Re: [ox] Tausch
- From: Stefan Merten <smerten oekonux.de>
- Date: Tue, 15 May 2001 23:54:01 +0200
Hi Hans-Gert und alle!
Hmm, mal sehen...
Last week (8 days ago) Hans-Gert Graebe wrote:
Ein Einwurf zu Euerm "Tausch"-Handel (mail von FN vom Tue, 24 Apr
2001, unendlich lange 15 Tage her!):
Sabine hat schon was geschrieben dazu. Vielleicht muß ichs wirklich
genauer sagen, ich meine auch daß wir hier eine wirklich wichtige
Entdeckung gemacht haben, auch im Zusammenhang mit Bennis
Dialektik von Kooperation und Nicht-Kooperation. Also: ich stelle meine
Kooperation unter Vorbehalt: Wenn ich das und das nicht kriege, dann
kooperiere ich nicht. Das Bestehen auf dem Tausch ist daher das
beständige Ins-Spiel-Bringen der Nichtkooperation, Tausch geht nur
mit dem prinzipiellen Vorbehalt "dann wars halt nichts".
Ja - und zwar als Machtmittel. Nicht-Kooperation ist davon nur die
negative Variante - quasi die Macht der Machtlosen. Irgendwie kommt
mir dabei der Streik als institutionalisierte, arbeiterInnenbewegte,
kollektive Nicht-Kooperation in den Kopf. Ist das so?
Was mir aber wichtig ist: Dieser Einsatz der Nicht-Kooperation als
Machtmittel verschiebt das gesamte Koordinatensystem. Es stehen sich
nicht mehr Menschen gegenüber, die ihr Verhalten nur von ihrer inneren
Befindlichkeit abhängig machen, sondern die ihr Handeln unter
taktischen Vorbehalt stellen. Damit sind sie aber keinen Deut weniger
entfremdet als Menschen, die für Geld arbeiten.
Ich möchte aber mit Menschen umgehen, die das tun, was ihnen wichtig
ist - die frei sind. Ich würde gerne mit Menschen umgehen, die mir
offen begegnen und sich und mir Taktiererei ersparen. Die kooperieren
weil es für sie gut ist und die es lassen weil es für sie gut ist.
Eigentlich ist das auch einfach zu erreichen, denn der Tausch
funktioniert grundsätzlich nur, wenn sich beide Seiten darauf
einlassen. Wenn ich sage "Ob du kooperierst oder nicht ändert nichts
an meinem Verhalten - mit deiner Drohung kannst du mich nicht
(strukturell) zwingen" nehme ich jedem Tauschvorschlag den Wind aus
den Segeln. Ich bestehe auf meiner konkreten Individualität und
erwarte die auch von anderen.
Ja, ich glaube so langsam kriege ich klar, was mich am Christoph
Spehrs Nicht-Kooperation so stört. Oder verrenne ich mich hier?
... Es wird von vorneherein darauf verzichtet, einen
rationellen Arbeitsteilungsvertrag anzustreben, stattdessen tritt
der Tauschgegenstand (die Ware) als Anspruch auf eine Proportion
der gesellschaftlich verausgabten Arbeit auf. Meine Arbeit soll
mit anderer Arbeit identisch sein, sie sozusagen repräsentieren.
Marx schreibt daß hier eigentlich ein kriegerischer Urzustand
unterstellt ist, wo eben nicht kooperiert wird, auf der anderen
Seite "reicht die Kraft nicht hin", einander direkt zu berauben.
Also wird der Tausch zum Ersatz für den Kampf. Die Arbeit wird
sublimierte Aneignungstätigkeit, Kampf um den Wert.
Hier kommt wieder der Punkt durch, der am Spehrschen Konzept der
freien Kooperation noch etwas unterbelichtet ist - ihre
gesellschaftskonstituierende Wirkung. Mannigfacher "Tausch"
konstituiert eben Bedingungen, unter denen Tausch "gewöhnlich"
abläuft.
Und dieses gewöhnlich ablaufen wird dann allgemeinverbindlich und z.B.
in Gesetzen institutionalisiert - oder?
Spehrs neuen Gedanken habe ich
eigentlich so verstanden:
Tausch -> _Verhandeln_ der Bedingungen gemeinsamen Handelns ->
_Verhandeln_ der Bedingungen, unter denen Bedingungen gemeinsamen
Handelns ausgehandelt werden
Wenn ich es jetzt in bürgerlichen Kategorien sehe, dann haben wir im
ersten Schritt den Vertrag und im zweiten Schritt gehen wir auf die
politische Ebene, die die Rahmenbedingungen setzt.
Allerdings nehme ich an, dass _Verhandeln_ der Bedingungen der
Bedingungen noch immer begleitet sein wird von den Bedingungen der
Bedingungen der Bedingungen, die sich hinter dem Rücken der Subjekte
durchsetzen.
Das kommt in meiner Sichtweise dann irgendwie eher auf der anderen
Seite oder orthogonal dazu vor.
Mit Freien Grüßen
Stefan
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