu
     M. Fröse u.a. (Hrsg.): Ökonomie und Arbeit - Frauenansichten.
     Neue Arbeitsformen und neue Widerstandsformen, Frankfurt 1999 
     [15] Ulrike Wagner u.a.: Liebe zur Freiheit, Hunger nach Sinn.
     Flugschrift über Weiberwirtschaft und den Anfang der Politik,
     Rüsselsheim 1999 (www.flugschrift.de) 
     [16] Gruppe KRISIS: Manifest gegen die Arbeit, 1999
     (www.magnet.at/krisis) 
     [17] Karl Heinz Roth: Die Wiederkehr der Proletarität.
     Dokumentation der Debatte, Köln 1994 

     [18]  Christian Marazzi nennt das in seinem empfehlenswerten und
     leider viel zu wenig bekannten Buch "Der Stammplatz der Socken.
     Die linguistische Wende der Ökonomie und ihre Auswirkungen in der
     Politik", Zürich 1998 (S. 34f) die "Tendenz zum Servilismus", die er
     als zentrales Moment der postfordistischen Umstrukturierung
     auffasst. Es soll wieder gedient werden!

Im Web zu finden unter:
    http://www.rosaluxemburgstiftung.de/Bib/VBib/doku/huettner.htm

------------------------------------ zweitens --------------------------------

Kursbuch Arbeit, Ausstieg aus der Jobholder-Gesellschaft - Start in eine neue 
Tätigkeitskultur (Hrsg. jan Engelmann und Michael Wiedemeyer, DVA-Verlag 2000

Namhafte Experten und Praktiker über den atemlosen Wandel unserer Arbeitswelt, 
"eine Zugfahrt durch die Kapitel 'Economy Class', 'Buisness Class' und 
Working Class' mit über 40 Beiträgen, darunter von Zygmunt Baumann über Oskar 
Negt, Andrè Gorz bis Richard Senett. Und als besondere Leckerbissen:

Bob Black, Die Abschaffung der Arbeit (in dt. Übersetzung)
Norbert Trenkle (Krisis), Die Affenliebe zur Arbeit
Ralf Schröder, Die Aufheber - ein Porträt der Sozialistischen Selbsthilfe 	
		      	      Mühlheim


----------------------
http://www.oekonux.de/



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