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Re: [ox] Re: Macht in der Freien Software



Hi Thomas und alle!

3 weeks (26 days) ago Thomas Berker wrote:
Gabs schonmal eine Machtdiskussion? Habe im Archiv erstmal nichts gefunden,
nur das:

Uff. Also ich habe bei "Macht"

	Found 1206 items, now showing 1 - 10

bekommen - und die Werbung brachte mir den Hinweis ein:

	Macht - Lowest Prices on Macht at DealTime Compare prices from
	1000s of Stores and Save Instantly!

Das es so einfach ist, wer hätte das gedacht ;-) ;-) .

Wir hatten das Thema aber wirklich schon ein paar mal - nicht zuletzt
in diesem Thread.

Und noch eine Nachfrage:

Da würde ich gerne noch ein wenig dröseln :-) .

At 22:56 15.12.01 [PHONE NUMBER REMOVED], Stefan Merten wrote:
Ja, würde es. Aber bei Freier Software steht es jedem prinzipiell
frei, seinen eigenen Laden auf exakt der bisher erreichten Grundlage
aufzumachen. Niemensch könnte real verhindern, daß es z.B. parallele
oder sogar konkurrierende Entwicklungen gibt - siehe KDE / Gnome.

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen dieser Argumentation und der
Existenzgruender-Ideologie? Damit meine ich das, wenn mir jemand sagt:
"Wenn dir die Verfasstheit der Produktion in deiner Firma nicht passt, mach
doch deine eigene auf (oder such dir zumindest ne neue - ergo: Geh doch
rueber!)."

Strukturell ist da erst mal keine - aber ehrlich gesagt kann ich mir
da auch nichts vorstellen, wie es irgendwie emanzipatorischer zugehen
könnte...

Und ich versuch gleich mal eine Antwort:
Dagegen wenden wir (?) ein, dass keineswegs jedeR eine Firma aufmachen
kann, denn dazu braucht es zumindest Kapital. Und das ist und muss ungleich
verteilt sein, sonst ist es per definitionem kein Kapital mehr.

Das würde ich auch erwähnen. Das verweist hier aber nur auf die äußere
Unmöglichkeit wegen des fehlenden Kapitals...

Freie Software funktioniert als kooperative Produktion ohne Kapital. Und
zwar in ausgesprochen komplexen stark wissensbasierten Sektoren der
Produktion. Funktioniert es deshalb aber auch ohne Macht? Meine wiederholt
geaeusserte Vermutung ist, dass Freie Software zwar nicht nach dem
kapitalistischen Modus der Machtorganisation (im weitesten Sinne: Schiefe
Verteilung der kuenstlich verknappten Produktivkraefte) produktiv wird.
Vielmehr tritt meritokratische Verteilung von Macht an diese Stelle. In der
Praxis:

Keineswegs jedeR kann ein Freies Software Projekt gruenden.

...was bei Freier Software erstmal de facto nicht gegeben ist. Aber...

Sehen wir uns
aber den/die UnzufriedeneN, ForkwilligeN mal genauer an: Die
Wahrscheinlichkeit fuer ihn/sie, erfolgreich das eigene Projekt zu gruenden
                                   ^^^^^^^^^^^

...hier ist ein wichtiger Knackpunkt. Vom Forken hält dich niemensch
ab. Der "Erfolg" des Forks steht aber wie bei einem ungeforkten
Projekt auf einem ganz anderen Blatt. Im Gegensatz zu einem
kapitalbasierten Fork hängt hier aber der potentielle Erfolg nicht
direkt mit der Möglichkeit des Forks ab. Das finde ich einen wichtigen
Unterschied.

Zu der Frage, was hier als Erfolg bezeichnet werden kann, will ich
mich jetzt mal nicht auslassen.

sind je hoeher, desto maennlicher, weisser und finanzell unabhaengiger
(Zeitfaktor) er/sie ist.

Na, daß Forks weißer Männer per se erfolgreicher sind, wage ich aber
mal zu bezweifeln. Der Zeitfaktor, eigentlich aber der Kümmerfaktor
spielt da schon mehr eine Rolle. Aber das ist sachlich begründet und
nichts Äußeres.

Zudem muss er/sie moeglichst viel einer ganz
spezifischen Form von Wissen draufhaben (Programmieren und Leute
motivieren),

Ja. Um bestimmte Dinge zu tun, brauchst du gewisse Fähigkeiten - so
ist die Welt nun mal. Wenn du das abschaffen willst, dann müßtest du
mir verraten, wie jedeR ohne jede Voraussetzung sofort in jedem Feld
menschlicher Tätigkeit erfolgreich sein kann.

d.h. er/sie sollte in der meritokratisch organisierten
Hierarchie der Entwicklerszene moeglichst weit oben stehen.

Das "oben" in der von dir gesehenen Hierarchie führst du jetzt ein,
aber ich sehe nicht, daß das zwingend ist. Klar braucht sie bestimmte
Fähigkeiten und ist damit sicher besser als andere - es ist halt nicht
voraussetzungslos. Aber warum das notwendig ein "oben"/"unten"
impliziert ist mir nicht klar.

Das alles
behaupte ich jetzt mal so, es ist, hoffe ich, nicht sehr gewagt. Diese
Kriterien verweisen direkt auf Machtverteilung in diesen unseren
Gesellschaften.

Weiß ich nicht. Ich denke ja immer, daß die verheirateten (d.h.
finanziell abgesicherten) "Nur-Hausfrauen", deren Kinder aus dem Haus
sind, ein ungeheures Potential darstellen. Die haben nämlich z.B. Zeit
und oft auch das Bedürfnis, etwas Sinnvolles für die Gesellschaft zu
tun. Oder Arbeitslose. Beiden Gruppen fehlt es i.d.R. - leider - an
der technischen Kompetenz. Beide Gruppen sind aber nicht die
MachtinhaberInnen dieser Gesellschaft.

Die Preisfrage fuer mich ist, ob die beobachtbaren
Machtstrukturen sozusagen "von aussen" hineinwirken, oder ob sie vielmehr
in meritokratischer Verpackung eine bisher hier unterbelichtete Bedingung
fuer den Erfolg von FS-Produktion sind.

Nun, die Freien-Software-EntwicklerInnen, die mir bisher so über den
Weg gelaufen sind, sind nicht gerade die prototypischen
MachtinhaberInnen. Sie haben einen guten technischen Hintergrund,
halbwegs Zeit und vor allem: Genügend Lust.

Und da waeren wir dann in einer Machtdiskussion, d.h. wir muessten unser
Verhaeltnis zu Macht und allem was dazugehoert klaeren.

Zum einen (a) waere das dann die Frage was ist Macht?

Nach Kurt-Werners Mail ist mir klar geworden, daß meine Definition -
und die meines Lexikons - wohl mal wieder mit Max Weber deckt. Der hat
aber auch sehr viele brauchbare Definitionen geliefert ;-) .

Denn mit, sagen wir mal: einem Foucaultschen Machtbegriff blicken wir auf
Macht als produktiver Faktor. Benni war es, glaube ich, der ein Beispiel
dafuer bringt, wenn er darauf hinweist, dass die realen Probleme dann
wirklich zu forken (kleinere Userbasis usw.) vielleicht dafuer gut sind,
dass Projekte sich nicht zu sehr zersplittern. Die Angewiesenheit auf reale
Ungleichheit, dass eben nicht Kreti und Pleti forken koennen, waere dann
etwas, was wir uns mit der Freiheit zu forken sozusagen miteinkaufen.

Ich weiß nicht, ob wir darauf angewiesen sind, aber Ungleichheit ist
eine Tatsache, die nun mal nicht wegzudiskutieren ist, wenn sie
sachlich begründet ist.

Und (b) stellt sich dann die Frage nach dem Verhaeltnis zu Macht. Mit
Foucault gibts keinen Zustand ohne Macht, daher kann hier nur gefragt
werden, welche Organisation von Macht gewuenscht wird. Ist moeglichst viel
Gleichheit das Ziel (moeglichst wenig Ausschluss von Macht) oder sind
bestimmte Aus- und Einschluesse von Macht in Ordnung? Ist meritokratischer
Ein- und Ausschluss okee? Ums mal deutlicher zu sagen: Mir ist Meritokratie
als Mechanismus der Machtverteilung ausgesprochen suspekt, sie hat auch im
Fall der Freien Software expertokratische, vielleicht sogar technokratische
Wurzeln, die mir nicht gefallen. Aber dazu vielleicht mal mehr wannanders.

Hiervor wäre zu klären, was Macht ist und ob sie in der Freien
Software überhaupt nennenswert vorkommt.

Bevor ich voellig ausufere hoer ich mal das auf, was mit einer Nachfrage
begann.

Na, ist ja eine wichtige Debatte.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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