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Re: [ox] Eigentum



Hi Markus!

Das folgende ist streckenweise ein wenig zynisch - aber das ist m.E.
Realzynismus.

5 days ago Markus Lauber wrote:
Stefan Merten wrote:
Fakt ist jedenfalls, daß schon im Kapitalismus die Kosten im Sinne
vergegenständlichter Arbeit in einem Produkt immer schon sinken.
Bisher wurde das durch Marktausweitungen und Kriege kompensiert, aber
das ist nicht mehr in Sicht.

Naja der letzte Krieg zur Integration einer Region in den europaeischen
Markt liegt nur ca. 1,5 Jahre zurueck.

Ich meinte nicht diese vergleichsweise billigen Maßnahmen zur
Vernichtung veralteter Waffensysteme wie in Jugoslawien. Ich dachte an
Kriege zwischen den hochindustrialisierten Staaten - heute vielleicht
ein kleiner atomarer Erstschlag der USA gegen Europa - oder umgekehrt.

Und zur Integration irgendeines subalternen Staates in den Weltmarkt
muß nebenbei bemerkt heute doch kein Krieg mehr geführt werden. Lieber
läßt der Westen die doch am ausgestreckten Arm verhungern. Die größte
Bedrohung würde ein Staat wie Nordkorea doch darstellen, wenn es als
Feindbild ausfiele.

Warum soll das nicht mehr in Sicht
sein, zumal es da noch einiges an 'Unerschlossenem' gibt.

Wo denn? Diese lachhaften Schläge, mit denen mal eben ein
pharmazeutischer Konkurrent im Sudan ausgeschaltet wird, wirst du ja
wohl kaum ernsthaft als einen Beitrag zur Vernichtung globaler
Überkapazitäten bezeichnen wollen.

Seit der mikroelektronischen Revolution hat sich das Tempo der
Verwohlfeilerung so sehr gesteigert, daß die Arbeitslosigkeit immer
stärker wächst und mittlerweile die angesagte Prekarisierung schon die
Spatzen von den Dächern pfeifen.

Jobless growth nennt man das wohl. Zusammen mit einer eher Export- oder
Expansionsorientierten Wirtschaft liesse sich das auch ohne gestaerke
Binnenkonjunktur noch eine ganze Weile durchhalten -

Jetzt fehlt dir aber die globale Sichtweise ;-) .

natuerlich mit immensen
sozialen Kosten im Inland, was aber nicht notwendigerweise heisst, dass es
nicht gemacht wird.

Ach Markus, ich fürchte ja auch, daß die sekundäre Barbarei, in die
sich der (endlich) globalisierte Kapitalismus galoppierend verwandelt,
uns noch eine ganze Weile erhalten bleibt. Aber ich mag diesen Zustand
nicht so gerne mit aller Gewalt in die Ewigkeit verlängern - die wir
mit dem Kapitalismus sowieso nicht mehr haben ;-( .

Stichwort Krankenhaeuser, es scheint also
Bereiche zu geben, die einer Rationalisierung nicht vollstaendig zugaenglich
sind. Ähnliches würde ich auch im sonstiegn Bereich personenbezogener DL
konstatieren,

Zugegeben. Laß uns erst mal den industriellen Sektor in die
GPL-Gesellschaft überführen ;-) .

wobei es in anderen DL-Bereichen wie etwa
Finanzdienstleistungen, Versicherungen, Banken sicher noch enormes
Rationalisierungspotential gibt.

Da stehen wir erst am Anfang.

In der GPL-Gesellschaft denken wir uns diese Entwicklung gerade
verlängert vor. In die heutige Realität übersetzt heißt das: Nieder
mit den Arbeitsplätzen - laßt die Roboter ran.

Mir scheint zunehmend, dass in dieser utopischen Annahme vom (baldigen) Ende
der Arbeitsgesellschaft der fundamentale Unterschied in den Auffassungen
liegt. Mir erscheinen sowohl die Katastrophenprognosen vom Untergang des
Kapitalismus als auch die daran (implizit) geknuepften Hoffnungen reichlich
(sorry) esoterisch um es mal auf den Punkt zu bringen. Ein Kapitalismus kann
auch sehr gut existieren, wenn 10% der Leute ihr Leben in chain-gangs
fristen und weitere 50-60% zu niedrigen DL herangezogen werden zu
Entlohnungen, die gerade mal die Existenz sichern (oder auch nicht).

Das Problem liegt in dem "sehr gut". Was heißt das für dich? Daß er
weiterexistieren kann bestreite ich nicht. Allerdings bestreite ich
das "sehr gut". Und du konntest bisher m.E. nicht zeigen, daß das
Schrumpfen der Wertmasse, d.h. die Einsparung von Arbeitkraft durch
irgendetwas kompensiert wird wie z.B. zu den Zeiten, als die
Automobilisierung hoch kam und riesige Mengen an Menschen produktiv
verwerten konnte.

Ausser
man wuerde jetzt auf eine Art revolutionaeres Potential im Zuge solcher
Verelendung setzen, aber das hat ernsthaft hier noch niemand argumentiert
und die historische Erfahrung spricht auch deutlich dagegen.

Ganz deiner Meinung. Deswegen bin ich ja auch dafür, *jetzt* etwas zu
tun - am besten halt was, was in eine neue Zukunft zeigt.

Die Produktivitaetssteigerung wird ihrer gesellschaftlichen Bedingungen
entkleidet und einfach als universal angenommen und die darin enthaltene
Billigarbeit, abgepresste Rohstoffe usw. der Dritten Welt werden weitgehend
ausgeblendet. Es koennte auch sein, dass die Roboter dann nicht von einer
GPL-Gesellschaft, sondern von einer schnoeden AG betreieben werden.

Das ist ja heute schon so. Allerdings hat die schnöde AG das Problem,
daß sie ihre Waren auch absetzen muß. An wen wenn keiner mehr über
ausreichend Geld verdient. (Und jetzt komm' mir nicht mit den
professionellen Reichrechnern von der Börse. Freies Geld machen die ja
de facto schon...)

PS: Schon seit vielen, vielen Jahren bin ich übrigens der Meinung, daß
Arbeit, die von Maschinen gemacht werden kann, menschenunwürdig ist
:-) .

Wunderbar. Deswegen wird gerade in den Laendern der Dritten Welt verstaerkt
nicht nur zur Subsistenz, sondern auch fuer den Weltmarkt unter Bedingungen
produziert, die jeden Alfred Krupp blass werden liessen.

Eben. Und das ist jedenfalls nicht "sehr gut" wenn du dir mal die
Versprechungen anschaust, die der Kapitalismus den Menschen gemacht
hat. Daß auch davon heute keiner mehr redet, sondern eine
Gürtel-enger-schnallen!-Welle nach der anderen über die Welt rollt,
ist ein weiteres Indiz für eben nicht "sehr gut".

Eine Haltung, die
traditionelle Vertretungsstrukturen zugunsten irgendwelcher anhand von
(tendenziell) Randphaenomenen wie Softwareherstellung herbeidefinierter
Entwicklungen aufgibt,

BTW: Wer tut das denn eigentlich?

marginalisiert sich noch mehr, als diese
Vertretungsstrukturen es ohnehin schon sind.

Mit dir fordere ich diese Vertretungsstrukturen auf, wieder
handlungsfähig zu werden.

Solange man bei diesen Maschinen nicht die Frage von Verfuegung, Aneignung
und Planung stellt und den realexistierenden Klassencharakter solchen
Maschinen-Einsatzes uebergeht kommt wenig mehr heraus als ein wenig
postmaterialistisches Wohlstandsphilosophieren.

Ja. Wende es doch mal auf Freie Software an. Würde mich wirklich
interessieren, was du dabei rauskriegst.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan


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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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