Re: [ox] Tausch
- From: Hans-Gert Graebe <graebe informatik.uni-leipzig.de>
- Date: Mon, 7 May 2001 18:17:46 +0200 (MET DST)
Ein Einwurf zu Euerm "Tausch"-Handel (mail von FN vom Tue, 24 Apr
2001, unendlich lange 15 Tage her!):
Sabine hat schon was geschrieben dazu. Vielleicht muß ichs wirklich
genauer sagen, ich meine auch daß wir hier eine wirklich wichtige
Entdeckung gemacht haben, auch im Zusammenhang mit Bennis
Dialektik von Kooperation und Nicht-Kooperation. Also: ich stelle meine
Kooperation unter Vorbehalt: Wenn ich das und das nicht kriege, dann
kooperiere ich nicht. Das Bestehen auf dem Tausch ist daher das
beständige Ins-Spiel-Bringen der Nichtkooperation, Tausch geht nur
mit dem prinzipiellen Vorbehalt "dann wars halt nichts".
... Es wird von vorneherein darauf verzichtet, einen
rationellen Arbeitsteilungsvertrag anzustreben, stattdessen tritt
der Tauschgegenstand (die Ware) als Anspruch auf eine Proportion
der gesellschaftlich verausgabten Arbeit auf. Meine Arbeit soll
mit anderer Arbeit identisch sein, sie sozusagen repräsentieren.
Marx schreibt daß hier eigentlich ein kriegerischer Urzustand
unterstellt ist, wo eben nicht kooperiert wird, auf der anderen
Seite "reicht die Kraft nicht hin", einander direkt zu berauben.
Also wird der Tausch zum Ersatz für den Kampf. Die Arbeit wird
sublimierte Aneignungstätigkeit, Kampf um den Wert.
Hier kommt wieder der Punkt durch, der am Spehrschen Konzept der
freien Kooperation noch etwas unterbelichtet ist - ihre
gesellschaftskonstituierende Wirkung. Mannigfacher "Tausch"
konstituiert eben Bedingungen, unter denen Tausch "gewöhnlich"
abläuft. Vielleicht muss man die Spirale noch etwas intensiver
verfolgen:
Tausch -> Bedingungen gemeinsamen Handelns (incl. Tausch) ->
Bedingungen, unter denen das Entstehen von Bedingungen gemeinsamen
Handelns steht (-> geht noch weiter, wenn jemand Lust hat)
Das Paradox - und hier kann ich auch der Krisis einen Vorwurf
nicht ersparen - ist, daß die Arbeit diesen kooperativen Doppel-
charakter hat. Also das ganze geht nur auf der Grundlage daß sich
"hinter dem Rücken der Subjekte" eine allgemeine Subjektivität
herausbildet. Durch Tausch wird diese allgemeine Subjektivität
zugleich anerkannt und negiert.
Das ist mir nun aber nicht klar. Dass sich bisher die "Bedingungen der
Bedingungen" hinter dem Rücken der Subjekte durchgesetzt haben, muss
ja nicht für alle Ewigkeit so bleiben. Spehrs neuen Gedanken habe ich
eigentlich so verstanden:
Tausch -> _Verhandeln_ der Bedingungen gemeinsamen Handelns ->
_Verhandeln_ der Bedingungen, unter denen Bedingungen gemeinsamen
Handelns ausgehandelt werden
Allerdings nehme ich an, dass _Verhandeln_ der Bedingungen der
Bedingungen noch immer begleitet sein wird von den Bedingungen der
Bedingungen der Bedingungen, die sich hinter dem Rücken der Subjekte
durchsetzen.
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Mit freundlichen Gruessen, Hans-Gert Graebe
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