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Re: [ox] Zur Kritik der Freien Kooperation



Hi Stefan und alle!

Annette: Du bekommst nicht alles `Cc:', was in diesen Threads läuft.
Wenn's dich interessiert, wird wohl früher oder später ein Blick ins
Archiv nötig. Bisher ist aber alles noch ziemlich ordentlich
gethreadet.

Christoph habe ich mal aus dem `Cc:' genommen, weil er seit meiner
Eingangs-Mail auf der Liste ist. Welcome :-) .

Today Stefan Meretz wrote:
ich glaube, ich habe ansatzweise zu ersten Mal kapiert, was dich so
stört an der FK.

:-)

Bei deinen anderen Mails hatte ich immer nur ein
komisches Gefühl ("worüber regt er sich eigentlich so auf"?), aber nicht
kapiert, was los ist. Ob ich das jetzt kapiert habe, werden wir sehen
bzw. du wirst es mailen.

Wir gehen Schritt für Schritt.

Ich habe zwei wesentliche Punkte herausgelesen:
1. die Verwendung von Begriffen, die dir zu beliebig ist
2. die "Machtfrage" (wo ganz viele Begriffe reinfallen)

Darum ging es in den Reply-Wechseln wohl hauptsächlich. Bleiben wir
erstmal dabei.

Ich picke aus deiner letzten Mail das IMHO jeweils zugehörige raus. Ich
sortiere also ein bisschen um.

Ok.

1. Begriffsbeliebigkeit
...
Es ist eine andere Sprache, eine andere Diskurs- und Theorieform. Btw
auch nicht die Meine. Wenn ich nur feststelle: Das ist nicht so, wie
ich es haben will ("nebulös": es ist kein scharf-analytischer Text),
dann habe ich nix davon.

Na ja, so ganz beliebig ist es nicht. Es macht mir schon ein Problem,
wenn ich überhaupt nicht mehr weiß, wovon eigentlich die Rede ist. Ich
phantasiere mir an den Leerstellen nicht gerne was zusammen, sondern
benenne sie lieber als Leerstelle.

Diese Leerstellenbenennung, also dessen, wovon du nicht weisst, wovon
die Rede ist, habe ich nicht gefunden.

Na, das mit den Formalarbeitern war vielleicht das drastischste
Beispiel. Aber das gibt's - schwächer - auch anderswo.

Ich habe deine Kritiken in
Erinnerung (kram...), die waren in deiner ersten Mail:
- Kritik der Begriffsbildung
- Kritik am linken Populismus
- Kritik der Perspektive
- Kritik der Zweckmäßigkeit
- Kritik "Alter Wein in neuen Schläuchen"
- Fundamentalkritik

Die gehen von einem ziemlich dezidierten Verständnis aus. Von einer
bestimmten Lesart.

Ja. Und ich denke immer noch, daß ich mit meiner Lesart sehr nah an
dem bin, was da an Fundamenten geschrieben steht. Was Christoph
gemeint haben könnte interessiert mich erstmal nicht - das kann er
selbst sagen bzw. können wir das weiterentwickeln.

In diesem Zusammenhang auch ausgesprochen spannend, daß weder du noch
Benni auf meine Kritik an den Fundamenten der Freien Kooperation, an
den drei Punkten so richtig eingeht.

Und BTW merke ich gewöhnlich ganz gut, wenn es sich einfach nur um ein
mir unvertrautes Sprachspiel handelt. Dies hier war mir sehr
vertraut...

Das liest sich wie: Es bestätigten sich deine Vorurteile.

So war es nicht gemeint. Gemeint war: Dieses Sprachspiel ist mir aus
dem breiten linken Diskurs wohlbekannt.

Ich habe wirklich versucht, mich mit Vorurteilen zurückzuhalten und
auch z.B. die Kritik an der Personifizierung griffe ja in dem Text gar
nicht, weil er das da nicht tut.

<break>
Kann es sein, dass wir von verschiedenen Seiten der gleichen Sache
annähern? Du aus der - ich nenn es mal so - Frontalkritik (auch bei
Ralf, nur ohne Annäherung?), ich eher aus einem Anschluß mit Kritik und
Benni eher aus einer Affirmation?

Das ist sicher so.

Mir kommt es nicht darauf an, was
jetzt "besser" ist, mir ist eher daran gelegen, uns der Sache noch
weiter anzunähern.

Ja Bitte. D.h. ein gemeinsames - und das kann nur heißen: erweitertes
- Verständnis zu gewinnen.

Da gibt's was zu lernen!

Yep.

</break>

Ein interessantes Beispiel ist der Abschnitt über die "formale Arbeit"
(ich will jetzt nicht wieder alles quoten):

An die Stelle von offener formalrechtlicher Apartheid tritt die
Privilegisierung eines bestimmten Modells von "Arbeit" und
"Arbeitenden", das sich als "formale Arbeit" bezeichnen lässt und in
dem qualifizierte, privilegierte Lohnarbeit und unternehmerische
Arbeit sich annähern. Formale Arbeit findet auf "Arbeitsplätzen"
statt, d.h. sie basiert auf offiziellen, rechtlich garantierten
Verträgen, ist verhältnismäßig gut bezahlt, und schließt in hohem
Maße
"unternehmerische" Aspekte von Arbeit mit ein, d.h. sie verfügt
ihrerseits partiell über andere Arbeit und fordert/erlaubt stärker
die
Subjektivität des Arbeitenden in der Arbeit (Motivation, Engagement,
Kreativität etc.). Es ist die Arbeit, die weder prekär, noch
illegalisiert, noch monoton, noch minderbezahlt, noch biographisch
zerstückelt ist und deren Subjekte sich von den "Zumutungen" des
sonstigen Lebens und aller anderen Formen von Arbeit weitgehend
freihalten können.

Wo bitte trifft das denn zu auf Lehrer, Anwälte, Zahnärzte,
Steuerberater, Politiker, Aufsichtsräte und Werbegrafiker? Wo ist die
Arbeit eines Lehrers unternehmerisch? Es gibt keine minderbezahlten
Werbegrafiker? Steuerberater machen keine monotone Arbeit?
Aufsichtsräte haben keine zerstückelte Biographie? Und wer davon
behauptet eigentlich, daß er - Frauen kommen bei Christoph ja nur als
Feministinnen vor - die "eigentlich produktive Arbeit" macht? Die
Kriterien und die Liste sind einfach reichlich beliebig und das war
mein Problem.

Die Beispiele illustrieren eine Minderheit. Natürlich gibt es auch
minderbezahlte Werbegrafiker usw. (deine Aufzählung), aber um die geht
es hier gerade nicht.

Im marxistischen Diskurs wären Christophs FormalarbeiterInnen BTW im
wesentlichen die Kleinbürger.

Die Prekarisierung nimmt zu, die Fragmentierung
der Berufbiographien auf.

Hier teile ich Ralfs Kritik, daß Christoph in die falsche Richtung -
d.h. pro Prekarisierung - kritisiert. Aber das nur BTW.

_Darum_ geht es doch: Den öffentlichen Diskurs
bestimmen großenteils (nein, nicht "nur") diese von Christoph sog.
Formalarbeiter (ich finde den Begriff aus anderen Gründen nicht
glücklich gewählt).

Das sehe ich nicht so, daß die den Diskurs bestimmen.

Guck dir die Medien an, die Unterhaltungsfilme, die
politischen Talkshows, ja sog. die Doof-Talkshows, in denen Leute
vorgeführt und erniedrigt werden, weil deren Leben genau an diesem
Mainstream-Diskurs gemessen wird.

*Da* würde ich dir zustimmen - aber das sagt Christoph gerade nicht!

Für Christoph sind es irgendwelche (angeblich) privilegierten
Berufsgruppen, die hier irgendwas bestimmen. Für mich sind es
kapitalistische Funktionszusammenhänge, die uns z.B. über die
Massenmedien in die Schädel gehämmert werden.

Und da verschiebst du übrigens wie du es an anderen Stellen auch
machst. Christoph redet in seinem Text von dem einen und du von etwas
ganz anderem. Und mich interessiert auf der Ebene der Kritik eines
Textes erstmal nicht, ob Christoph das gemeint haben könnte - was ich
BTW auch nicht glaube.

Er will hier in negativer Spiegelung die Aufmerksamkeit auf den
größeren Teil der Tätigkeiten lenken, die scheinbar "unsichtbar" sind,
sozusagen die ganzen "informalen Arbeiten" ohne die nix läuft. >>Trotzdem
haben die (von Christoph sog.) "formalen Arbeiter" das Sagen, sie
bestimmen den öffentlichen Diskurs, sie vertreten die jeweiligen
Kooperationen nach außen.

Anwälte und Zahnärzte sind Freiberufler. Die haben nix außer sich
selbst und wenn's hochkommt ein bißchen Praxis, das sie nach außen
vertreten könnten. Politiker sind als Außenvertretung in diesen Job
gewählt worden. Werbegrafiker vertreten nix nach außen und Lehrer
genausowenig. Aufsichtsräte vielleicht. Aber die sind ebenfalls
explizit in diesen Job gekommen.

Jetzt hängst du dich an dem Wort "Außenvertretung" auf, das ist nur ein
Aspekt - "sie bestimmen den öffentlichen Diskurs" lautet oben mein
anderer Halbsatz.

Nein, sie bestimmen nicht den öffentlichen Diskurs. Zumindest nicht
über ihre Funktion als kapitalistische Charaktermasken hinaus. Aber
hier bewegen wir uns vom Thema der Kritik an Christophs Text weg.

Der Sinn des Abschnitts ist, die Forderung "Herrschaftsinstrumente
abbauen" (Überschrift) zu konkretisieren, was hier eben zu der Forderung
"Entpriviligierung der formalen Arbeit" führt. Eine Koop ist keine
freie, wenn es in ihr diese Privilegien gibt, die dazu benutzt werden,
über andere zu verfügen und sie abzuwerten etc. Finde ich völlig richtig.

Ja, Privilegien sind - ohne lange drüber nachgedacht zu haben -
anti-emanzipativ. Aber das weiß jedes Kind. Dazu hat es die Freie
Kooperation wohl kaum gebraucht.

Wie jede Illustration ist die mit den Werbegrafikern etc. beliebig, ja.

Nein, nicht jede Illustration ist beliebig. Da muß ich als Illustrator
doch sehr protestieren ;-) . Illustrationen können einen Sachverhalt
der Tendenz nach gut oder weniger gut darstellen. Eine gut gewählte
Illustration kann verbildlichen, was ein abstrakter Gedanke sagen
will.

Eine Illustration kann aber auch schlecht gewählt sein - wenn sie
zuviel wegläßt oder entscheidende Kategorien der Illustration in dem
zu illustrierenden Gedanken nicht vorkommen.

Dazu finde ich ganz anschaulich die Szene des Kinderladens aus dem
Alienbuch. Rekapituliere ich mal aus dem Kopf: Da gibt es viel zu tun,
damit der Laden läuft, und viele engagieren sich. Doch irgendwann etzt
sich jemand "an die Spitze", der den Laden nach außen repräsentiert.

Moment. Hier findet eine völlig unzulässige Verquickung statt, von der
mich gelinde gesagt schon ein bißchen erstaunt, wie du da
undifferenziert drüberbretterst.

Da "setzt sich jemand an die Spitze" *und* die selbe Person
"repräsentiert den Laden nach außen". Das ist aber beileibe kein
Automatismus. Eine Außenvertretung muß nichts mit "an die Spitze
setzen" zu tun haben.

Das habe ich auch nicht geschrieben und gemeint. Es ist eine
Illustration, ein Fall. Nix muss da zwangsläufig so sein. Aber es ist
häufig in der Praxis so.

Und das ist genau mein Problem. Christoph führt oft "Fälle" an, wo
jedeR brave Linke sofort Gut und Böse unterscheiden kann. Diese
"Fälle" verallgemeinert er dann - und da wird's schwierig. Wenn das
eine zulässige Vorgehensweise wäre, dann bräuchten wir keine Theorie
mehr, sondern der gesunde Menschenverstand - vulgo: der Stammtisch -
würde völlig ausreichen.

Allerdings leben wir in Zeiten, wo "Fälle" eine große Rolle spielen -
die Massenmedien bombardieren uns ja geradezu mit "Fällen", die aus
dem Zusammenhang gerissen eben oft nichts sagen. Aber Christoph liebt
ja Funk und Fernsehen - und kennt offenbar deren Taktiken nur zu gut.

Mein Problem ist, daß die Wahl der Illustrationen bzw. deren
Verallgemeinerung bei Christoph so undifferenziert ist. Damit blendet
er m.E. wesentliche Teile von Welt aus. Z.B. indem er einfach alles
als Kooperation bezeichnet oder alles als Verhandlung. Wenn die Welt
so einfach wäre, dann bräuchten wir keine Theorien über sie
aufzustellen, sondern sie wäre unmittelbar einsichtig. Was bei
Christoph letztlich rauskommt, ist blanker (linker) Populismus.

Ich laß das Beispiel mal weg. Ich hoffe, daß ich mit meinen
differenzierenden Fragen klar machen konnte, was mein Problem ist.

Es geht
nicht um "Feindbilder", sondern um ein Sichtbarmachen bestimmter,
ziemlich unsichtbarer Praxen in (erzwungenen) Kooperationen.

Nun verrate mir doch mal, was daran unsichtbar ist. Das ist doch alles
völlig offensichtlich und ich wette, daß die meisten Menschen das auch
sehr gut ausmachen können. Sind ja nicht alle völlig bescheuert.

Sie sind nicht bescheuert, aber in erzwungenen Kooperationen eben in
einer Zwangslage.

Es ging hier aber um die Sichtbarkeit.

Schon, dass die polnische Putzhilfe nur 8 Mark
bekommt, weil sie keinen gesicherten Aufenthalt bekommt, ist dann bei
vielen nicht mehr "offensichtlich".

Der polnischen Putzhilfe mit Sicherheit. So what?

Wo ist die Freie Kooperation denn für die polnische Putzhilfe von
Vorteil? Jederzeit kündigen kann sie auch heute schon. Nur einen
beliebig absurden Scheidungspreis kann sie heute nicht fordern - aber
das ist vermutlich auch ganz gut so, sonst würde sie den
Scheidungspreis vermutlich nicht nur fordern, sondern (auch)
abverlangt bekommen...

Frigga Haug, die die Rede zur Preisverleihung hielt, hat sich da ein
bisschen peinlich berührt an die eigene Nase gefasst: Ja, auch bei ihr
gibt's diese "unsichtbare Putzhilfe", die ihr die Bedingungen schafft.

Das merken wir uns ganz kurz.

Die sind in
praxi auch geschlechtlich sehr eindeutig verteilt.

Ach wie ich diesen feministischen Sexismus hasse... Nein, Frauen haben
qua Frausein keine Machtbedürfnisse. Frauen sind ja sowieso immer nur
Opfer... Oh, mir wird übel :-( ...

Ägypten? Ich habe doch erstmal nur gesagt, was ist.

Nein. Du hast dein "feministisch"-sexistisches Stereotyp der Realität
übergebraten. Dazu brauchen wir nur das Gemerkte zu Frigga Haug
auszupacken.

Ich behaupte, daß Frauen exakt das Gleiche tun bzw. tun würden wenn
sie dazu machtmäßig in der Lage wären - alles andere ist sexistisch.
Daher halte ich die Geschlechtskategorie hier für völlig unangebracht.

Aber über die Frage von Maintainer wäre in der Tat auch nochmal zu
sprechen. Ich finde diese ganze Machtscheiße jedenfalls so dermaßen
unangebracht - siehe letzte Mail.

Die Machtscheiße der Maintainer? Ich verstehe dich nicht....

Das war auch sehr kurz. Ich meinte, daß ich dieses ganze Denken in
Machtkategorien - kurz: diese ganze Machtscheiße - für unangebracht
halte - gerade für Maintainer. Maintainer scheint ja unser
Gegenbegriff zu sein für Leute, die Führungsaufgaben wahrnehmen, aber
keine Machtmittel haben (oder nicht anwenden? Das ist schon Teil eines
solchen Threads).

2. die "Machtfrage" (mit Begriffen wie Erpressung, Konkurrenz etc.)
...
Wie ist das jetzt unter den Bedingungen der Freien Kooperation? Sobald
die EntwicklerIn/MaintainerIn feststellt, daß etwas nicht in ihrem
Sinne läuft, wird sie aufhören zu argumentieren und Code zu liefern.
Stattdessen wird sie - ganz "frei-kooperativ" - die anderen ultimativ
auffordern, ihren Wünschen zu entsprechen, ansonsten sie gehen würde.

So passiert das auch - nur nicht in der "formalen Weise" wie es jetzt
hier skizzierst. Es findet vermutlich keine "ultimative Aufforderung"
statt, aber bei allen Versuchen, durch Argumente und Codebeiträge die
Richtung zu ändern, wird für alle Beiteiligten klar werden, was die
Alternativen sind: Anpassen, Rausgehen oder Fork.

Hier ist aber ein entscheidender Unterschied, den du einfach
unterbutterst: Ob ich meinen Ausstieg als Drohpotential in Stellung
bringe, oder ob sich Menschen an fünf Fingern abzählen können, daß ich
irgendwann gehe, das ist einfach nicht dasselbe. Ich habe mal eins
kapiert: Weggehen kündigt mensch nicht an - das ist billig und im
Zweifelsfall auch ein Spiel mit dem Feuer. Weggehen tut mensch wenn es
an der Zeit ist - ohne Erpressung sondern in (gegenseitiger) Freiheit.

Damit sind auch die
Folgen ("Preise") absehbar: Verlust guter Coder etc.

Du unterschlägst konsequent, daß in Christophs Theorie von allen
Beteiligten ein Scheidungspreis gefordert werden kann. Da ist *nichts*
absehbar.

Angenommen, die anderen lassen sich nicht erpressen,

Das scheint mir ein Knackpunkt: Wie kommst du auf "erpressen"?

Das *ist* ein Knackpunkt. Wir hatten das auf der Liste auch schon
irgendwann mal klarer, daß Christophs Machtmittel nur negativ sind -
aber dennoch Machtmittel.

Das "Nein, wenn nicht...", das Christoph alle paar Seiten vergötzt,
die Drohung mit Krieg, die die Forderung eines Preises letztlich
bedeutet, das ist klare Erpressung.

Es werden
bestimmte Handlungsmöglichkeiten offenbar - mit unterschiedlichen Folgen
für die beteiligten Einzelnen und die Kooperation insgesamt. Nicht mehr
und nicht weniger.

Nichts wird offenbar. Um's nochmal ins Bewußtsein zu rufen:

S. 23:
- alle Beteiligten frei sind, die Kooperation zu verlassen, ihre
  Kooperationsleistung einzuschränken oder unter Bedingungen zu
  stellen, und dadurch Einfluss auf die Regeln der Kooperation zu
             ^^^^^^^^^^^
  nehmen;

Hier ist die Erpressung formuliert. Die Einschränkung der Kooperation,
das Verlassen der Kooperation ist keine Entscheidung aus
Selbstentfaltung, sondern ein Instrument - genauer: ein
Machtinstrument. Das kritisiere ich fundamental. Einerseits wegen der
Perpetuierung von Macht und andererseits wegen der
Instrumentalisierung eigenen Verhaltens für einen dritten Zweck.

S. 23:
- alle Beteiligten insofern gleich sind, als sie dies zu einem
  vergleichbaren und vertretbaren Preis tun können; d.h. dass der
  Preis dafür, die Kooperation zu verlassen bzw. die eigenen
  Kooperationsleistungen einzuschränken oder unter Bedingungen zu
  stellen, für alle Beteiligten ähnlich hoch (oder niedrig), aber auf
  jeden Fall zumutbar sein muss.

Ja, ja Christoph tut so, als ob der Preis vom Himmel fiele - und das
scheinen alle auch zu glauben. In mehreren Beispielen habe ich
verdeutlicht, daß das nicht so sein kann(!) und daß die Freie
Kooperation zudem die Möglichkeit der vorherigen Vereinbarung verbaut.

Da hat keiner die Möglichkeit zur Erpressung.

Aber sicher. Andersrum gefragt: Was ist denn für dich Erpressung? Für
mich wäre es die Androhung negativer Konsequenzen bei unerwünschtem
Verhalten. Ob das Weggehen, die Drohung mit dem Scheidungspreis oder
Prügel ist, ist dabei unerheblich. Alles die gleiche Machtscheiße.

Aber nehmen wir mal ein FS-Projekt mit GPL und ohne
Verwertungsanhang. Die Folgen der Scheidung sind klar geregelt durch die
GPL:

Das willst du wohl nicht sehen? Was hindert die, die gehen will, die
GPL zur Disposition zu stellen? Es gibt ja keine sakrosankten Regeln
(doch die: Es gibt keine sakrosankten Regeln ;-) ).

Niemand kann sich den Code exklusiv unter den Nagel reissen.

Es ist sogar absolut naheliegend, daß die Gehende die Abschaffung der
GPL zum Teil ihres Scheidungspreises macht.

Die
Folgen sind für alle mehr oder minder gleich, und zwar nicht
unerheblich, da der Projekterfolg gefährdet wird.

Und wieder gehst du von falschen Voraussetzungen aus. Die, die gehen
will, der liegt nichts mehr am Projekterfolg - sonst würde sie nicht
gehen. Die verfolgt nur noch (ihre) Partialinteressen - ohne Rücksicht
auf (gesamtgesellschaftliche) Verluste. Das größte Stück vom Kuchen
ist das einzige Interesse, was die Gehende noch haben und dank der
Freien Kooperation auch durchsetzen kann.

Andere Regeln können
dazu kommen wie die Vereinbarung, dass CVS verwendet wird, Mail im
Mail-Archiv stehen etc.

Alle nicht sakrosankt und damit im spannenden Fall hinfällig. Vergiß
es.

Ich glaube, ich kann hier aufhören mit ausmalen, weil wir alle die
ekelhaften Schlammschlachten kennen, die sich in solchen Fällen
darbieten. Wichtiger aber noch, als ein solch unappetitliches Ende:
Ein solches mögliches Ende strahlt natürlich in den Prozeß selbst
hinein (negativ) aus. D.h. alle werden für den Fall der Scheidung
eifersüchtig darüber wachen, wer welche Claims absteckt.

Komisch, wieso dir als erstes die Schlammschlachten einfallen und mir
die Praxis der FS.

*Das* kapiere ich auch nicht. Bin ich der einzige, der Christophs
Regularien zu Ende denkt?

Und so soll Freie Software entstehen? Bullshit! So entsteht vielleicht
schlechte proprietäre Software, Freie auf keinen Fall.

IMHO entspricht die Praxis von FS dem, was FK formuliert. Oder
andersrum: FK ist eine bestimmte abstraktive Fassung von bestimmten
Praxen. Ob sie das allerdings wirklich gut auf den Punkt bringt, frage
ich mich auch. Deine vehemente Intervention macht mich nachdenklich.
Meine Leitfrage ist also: Wo liegen die wesentlichen Unterschiede von FS
und FK? Ich würde weiterkommen - hier in unserer Diskussion - wenn es
uns gelänge, das herauszuholen.

Das steht (indirekt) mehr oder weniger in meiner Eingangs-Mail.
Momentan kläre ich - für euch und für mich.

Bin ich FK-voreingenommen? Zeige es mir.

I'm trying ;-) .

<snip>
Jetzt habe ich einen großen Teil herausgeschnitten, weil der sich wieder
mit dem Lesart-Problem befasst
<snap>

Das ist die Lesart, wenn die Feindbilder geklärt sind. Versuch doch
mal, dich in die Aliens zu versetzen und die Freie Kooperation nach
ihren Interessen zu lesen.

Das erwähnt Christoph ausdrücklich, dass das möglich ist. Auch ein
wichtiger Hinweis: _Keine_ Theorie ist davor gefeit. Wenn wir von
Selbstentfaltung reden, wird uns das doch auch um die Ohren gehauen:
Alles neoliberaler Scheiss.

Ja, ja die Generalentschuldigung, die auch Christoph so gerne
verwendet. Again: There are shades of grey.

Wenn ich an die "IdiotInnen des Kapitals denke" oder an Sabines Kritik,
dann kann ich nur konstatieren: Damit müssen wir uns inhaltlich
auseinandersetzen.

Ja doch. Sage ich ja auch am laufenden Meter.

*Christoph* macht es nicht, sondern verwendet die Schwierigkeiten
dazu, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Deswegen meine Antwort:
There are shades of grey. Klar ist es schwierig, aber mensch muß sich
damit auseinandersetzen anstatt es einfach abzutun. *In* der
Schwierigkeit noch differenzieren, das ist die Kunst, das bringt
weiter.

Alle Regeln sind jederzeit aufkündbar. Das heißt de facto, daß es
keine Regeln gibt. Was nutzt denn eine Regel, die morgen außer Kraft
gesetzt sein kann?

Wieso heisst das, dass es keine Regeln gibt? Es kommt doch nicht der
heilige Geist daher und setzt Regeln ausser Kraft.

Nein. Das besorgen schon diejenigen, die mit einer Regel nicht
einverstanden sind. Schon vergessen?

Sondern Regeln - so
habe ich dich übrigens hier in der Liste verstanden - sind auch als
solche explizit notwendig, weil sie den Rahmen für den sozialen Prozess
bilden.

Ja genau. Deswegen bin ich ja auch dafür - und sogar für in Grenzen
sakrosankte um das mal weiter zuzuspitzen. Ich bin nicht der Meinung,
daß jedeR jederzeit alle Regeln in Frage stellen sollen könnte mit der
Möglichkeit der Zerstörung des Projekts.

Wenn sie für die Koop funktional sind, sind sie auch stabil - siehe FS,
siehe Oekonux.

Das ist die makroskopische Sicht. Nichts, aber auch gar nichts
gewährleistet, daß das auch die Sicht aller Beteiligten ist. Und jedeR
einzelne Beteiligte hat jederzeit die Möglichkeit, diese
funktionierenden Regeln in Frage zu stellen - was an sich erstmal gut
und richtig ist. Das Problem kommt daher, daß jedeR zugleich die die
von Christoph abgesegnete Möglichkeit bekommt, die Kooperation zu
zerstören - über die Scheidungspreisforderung wie jetzt schon etliche
Male ausgeführt.

Ausser Kraft setzen, also ersetzen durch andere, ist
trotzdem jederzeit möglich. Warum nicht, wenn andere Regeln besser sind?

Nein, nicht jederzeit. Wichtige Regeländerungen erfordern einen
sozialen Prozeß wenn die Kooperation nicht allein durch die
Regeländerung zerstört werden soll.

Aber das merken wir uns nochmal ganz kurz. Schön, daß die Widersprüche
jetzt so eng zusammenliegen - schont das Gedächtnis ;-) .

Bestimmen oder beeinflussen tun das doch alle - und sei es indirekt über
die immer mögliche Aufkündigung der Koop (rausgehen).

So ein Quatsch. Wer eine Kooperation verläßt übt überhaupt keinen
Einfluß mehr aus.

Und hier packen wir das gemerkte wieder aus. Nein, es gibt keine
geltenden Regeln, da diese dann sakrosankt wären und solche darf es ja
nicht geben. Also gibt es auch kein "vorher".

Sakrosankt heisst doch nur, dass es keine Regeln gibt, die nicht
hinterfragt werden können.

Und wir packen wieder aus: Oben sagst du noch - übrigens in
Übereinstimmung mit Christoph -, daß sie jederzeit geändert werden
können. Es ist ein Unterschied zwischen hinterfragen - was ggf.
folgenlos bleiben kann - und ändern.

Natürlich gibt es immer Regeln vorher. Nur
sind sie eben in-Frage-stellbar. Nochmal: Es heisst nicht, dass sie
holterdipolter abgeschafft werden können - wer sollte das tun?

Na die, denen sie nicht mehr passen. So langsam kapiere ich's nicht
mehr...

Gerade in
stabilen FK, in denen die Regeln funktional sind,

Mal BTW: Eine stabile Kooperation braucht keine Regeln der Freien
Kooperation - die haben schon ihre eigenen gefunden.

kann das sehr schwer
sein, kann also ein umgekehrtes Problem für Einzelne entstehen: Die
meisten finden es echt gut so, ich aber nicht.

Das ist so nach deinem und meinem Verständnis - aber nicht nach der
Freien Kooperation. In der Freien Kooperation ist es kein Problem für
die Einzelne, ihre Mitarbeit einzuschränken bzw. das anzudrohen und
einen Scheidungspreis zu fordern.

BTW reproduzieren sich hier auch wieder die Ungleichheiten. Nehmen wir
mal wieder die Liste. Jemensch, der nur mitliest, kommt auf die Idee,
drohen zu müssen. Na, die Drohung seine Mitarbeit einzuschränken ist
da ziemlich lächerlich. Das Ganze funktioniert nur, wenn alle absolut
gleich und alle absolut voneinander abhängig sind - sonst gibt's gar
kein Drohpotential. Aber das hatte ich schon mal ausgeführt.

Das sehe ich genau umgekehrt: Nur die Kooperation, die ich ohne
Beschädigung verlassen kann, will ich erhalten.

Wer nur Interaktionen erhält, aus denen er ohne Beschädigung abhauen
kann, kann sich z.B. nicht auf eine Liebesbeziehung einlassen. Diese
Versicherungsmentalität ist m.E. die Garantie für ein totlangweiliges,
spießiges und atomisiertes Leben mit festem Blick auf den eigenen
Bauchnabel.

Also ich brauche die Beschädigungsdrohung echt nicht, um ein spannendes
Leben und intensive Beziehungen zu haben.

Es ist eben keine *Drohung*. Das Leben droht nicht. Das Leben hat
Risiken. Und wenn du alle Risiken meiden würdest, dann wärest du BTW
auch nicht hier - was du aber glücklicherweise bist :-) .


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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