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[ox] 8 Thesen über Befreiung



                     8 Thesen über Befreiung
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1. Befreiung ist ein Prozeß. Es gibt weder einen Zustand totaler
Befreiung noch einen Zustand totaler Knechtschaft. Dieser Prozeß hat
kein Anfang und kein Ende und er läuft weder nach einem historischen
Automatismus ab noch nach einem vorgegebenen Schema.

2. Befreiung ist zu jedem historischen Zeitpunkt möglich und hat auch
zu jedem historischen Zeitpunkt stattgefunden. Sie muß jedoch erkämpft
werden. Sie fällt einem nicht zu.

3. Befreiung ist jedoch nicht zu haben unabhängig vom historischen
Zeitpunkt. Sie muß die konkreten historischen Bedingungen, das heisst
vor allem - aber bei weitem nicht nur - die Entwicklung der
Produktivkräfte, berücksichtigen und mit ihren Tendenzen arbeiten und
nicht gegen sie.

4. Das der Kapitalismus in einer Krise steckt (und sei sie auch final)
bedeutet nichts für die Möglichkeit von Befreiung. Befreiung ist
genauso möglich, wenn der Kapitalismus morgen endet, wie wenn er noch
300 Jahre wärt. Dies wiederum bedeutet nicht, dass diese Fragen egal
wären, denn sie entscheiden über die historischen Rahmenbedingungen
von Befreiung.

5. Befreiung ist immer sowohl ein gesellschaftlicher als auch ein
individueller Prozeß. Dies spiegelt die Möglichkeiten des Menschen als
ein sowohl individuelles wie auch gesellschaftliches Wesen wieder.
Weder kann ich die Massen befreien oder diese mich, noch kann ich mich
ohne Bezug auf ein gesellschaftliches Ganzes befreien.

6. Befreiung ist immer zunächst mein eigenes Interesse. Die erste
Frage lautet nicht, wie die anderen sich befreien können, sondern wie
ich mich befreien kann. Daran anschliessend ergibt sich dann
möglicherweise auch für andere die Möglichkeit zu wählen. Je mehr
Handlungsmöglichkeiten ich aus einer emanzipatorischen Perspektive
deutlich mache, umso mehr wird diese Perspektive für andere
interessant. In diesem Sinne ist meine Befreiung immer die der anderen
und die der anderen immer meine.

7. Es kann nicht darum gehen, bestimmte Entwicklungen der
Produktivkräfte als bloße Rückzugsgefechte des Kapitalismus zu
denunzieren. Vielmehr gilt es bestimmte Widersprüche innerhalb der
Entwicklung der Produktivkräfte zu benennen und für Befreiung zu
nutzen. Dies kann man nur, wenn man sich der Offenheit von Geschichte
bewußt ist und nicht nur noch eine scheinbar schon entschiedene
Schlacht schlägt. Dies kann man erst recht nicht, wenn man die Krise
des Kapitalismus bloß konstatiert und auf seinen Untergang wartet.

8. Die Theorie von Freier Software als Keimform einer
nachkapitalistischen Gesellschaft macht dann Sinn, wenn man sie
versteht als Aufdeckung eben eines solchen Widerspruchs der
Produktivkraftentwicklung, an dem ein emanzipatorisches Interesse
ansetzen kann. Sie macht jedoch nicht Sinn als die Entdeckung einer
Form deren Entfaltung aus sich heraus schon für eine bessere
Gesellschaft stehen würde. Sie macht auch nicht Sinn als
Anfangsstadium eines Prozesses dem man schematisch folgen müsste.
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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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