Arbeit oder was? (was: Re: [ox] Re: [ot:Linux-wertlos] STOP!)
- From: Stefan Merten <smerten dialup.nacamar.de>
- Date: Wed, 03 May 2000 23:51:30 +0200
Hi Stefan, Bernd, Uli, Oekonux!
Uli ist mittlerweile auf Oekonux - was die Sache ein wenig
vereinfacht.
Ich habe auch mal ein etwas aussagekräftigeres Subject gewählt als
"STOP!" ;-) .
Ich für meinen Teil habe die Debatte um das Wort / den Begriff
"Arbeit" mit einem gewissen Interesse verfolgt. Ich habe ja selbst das
Problem, daß ich hier eine Bezeichnung für etwas brauche, was wir m.E.
noch nicht richtig *begriff*en haben - geschweige denn Worte dafür -
noch geschweiger denn allgemeinverständliche(!) welche - oh je...
Wichtig wäre es mir, weil ich denke, daß wir mit einer solchen Debatte
etwas lernen könnten.
Allerdings fand ich seitenweise Zitate von Kurz/Marx/Engels/Hinz/Kunz
nur bedingt interessant. Wichtiger wäre mir zu klären, was *wir* hier
mit bestimmten Worten meinen. Wenn sich jemensch fände, mal ein
Glossar anzufangen, dann könnten wir da das Gefundene sogar für alle
zugänglich machen.
Mein Eindruck von der bisherigen Debatte - vor allem Uli und Stefan
Mz. - ist, daß jeweils ein bestimmter Begriff von was-auch-immer
(vulgo: Arbeit) im Hintergrund stand, der bisher nicht richtig klar
geworden ist und der sicher auch eng mit den verschiedenen
Erfahrungswelten zusammenhängt - was gerade im Sinne einer
Allgemeinverständlichkeit ja gut ist. Jedenfalls wurde dieser
hintergründige Begriff mal mit Zähnen und mal ohne Klauen verteidigt -
das hilft m.E. nicht.
Allerdings weiß ich auch nicht, wie wir da vorgehen können / wollen.
Vielleicht mal die Worte aufzählen, die nach meiner Erinnerung so
gekommen sind und ein paar neue.
* Arbeit
* Abstrakte Arbeit
* Konkrete Arbeit
* Schaffen
* Werken
* Tätigkeit
* Tun
* Fähigkeiten ausüben
* Beruf ausüben
* Anstrengen
* Handeln
* Leisten
Vielleicht noch ein paar konkrete Bezüge:
* Was EntwicklerInnen Freier Software tun, wenn sie ihre Funktion
erfüllen
* Was eine ArbeiterIn am Fließband tut
* Was eine HandwerkerIn in Ausübung ihrer Fähigkeiten tut
* Was eine ManagerIn in ihrem Beruf tut
* Was eine BriefmarkensammlerIn bei der Pflege ihres Hobbys tut
Vielleicht wäre es hilfreich, sich mal zu überlegen, wo da sinnvolle
Abgrenzungen zu finden sind. Dann werden vielleicht die Begriffe
klarer umrissen und wir können uns überlegen, was wir für Worte für
diese Begriffe nehmen wollen.
Ich schaue mal in meine 20 Bände "dtv Brockhaus Lexikon"
(geisteswissenschaftlich orientiert, liberal bis linksliberal
eingestellt) was denen zu den obigen Worten einfällt:
*Arbeit*
[Gut 1 Seite - ich nehme mal, was mir nützlich zu sein scheint]
(mhd. arebeit, `Mühsal', `Not')
Das bewußte, zielgerichtete Handeln des Menschen zum Zwecke der
Existenzsicherung wie der Befriedigung von Einzelbedürfnissen;
zugleich wesentliches Merkmal der Daseinserfüllung.
Wirtschaft. Arbeit als Grundlage des Wirtschaftens dient dem
Lebensunterhalt unmittelbar, indem sie Verbrauchsgüter erzeugt oder
mittlebar, indem mit ihrer Hilfe Produktionsmittel hergestellt
werden, die der Verbrauchsgütererzeugung dienen.
[Differenzierungen im Wirtschaftssystem weggelassen]
Die Einschätzung der Arbeit hat sich im Laufe der abendländischen
Geschichte entscheidend gewandelt. In den Kulturen des Altertums
wurde die ausführende, besonders die körperliche Arbeit im
Unterschied zur wissenschaftlichen und politischen Tätigkeit als
eines freien Menschen undwürdig betrachtet und meist von Sklaven
ausgeübt.
Im Alten Testament ist Arbeit zunächst Folge des Auftrags an den
Menschen, sich die Erde untertan zu machen (1. Mos 1,28). Die
erfüllte Ruhe nach der Arbeit wird beispielhaft im 7. Schöpfungstag
gesehen. Die Mühsal der Arbeit zur Überwindung der natürlichen
Gegebenheiten wird dann als Folge der Erbsünde verstanden.
Verachtete die antike Weisheit weithin die Arbeit (vgl. besonders
die wörtliche Übersetzung des lateinischen labor als `wankende
Last'), so brachten dann die Auffassung des benediktinischen `ora et
labora' (lateinisch `bete *und* arbeite' [Hervorhebung im Original])
dem frühen Mittelalter einen entscheidenden Wandel des
Arbeits-Verständnisses, ebenso das Beispiel Jesu als Handwerker und
die Arbeit der Bettelorden. Besonders seit der Reformation wurde die
Arbeit als Dienst am Mitmenschen gesehen, im Calvinismus aber auch
in ihrem Wert am Erfolg gemessen.
Die Arbeit gewann damit einen positiven Platz in der sittlichen
Lebensführung und wurde zu einem der Hauptbereiche ethischer
Pflichterfüllung und Verantwortung. Darüber hinaus wurde in ihr ein
Mittel der Humanisierung der menschlichen Existenz gesehen und die
Möglichkeit, durch Einschränkung der Naturzwänge den Bereich
menschlicher Freiheit zu erweitern.
Darüber hinaus wurde die Arbeit besonders seit G.W.F. Hegel, der sie
als Mittel der Selbstbewußtwerdung des Menschen charakterisierte,
und von ihm ausgehend das im System des Historischen Materialismus
von K. Marx theoretisch-systematisch behandelt. Auch in der
neuzeitlichen philosophischen Anthropologie wird die Arbeit
innerhalb der Definition des menschlichen Wesens überwiegend als
dessen bestimmendes Merkmal gesehen.
Gegenüber dieser positiven Einschätzung der Arbeit entwickelte sich
zunehmend auch eine entgegengesetzte Tendenz, die auf die
gleichwertige Bedeutung von Muße und Besinnung im menschlichen
Dasein hinwies oder sogar in einer erneuten Umwertung zur Ablehnung
der Arbeit schritt. Im weiteren Zusammenhang damit standen auch die
Tendenzen einer Verurteilung des Leistungsprinzips im Rahmen der
Gesellschaftskritik der sechziger und siebziger Jahre. Der
marxistisch orientierte Standpunkt sieht in der Abschaffung der
kapitalistischen Gesellschaft die Voraussetzung für die Beseitigung
von Ausbeutung und Entfremdung in der Arbeit, die nichtmarxistische
Kritik sucht dies durch Veränderung der technisch-organisatorischen
Bedingungen der Arbeit zu erreichen.
[...]
Blätter... Außer zu "Arbeit" fällt ihnen nichts ein :-( . Aber
interessant auch, was sie dort für Worte benutzen und wo / wie sie
abgrenzen.
PS: Oh je, ich hoffe, das war jetzt nicht zu wirr.
PPS: Leider bin ich auch auf nichts konkret eingegangen, sondern habe
einfach einen neuen Rahmen gebastelt - na ja, wer weiß wofür's gut ist
;-) .
PPPS: Oh je, andere des seitenweisen Zitierens zeihen und dann selbst
machen ;-) ...
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