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Schlaraffenland? (was: Re: [ox-de] schlaraffenland)



Hi Hans-Gert, Alfred, Ludger, Franz, alle!

BTW: Ich halte Schlaraffenland übrigens für eine ganz schlechte
Metapher. Erstens geht es nicht darum Überfluss zu schaffen, der ja
auch schnell mit Verschwendung assoziiert wird. Es genügt völlig
Ausreichendheit (engl. ampleness) zu erreichen. D.h. Nachfrage und
Angebot können und sollten durchaus aufeinander abgestimmt sein.

Zweitens enthält der Begriff der Selbstentfaltung durchaus Mühe. Es
ist ja nicht mühelos etwas gesellschaftlich Sinnvolles zu schaffen -
ganz im Gegenteil! Diese Mühe kommt im Schlaraffenland aber nicht vor.

Last month (29 days ago) Hans-Gert Gräbe wrote:
wieso bereitet mir eure Vision eines vollautomatisierten
Schlaraffenlands immer mehr Herzdrücken, gerade auch mit Blick auf die
Kollateralschäden bereits heutiger Automatisierung, die sich mit eurer
"universal programmierbaren Produktionsmaschine" ja nur potenzieren
können? Vor allem, wenn "jeder potentielle Konsument so ein Ding
besitzt"? In eurer Utopie scheint es keinerlei Konflikte mehr zu
geben?

Ich jedenfalls denke nicht, dass es keine Konflikte mehr geben wird.
Ich denke aber sehr wohl, dass die Konflikte

* andere Gründe haben werden,

  Ganz platt deswegen, weil die Profitinteressen weg sind. Das
  ermöglicht, dass endlich sachlogische Gründe im Vordergrund stehen.

* andere Verlaufsformen haben werden,

  Weil der gesellschaftliche Rahmen, in dem diese Konflikte ablaufen
  werden, anders sein wird.

* andere Akteure haben werden.

  Die realen ProduzentInnen werden hier eine sehr viel größere Rolle
  spielen - einfach weil es keine Verwerter mehr gibt, die sich in den
  Vordergrund schieben. Und die NutzerInnen werden auch eine größere
  Rolle spielen, da es ja deren Nutzen ist, der gesteigert werden
  soll.

Und damit reden wir hier über eine ganz andere Nummer.

Ich will hier auch mal wieder darauf hinweisen, dass wir mit Freier
Software und Wikipedia ja schon Beispiele für Keimformen haben, die es
sich auf in diesem Fall immer mal wieder lohnt anzusehen. Konflikte
existieren da sehr wohl und sie werden da *ganz anders* ausgetragen
als in der Tauschgesellschaft. Was für mich immer der wichtigste
Aspekt ist: Die Governance in Peer Production bezieht sich stets auf
das Ziel des jeweiligen Projekts - und das ist bei Peer Production
stets die Maximierung des Nutzens.

3 weeks (25 days) ago Hans-Gert Gräbe wrote:
Am 04/28/10 22:07, schrieb alfred morhammer:
ich bin nämlich überzeugt, dass in der welt schon längst alles
existiert, um ein schlaraffenland für alle zu sein.

Ja, Atomkraftwerke für die Energieerzeugung, Nano-Materialien mit
unklaren Wirkungen, weil sie die Blut-Hirn-Barriere leicht
durchbrechen können, große Chemie-Anlagen, wo ich lieber nicht wissen
will, was im Falle einer Havarie passieren würde - und nun auch noch
die "Bastler" am LHC in Genf, die sehenden Auges "möglicherweise"
schwarze Löcher produzieren.

Was du hier beschreibst ist ja kurzschlüssig. Du postulierst ja
letztlich, dass die fortschreitende Verwissenschaftlichung *an sich*
das Problem ist und unabänderlich zu den von dir befürchteten Folgen
führt. Wäre das so könnte die Antwort nur rückwärts gerichtet sein und
letztlich nur auf einen früheren Zustand zurück wollen.

Ich glaube aber, dass die fortschreitende Verwissenschaftlichung nicht
an sich das Problem ist. Die fortschreitende Verwissenschaftlichung
schafft lediglich neue Potentiale. Wie diese Potentiale aber genau
genutzt werden, ist letztlich eine gesellschaftliche Entscheidung. Und
wenn sich die Gesellschaft fundamental ändert, in unserem Fall
insbesondere die Profitmaximierung hinter sich lässt, dann kommen wir
überhaupt erst *in die Lage* uns über solche gesellschaftlichen Fragen
auf sachlicher Ebene zu befassen. Und sie dann auch auf dieser Ebene zu
entscheiden.

2 weeks (16 days) ago Hans-Gert Gräbe wrote:
Mein Punkt war die Janusköpfigkeit (bisher) jeder Technologie, und
dass es (bisher) viel menschliche (Kopf- und Hand-)Arbeit erfordert,
um diese Janusköpfigkeit einzufangen.

Mal anders gefragt: Was lässt dich den glauben, dass unter Bedingungen
von Peer Production diese Janusköpfigkeit weniger eingefangen wird als
heute? In den real existierenden Beispielen sehe ich im Gegenteil ein
sehr hohes Verantwortungsbewusstsein gerade auch gegenüber solchen
Fragen. Wenn ich beispielsweise (auf der CPOV) höre, wie sorgfältig
und sachangemessen in Wikipedia mit wirklich schwierigen Problemen
umgegangen wird, bin ich schon beeindruckt. Siehst du das nicht so?


						Grüße

						Stefan


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