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Re: [ox] Zur Kritik der Freien Kooperation



Am 08.10.01 schrieb Stefan Merten:

"*Das* kapiere ich auch nicht. Bin ich der einzige, der Christophs
 Regularien zu Ende denkt?"

Trete hiermit Stefan in Fragen der "Macht" als Streitgenossin bei. Als ich 
Spehr zum ersten Mal gelesen habe, fand ich manches anfangs ganz "nett", aber 
je weiter ich vorwärts kam, desto mehr habe ich eine "Riesenwut" gekriegt. 
NB: Habe vergeblich nach einem Glossar für all die wunderbaren abbreviations 
gesucht; - mE ist es ganz schön abmachend, wenn man beim Lesen erst mal auf 
den Fingern rumkaut, bis dann die Erleuchtung kommt, was gemeint sein könnte  
- in my humble opinion and just by the way.

"S. 23:
- alle Beteiligten frei sind, die Kooperation zu verlassen, ihre
  Kooperationsleistung einzuschränken oder unter Bedingungen zu
  stellen, und dadurch Einfluss auf die Regeln der Kooperation zu
              ^^^^^^^^^^^
  nehmen;
 
 Hier ist die Erpressung formuliert. Die Einschränkung der Kooperation,
 das Verlassen der Kooperation ist keine Entscheidung aus
 Selbstentfaltung, sondern ein Instrument - genauer: ein
 Machtinstrument. Das kritisiere ich fundamental. Einerseits wegen der
 Perpetuierung von Macht und andererseits wegen der
 Instrumentalisierung eigenen Verhaltens für einen dritten Zweck."

Ich denke, hier legt Stefan (Merten) den Finger auf den wunden Punkt. Der 
spehrsche "dritte Weg" führt eben 
auch nur zum altbekannten "Dritten Selbst", seien es nun die Ahnen, die 
Götter, der Eine Gott oder die säkulare kybernetische Gottmaschine (WVG) mit 
der wir es heute zu tun haben. Im spehrschen Ansatz wird mE Macht 
ontologisiert und von diesem Ansatz ausgehend dann versucht, dieser den Zahn 
zu ziehen. Macht, was Durchsetzbarkeit derselben einschließt - sonst wäre sie 
keine -  ist aber mE gesellschaftlich konstituiert. Sie bedarf im Unterschied 
zu kruder Gewalttätigkeit im Sinne von "weil ich groß und stark bin, hau ich 
Dir was in die Fresse, wenn Du das jetzt nicht machst" der Rückkopplung auf 
etwas Sakrosanktes, dem alle Mitglieder der entsprechenden Kooperation 
gleichermaßen unterworfen sind. Macht ist das von Qualitäten, Bedürfnissen 
und Fähigkeiten der Individuen im Konkreten absehende Raster nach welchem die 
Handlungsmöglichkeiten der Individuen einer Vergesellschaftung sowohl 
abstrakt bestimmt als auch limitiert sind. Die Ausformung kann 
unterschiedlich sein, aber alle Macht"gesellschaften" teilen, daß der Verkehr 
der Individuen untereinander nur mittelbar über den gesetzte "Dritte" 
abläuft. Hieran ändert sich auch nichts, wenn das Dritte in der Weise 
gestaltet wird, daß die Gesellschaftsmitglieder hierüber abstimmen dürfen. 
Sie verändern nur abstrakte Inhalte und betreiben wie Stefan (Merten) mE 
richtig anmerkt "die Perpetuierung der Macht" indem sie nämlich über das 
"Gesetz(te)" nicht hinauskommen (es aufheben) und sich bewußt 
vergesellschaften. Da eine solche Macht sich nicht selbst "durchführt", wird 
das von den Individuen erledigt, die sich dann nicht als Menschen, sondern 
als Funktionierende und/oder Funktionsträger gegenüber treten. Die 
gesellschaftlichen Beziehungen sind dann "Instrumentalisierungen eigenen 
Verhaltens für einen dritten Zweck" (Stefan Merten). Die Ursache für die 
"alte Scheiße" in neuen Kleidern liegt mE darin, daß bei Spehr das der 
individuellen Kooperation beitretende Individuum gegenüber dem Produkt dieser 
Kooperation schon als Dritte/r gesetzt ist, bzw. immanent unterstellt ist, 
daß es einen ausschließlichen Zuordnungszusammenhang zwischen Produkt und der 
Kooperation gibt. Nur in diesem Fall kann ja die Frage eines 
"Scheidungspreises" für den späteren Fall überhaupt relevant sein, welcher 
dann sicherstellt, daß das ausscheidende Individuum nicht materiell 
notleidend wird und auch eine Mitgift hat, mit welcher es sich in einer 
anderen Kooperation "einkaufen" kann. Diese Konzeption läuft mE auf 
Braut(selbstver)kauf mit im liberalen Sinne "freien" Bräuten hinaus. 

"S. 23:
- alle Beteiligten insofern gleich sind, als sie dies zu einem
  vergleichbaren und vertretbaren Preis tun können; d.h. dass der
  Preis dafür, die Kooperation zu verlassen bzw. die eigenen
  Kooperationsleistungen einzuschränken oder unter Bedingungen zu
  stellen, für alle Beteiligten ähnlich hoch (oder niedrig), aber auf
  jeden Fall zumutbar sein muss."

Ja, ja Christoph tut so, als ob der Preis vom Himmel fiele - und das
 scheinen alle auch zu glauben. In mehreren Beispielen habe ich
 verdeutlicht, daß das nicht so sein kann(!) und daß die Freie
 Kooperation zudem die Möglichkeit der vorherigen Vereinbarung verbaut."

In der spehrschen Konzeption fallen die Preise tatsächlich vom säkularen 
Himmel, müssen sogar, da eingebrachtes "Kapital" und "Abfindungsanspruch des 
ausscheidenden Gesellschafters" ja nach für alle Beteiligten gleichen - wenn 
auch ihrem abstrakten Inhalt nach verhandelbaren - Regeln feststellbar sein 
müssen, -  Bürgerliches Personengesellschaftenrecht in Reinkultur. Bei der 
GPL ist dies z.B. ganz anders. Das Gesamtprodukt, wie auch der Beitrag der 
jeweiligen unmittelbaren Kooperation, ist von vorn herein gegenüber jedem 
(auch zukünftigem) Individuum als verfügbar vorhanden. 
Zurechnungszusammenhänge nach Anteilen (weder wertmäßig noch in konkreten 
Bruchteilen oder qua "schönerer Nase") gibt es genau nicht. Jede/r kann 
nehmen, selbst wenn er/sie an der Weiterentwicklung nicht mitwirkt. Einzelne 
Kooperationen nun, die ein bestimmtes, von ihnen selbst gesetztes, Ziel bei 
der Weiterentwicklung des Produkts verfolgen, haben bzgl. des Gesamtprodukts 
keinen Klärungsbedarf über die Frage "Was steht uns/mir zu", sondern 
vereinbaren ihre Umgehensweise untereinander, das "wie" im Verhältnis zu den 
Einzelnen und dem gemeinsamen Ziel, mit dem Risiko, daß es ggf. auch mit 
Nachvereinbarungen nicht funktioniert. Das Gehenkönnen als Selbstentfaltung 
ist dann "interpersönlich", hat aber mit dem Gesamtprodukt nichts zu tun. 
Auch wenn die GPL aus Gründen des Rechts im Kapitalverhältnis mit Lizenz und 
einzelnen Vertragsbeziehungen "arbeitet", stellt sie mE im Kern etwas dar, 
was als "gesamthändisches Eigentum" bezeichnet wird. Das 
gesamtgesellschaftliche Produkt ist hier jeder/m Einzelnen/m und gleichzeitig 
allen gemeinsam untrennbar untergeordnet. Die qualitativ verschiedenen 
Fähigkeiten und Bedürfnisse der Individuen und ihre Kooperationen bestimmen 
dann das Werden des gesamten Produkts. Da es sich bei Software um Wissen 
handelt, ist die Übertragung dieses Prinzips auf materielle Produktion nicht 
unmittelbar möglich. Aber damit wollten wir uns ja in dieser Liste - 
eigentlich - beschäftigten.
Mit durchaus lakonischen Grüßen, Petra

P.S. Grabinschrift zu "Ehren" der 300 Spartaner, die 480 v. Chr. bei 
Thermopylae gefallen sind:
O ksein angellein lakedaimoniois hoti tede/keimetha tois keinon remasi 
peithomenoi.
(Fremder, melde den Bürgern Lakedaimons (A.Ü.: Sparta), daß hier wir liegen, 
den heiligen Gesetzen gehorchend.)
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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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