[ox] Re: Macht in der Freien Software (was: Re: [ox] Historisch-spezifische Bedingungen fuer FS)
- From: Thomas Berker <thomas.berker gmx.de>
- Date: Thu, 27 Dec 2001 18:35:03 +0100
Hallo Liste!
Gabs schonmal eine Machtdiskussion? Habe im Archiv erstmal nichts gefunden,
nur das:
Long ago, at 20:54 14.07.01 [PHONE NUMBER REMOVED], Stefan Meretz wrote:
> rausschickt, schleicht sie zur Hintertür wieder rein. Wenn es keine Macht
> ohne Widerstand gibt, gibt es auch keinen Widerstand ohne Macht.
Da schlösse sich eine Machtdebatte an - nicht jetzt.
Und noch eine Nachfrage:
At 22:56 15.12.01 +0100, Stefan Merten wrote:
Ja, würde es. Aber bei Freier Software steht es jedem prinzipiell
frei, seinen eigenen Laden auf exakt der bisher erreichten Grundlage
aufzumachen. Niemensch könnte real verhindern, daß es z.B. parallele
oder sogar konkurrierende Entwicklungen gibt - siehe KDE / Gnome.
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen dieser Argumentation und der
Existenzgruender-Ideologie? Damit meine ich das, wenn mir jemand sagt:
"Wenn dir die Verfasstheit der Produktion in deiner Firma nicht passt, mach
doch deine eigene auf (oder such dir zumindest ne neue - ergo: Geh doch
rueber!)."
Und ich versuch gleich mal eine Antwort:
Dagegen wenden wir (?) ein, dass keineswegs jedeR eine Firma aufmachen
kann, denn dazu braucht es zumindest Kapital. Und das ist und muss ungleich
verteilt sein, sonst ist es per definitionem kein Kapital mehr.
Freie Software funktioniert als kooperative Produktion ohne Kapital. Und
zwar in ausgesprochen komplexen stark wissensbasierten Sektoren der
Produktion. Funktioniert es deshalb aber auch ohne Macht? Meine wiederholt
geaeusserte Vermutung ist, dass Freie Software zwar nicht nach dem
kapitalistischen Modus der Machtorganisation (im weitesten Sinne: Schiefe
Verteilung der kuenstlich verknappten Produktivkraefte) produktiv wird.
Vielmehr tritt meritokratische Verteilung von Macht an diese Stelle. In der
Praxis:
Keineswegs jedeR kann ein Freies Software Projekt gruenden. Sehen wir uns
aber den/die UnzufriedeneN, ForkwilligeN mal genauer an: Die
Wahrscheinlichkeit fuer ihn/sie, erfolgreich das eigene Projekt zu gruenden
sind je hoeher, desto maennlicher, weisser und finanzell unabhaengiger
(Zeitfaktor) er/sie ist. Zudem muss er/sie moeglichst viel einer ganz
spezifischen Form von Wissen draufhaben (Programmieren und Leute
motivieren), d.h. er/sie sollte in der meritokratisch organisierten
Hierarchie der Entwicklerszene moeglichst weit oben stehen. Das alles
behaupte ich jetzt mal so, es ist, hoffe ich, nicht sehr gewagt. Diese
Kriterien verweisen direkt auf Machtverteilung in diesen unseren
Gesellschaften. Die Preisfrage fuer mich ist, ob die beobachtbaren
Machtstrukturen sozusagen "von aussen" hineinwirken, oder ob sie vielmehr
in meritokratischer Verpackung eine bisher hier unterbelichtete Bedingung
fuer den Erfolg von FS-Produktion sind.
Und da waeren wir dann in einer Machtdiskussion, d.h. wir muessten unser
Verhaeltnis zu Macht und allem was dazugehoert klaeren.
Zum einen (a) waere das dann die Frage was ist Macht?
Denn mit, sagen wir mal: einem Foucaultschen Machtbegriff blicken wir auf
Macht als produktiver Faktor. Benni war es, glaube ich, der ein Beispiel
dafuer bringt, wenn er darauf hinweist, dass die realen Probleme dann
wirklich zu forken (kleinere Userbasis usw.) vielleicht dafuer gut sind,
dass Projekte sich nicht zu sehr zersplittern. Die Angewiesenheit auf reale
Ungleichheit, dass eben nicht Kreti und Pleti forken koennen, waere dann
etwas, was wir uns mit der Freiheit zu forken sozusagen miteinkaufen.
Und (b) stellt sich dann die Frage nach dem Verhaeltnis zu Macht. Mit
Foucault gibts keinen Zustand ohne Macht, daher kann hier nur gefragt
werden, welche Organisation von Macht gewuenscht wird. Ist moeglichst viel
Gleichheit das Ziel (moeglichst wenig Ausschluss von Macht) oder sind
bestimmte Aus- und Einschluesse von Macht in Ordnung? Ist meritokratischer
Ein- und Ausschluss okee? Ums mal deutlicher zu sagen: Mir ist Meritokratie
als Mechanismus der Machtverteilung ausgesprochen suspekt, sie hat auch im
Fall der Freien Software expertokratische, vielleicht sogar technokratische
Wurzeln, die mir nicht gefallen. Aber dazu vielleicht mal mehr wannanders.
Bevor ich voellig ausufere hoer ich mal das auf, was mit einer Nachfrage
begann.
Thomas
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