Re: [ox] Zur Kritik der Freien Kooperation
- From: RAUNHAAR aol.com
- Date: Fri, 12 Oct 2001 15:38:16 EDT
Am 08.10.01 schrieb Stefan Merten:
"*Das* kapiere ich auch nicht. Bin ich der einzige, der Christophs
Regularien zu Ende denkt?"
Trete hiermit Stefan in Fragen der "Macht" als Streitgenossin bei. Als ich
Spehr zum ersten Mal gelesen habe, fand ich manches anfangs ganz "nett", aber
je weiter ich vorwärts kam, desto mehr habe ich eine "Riesenwut" gekriegt.
NB: Habe vergeblich nach einem Glossar für all die wunderbaren abbreviations
gesucht; - mE ist es ganz schön abmachend, wenn man beim Lesen erst mal auf
den Fingern rumkaut, bis dann die Erleuchtung kommt, was gemeint sein könnte
- in my humble opinion and just by the way.
"S. 23:
- alle Beteiligten frei sind, die Kooperation zu verlassen, ihre
Kooperationsleistung einzuschränken oder unter Bedingungen zu
stellen, und dadurch Einfluss auf die Regeln der Kooperation zu
^^^^^^^^^^^
nehmen;
Hier ist die Erpressung formuliert. Die Einschränkung der Kooperation,
das Verlassen der Kooperation ist keine Entscheidung aus
Selbstentfaltung, sondern ein Instrument - genauer: ein
Machtinstrument. Das kritisiere ich fundamental. Einerseits wegen der
Perpetuierung von Macht und andererseits wegen der
Instrumentalisierung eigenen Verhaltens für einen dritten Zweck."
Ich denke, hier legt Stefan (Merten) den Finger auf den wunden Punkt. Der
spehrsche "dritte Weg" führt eben
auch nur zum altbekannten "Dritten Selbst", seien es nun die Ahnen, die
Götter, der Eine Gott oder die säkulare kybernetische Gottmaschine (WVG) mit
der wir es heute zu tun haben. Im spehrschen Ansatz wird mE Macht
ontologisiert und von diesem Ansatz ausgehend dann versucht, dieser den Zahn
zu ziehen. Macht, was Durchsetzbarkeit derselben einschließt - sonst wäre sie
keine - ist aber mE gesellschaftlich konstituiert. Sie bedarf im Unterschied
zu kruder Gewalttätigkeit im Sinne von "weil ich groß und stark bin, hau ich
Dir was in die Fresse, wenn Du das jetzt nicht machst" der Rückkopplung auf
etwas Sakrosanktes, dem alle Mitglieder der entsprechenden Kooperation
gleichermaßen unterworfen sind. Macht ist das von Qualitäten, Bedürfnissen
und Fähigkeiten der Individuen im Konkreten absehende Raster nach welchem die
Handlungsmöglichkeiten der Individuen einer Vergesellschaftung sowohl
abstrakt bestimmt als auch limitiert sind. Die Ausformung kann
unterschiedlich sein, aber alle Macht"gesellschaften" teilen, daß der Verkehr
der Individuen untereinander nur mittelbar über den gesetzte "Dritte"
abläuft. Hieran ändert sich auch nichts, wenn das Dritte in der Weise
gestaltet wird, daß die Gesellschaftsmitglieder hierüber abstimmen dürfen.
Sie verändern nur abstrakte Inhalte und betreiben wie Stefan (Merten) mE
richtig anmerkt "die Perpetuierung der Macht" indem sie nämlich über das
"Gesetz(te)" nicht hinauskommen (es aufheben) und sich bewußt
vergesellschaften. Da eine solche Macht sich nicht selbst "durchführt", wird
das von den Individuen erledigt, die sich dann nicht als Menschen, sondern
als Funktionierende und/oder Funktionsträger gegenüber treten. Die
gesellschaftlichen Beziehungen sind dann "Instrumentalisierungen eigenen
Verhaltens für einen dritten Zweck" (Stefan Merten). Die Ursache für die
"alte Scheiße" in neuen Kleidern liegt mE darin, daß bei Spehr das der
individuellen Kooperation beitretende Individuum gegenüber dem Produkt dieser
Kooperation schon als Dritte/r gesetzt ist, bzw. immanent unterstellt ist,
daß es einen ausschließlichen Zuordnungszusammenhang zwischen Produkt und der
Kooperation gibt. Nur in diesem Fall kann ja die Frage eines
"Scheidungspreises" für den späteren Fall überhaupt relevant sein, welcher
dann sicherstellt, daß das ausscheidende Individuum nicht materiell
notleidend wird und auch eine Mitgift hat, mit welcher es sich in einer
anderen Kooperation "einkaufen" kann. Diese Konzeption läuft mE auf
Braut(selbstver)kauf mit im liberalen Sinne "freien" Bräuten hinaus.
"S. 23:
- alle Beteiligten insofern gleich sind, als sie dies zu einem
vergleichbaren und vertretbaren Preis tun können; d.h. dass der
Preis dafür, die Kooperation zu verlassen bzw. die eigenen
Kooperationsleistungen einzuschränken oder unter Bedingungen zu
stellen, für alle Beteiligten ähnlich hoch (oder niedrig), aber auf
jeden Fall zumutbar sein muss."
Ja, ja Christoph tut so, als ob der Preis vom Himmel fiele - und das
scheinen alle auch zu glauben. In mehreren Beispielen habe ich
verdeutlicht, daß das nicht so sein kann(!) und daß die Freie
Kooperation zudem die Möglichkeit der vorherigen Vereinbarung verbaut."
In der spehrschen Konzeption fallen die Preise tatsächlich vom säkularen
Himmel, müssen sogar, da eingebrachtes "Kapital" und "Abfindungsanspruch des
ausscheidenden Gesellschafters" ja nach für alle Beteiligten gleichen - wenn
auch ihrem abstrakten Inhalt nach verhandelbaren - Regeln feststellbar sein
müssen, - Bürgerliches Personengesellschaftenrecht in Reinkultur. Bei der
GPL ist dies z.B. ganz anders. Das Gesamtprodukt, wie auch der Beitrag der
jeweiligen unmittelbaren Kooperation, ist von vorn herein gegenüber jedem
(auch zukünftigem) Individuum als verfügbar vorhanden.
Zurechnungszusammenhänge nach Anteilen (weder wertmäßig noch in konkreten
Bruchteilen oder qua "schönerer Nase") gibt es genau nicht. Jede/r kann
nehmen, selbst wenn er/sie an der Weiterentwicklung nicht mitwirkt. Einzelne
Kooperationen nun, die ein bestimmtes, von ihnen selbst gesetztes, Ziel bei
der Weiterentwicklung des Produkts verfolgen, haben bzgl. des Gesamtprodukts
keinen Klärungsbedarf über die Frage "Was steht uns/mir zu", sondern
vereinbaren ihre Umgehensweise untereinander, das "wie" im Verhältnis zu den
Einzelnen und dem gemeinsamen Ziel, mit dem Risiko, daß es ggf. auch mit
Nachvereinbarungen nicht funktioniert. Das Gehenkönnen als Selbstentfaltung
ist dann "interpersönlich", hat aber mit dem Gesamtprodukt nichts zu tun.
Auch wenn die GPL aus Gründen des Rechts im Kapitalverhältnis mit Lizenz und
einzelnen Vertragsbeziehungen "arbeitet", stellt sie mE im Kern etwas dar,
was als "gesamthändisches Eigentum" bezeichnet wird. Das
gesamtgesellschaftliche Produkt ist hier jeder/m Einzelnen/m und gleichzeitig
allen gemeinsam untrennbar untergeordnet. Die qualitativ verschiedenen
Fähigkeiten und Bedürfnisse der Individuen und ihre Kooperationen bestimmen
dann das Werden des gesamten Produkts. Da es sich bei Software um Wissen
handelt, ist die Übertragung dieses Prinzips auf materielle Produktion nicht
unmittelbar möglich. Aber damit wollten wir uns ja in dieser Liste -
eigentlich - beschäftigten.
Mit durchaus lakonischen Grüßen, Petra
P.S. Grabinschrift zu "Ehren" der 300 Spartaner, die 480 v. Chr. bei
Thermopylae gefallen sind:
O ksein angellein lakedaimoniois hoti tede/keimetha tois keinon remasi
peithomenoi.
(Fremder, melde den Bürgern Lakedaimons (A.Ü.: Sparta), daß hier wir liegen,
den heiligen Gesetzen gehorchend.)
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