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[ox] Re: Macht in der Freien Software (was: Re: [ox] Historisch-spezifische Bedingungen fuer FS)



Hallo Liste!

Gabs schonmal eine Machtdiskussion? Habe im Archiv erstmal nichts gefunden, nur das:

Long ago, at 20:54 14.07.01 [PHONE NUMBER REMOVED], Stefan Meretz wrote:
> rausschickt, schleicht sie zur Hintertür wieder rein. Wenn es keine Macht
> ohne Widerstand gibt, gibt es auch keinen Widerstand ohne Macht.

Da schlösse sich eine Machtdebatte an - nicht jetzt.

Und noch eine Nachfrage:

At 22:56 15.12.01 +0100, Stefan Merten wrote:
Ja, würde es. Aber bei Freier Software steht es jedem prinzipiell
frei, seinen eigenen Laden auf exakt der bisher erreichten Grundlage
aufzumachen. Niemensch könnte real verhindern, daß es z.B. parallele
oder sogar konkurrierende Entwicklungen gibt - siehe KDE / Gnome.

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen dieser Argumentation und der Existenzgruender-Ideologie? Damit meine ich das, wenn mir jemand sagt: "Wenn dir die Verfasstheit der Produktion in deiner Firma nicht passt, mach doch deine eigene auf (oder such dir zumindest ne neue - ergo: Geh doch rueber!)."
Und ich versuch gleich mal eine Antwort:
Dagegen wenden wir (?) ein, dass keineswegs jedeR eine Firma aufmachen kann, denn dazu braucht es zumindest Kapital. Und das ist und muss ungleich verteilt sein, sonst ist es per definitionem kein Kapital mehr.

Freie Software funktioniert als kooperative Produktion ohne Kapital. Und zwar in ausgesprochen komplexen stark wissensbasierten Sektoren der Produktion. Funktioniert es deshalb aber auch ohne Macht? Meine wiederholt geaeusserte Vermutung ist, dass Freie Software zwar nicht nach dem kapitalistischen Modus der Machtorganisation (im weitesten Sinne: Schiefe Verteilung der kuenstlich verknappten Produktivkraefte) produktiv wird. Vielmehr tritt meritokratische Verteilung von Macht an diese Stelle. In der Praxis:

Keineswegs jedeR kann ein Freies Software Projekt gruenden. Sehen wir uns aber den/die UnzufriedeneN, ForkwilligeN mal genauer an: Die Wahrscheinlichkeit fuer ihn/sie, erfolgreich das eigene Projekt zu gruenden sind je hoeher, desto maennlicher, weisser und finanzell unabhaengiger (Zeitfaktor) er/sie ist. Zudem muss er/sie moeglichst viel einer ganz spezifischen Form von Wissen draufhaben (Programmieren und Leute motivieren), d.h. er/sie sollte in der meritokratisch organisierten Hierarchie der Entwicklerszene moeglichst weit oben stehen. Das alles behaupte ich jetzt mal so, es ist, hoffe ich, nicht sehr gewagt. Diese Kriterien verweisen direkt auf Machtverteilung in diesen unseren Gesellschaften. Die Preisfrage fuer mich ist, ob die beobachtbaren Machtstrukturen sozusagen "von aussen" hineinwirken, oder ob sie vielmehr in meritokratischer Verpackung eine bisher hier unterbelichtete Bedingung fuer den Erfolg von FS-Produktion sind.

Und da waeren wir dann in einer Machtdiskussion, d.h. wir muessten unser Verhaeltnis zu Macht und allem was dazugehoert klaeren.

Zum einen (a) waere das dann die Frage was ist Macht?
Denn mit, sagen wir mal: einem Foucaultschen Machtbegriff blicken wir auf Macht als produktiver Faktor. Benni war es, glaube ich, der ein Beispiel dafuer bringt, wenn er darauf hinweist, dass die realen Probleme dann wirklich zu forken (kleinere Userbasis usw.) vielleicht dafuer gut sind, dass Projekte sich nicht zu sehr zersplittern. Die Angewiesenheit auf reale Ungleichheit, dass eben nicht Kreti und Pleti forken koennen, waere dann etwas, was wir uns mit der Freiheit zu forken sozusagen miteinkaufen.

Und (b) stellt sich dann die Frage nach dem Verhaeltnis zu Macht. Mit Foucault gibts keinen Zustand ohne Macht, daher kann hier nur gefragt werden, welche Organisation von Macht gewuenscht wird. Ist moeglichst viel Gleichheit das Ziel (moeglichst wenig Ausschluss von Macht) oder sind bestimmte Aus- und Einschluesse von Macht in Ordnung? Ist meritokratischer Ein- und Ausschluss okee? Ums mal deutlicher zu sagen: Mir ist Meritokratie als Mechanismus der Machtverteilung ausgesprochen suspekt, sie hat auch im Fall der Freien Software expertokratische, vielleicht sogar technokratische Wurzeln, die mir nicht gefallen. Aber dazu vielleicht mal mehr wannanders.

Bevor ich voellig ausufere hoer ich mal das auf, was mit einer Nachfrage begann.

Thomas

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