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Re: [ox] Re: Arbeit oder was?



On Mon, May 08, 2000 at 10:54:02AM [PHONE NUMBER REMOVED], Henrik Motakef wrote:
Ja, die ist ja auch falsch. So what. Arbeitszeit ist sowas von
absurd als Masskriterium fuer Wert. Dann hat eine per Hand
hergestellte Ware einen tausendfach hoeheren Wert als eine
maschinell hergestellte selbst wenn letztere qualitativ besser ist.

Arbeit als Masskriterium für Wert mag ja absurd sein, aber: Marx meint ja
nicht, dass die Arbeit Mass des Werts sein sollte (was z.B. bei Engels
manchmal durchscheint), 

nun, das hab ich bisher anders verstanden - heisst aber nicht viel. 

sondern hat (nachgewiesen/behauptet), dass die
Arbeit, nämlich als abstrakte gesellschaftliche Durchschnittsarbeit, der
(unausgesprochene und ungedachte) Inhalt des Werts der Waren sein muss -
von allem anderen, sowohl von den konkreten Eigenschaften des Dings, dass
im Kapitalismus Ware wird als auch von der konkreten Arbeit, z.B. dem
Programmieren oder dem Auto-zusammenschrauben, muss ja abstrahiert werden,

Toll. Es wird von allem abstrahiert nur von "abstrakter Arbeit"
nicht. Schoen. Ich koennte auch von allem abstrahieren ausser von
"abstrakter Hurgelpfuetze". Das hat ungefaehr aehnlich viel
Aussagekraft. 

Der Witz ist doch, dass der Arbeitsbegriff sehr wohl bei Marx als
normative Begruendung seiner Theorie verwendet wird. 

damit man die Dinger überhaupt in ein quantitatives Verhältnis setzen kann.
Äpfel und Birnen vergleichen geht nicht, es sei denn, man konstruiert eine
quantifizierbare Obstigkeit herbei - und das genau tun die
kapitalistrischen Warenbesitzer. Das mag bekloppt sein und obendrein nicht
funktionieren - aber thats the way it is.

Was verglichen wird, ist der Marktwert. Der ist eine reine
Phantasiegroesse, die von tausenden von Faktoren abhaengt. Einer
davon ist die Arbeit, dieser wird weniger wichtig.

Oekonomie verstehen zu koennen zu glauben und am besten noch in
Formeln zu passen ist an sich schon ein Irrglaube und dem ist Marx
auch aufgesessen, auch wenn er seine Formeln etwas "weicher"
formuliert hat. Die Wirtschaftswissenschaften sind der verunglueckte
Versuch Sozialwissenschaft zu mathematisieren und positivieren.

Da muss man trennen zwischen dem "anthropologischen Arbeitsbegriff" und dem
gerade gemeinten "gesellschaftssprezifischen", der die Form der Arbeit im
Kapitalismus beschreibt.

Wenn man diese Trennung macht hat man aber nix gewonnen, ausser
einer normativen pseudo-Begruendung die in letzter Instanz auf dem
buergerlichen "Arbeit ist gut"-Gedanken beruht.

Der "Anthropologische" meint im wesentlichen ja die planvolle
Auseinandersetzung mit der Natur zum Lebenserhalt. Das ist aber nicht
biologistisch, da der Punkt nicht ist, das menschliche Wesen zu definieren,
was ein absurdes Unterfangen ist, sondern das Phänomen "Gesellschaft" zu
erklären. 

Dann ist es halt anthropologistisch. Um Worte streite ich mich
nicht.

Das ist, aus marxscher Sicht, die Art, wie diese Arbeit (oder,
wenns nach der Krisis geht, "Tätigkeit", wobei ich mich frage, warum
"Arbeit" eine böse Abstraktion von den konkreten Inhalten sein soll und
"Tätigkeit" nicht...

Weil "Taetigkeit" kein historisch so belasteter Begriff ist, der
tausendfach missbraucht wurde von so ziemlich allen
gesellschaftlichen Kraeften, sondern ein ganz grundlegender Begriff,
der eben nichts beschreibt, ausser das man etwas tut.

) kollektiv organisiert wird, also wie Arbeitsteilung
und die Distribution der Produkte gemanagt wird. Das die Befreiung _von_
der Arbeit das Ziel ist, wird davon ja nicht angefochten. Auch eine
Gesellschaftsform, in der Arbeit/Tätigkeit/irgendwas (so gut wie) nicht
mehr stattfindet, ist eine Art, die kollektive Reproduktion, vulgo
Überleben, zu gewährleisten.

Wieso sollte ich etwas - sei es ein Wort, eine Abstraktion oder auch
etwas reales - zum Ausgangspunkt meiner Theorie machen, wenn ich es
abschaffen will?

Das ist soweit alles im Grossen und Ganzen korrekt. Nur sind wir
halt heute schon 2 bis 3 Stufen weiter als zu Marxens Zeiten in der
gesellschaftlichen Entwicklung. Und Teil dieser Entwicklung ist
eben, dass die Arbeit abgeschafft wird. Leider der Kapitalismus
nicht mit. Also muss offensichtlich was falsch sein mit der
Kapitalismustheorie, wenn die von Arbeit ausging als entscheidendes
Merkmal. 

Dummerweise wird die Arbeit als "Mass des Werts" und somit der
gesellschaftlichen "Gültigkeit" nicht abgeschafft, im Gegenteil. 
Die Arbeit
als real-existierende Maloche sehe ich übrigens auch nicht gerade
verschwinden. 

Natuerlich nicht. Aber es ist entweder schlicht ueberleben, oder
eine nette Freizeitbeschaeftigung unter anderen. Das macht aber
keinen Sinn mehr die Gesellschaft nach etwas zu analysieren, was so
unterschiedliche Formen annimmt. Abstraktionen sind doch nur
Begriffsklumpen, deren Inhalt sich eben historisch aendern muss und
das Zeitalter der Arbeit, als Zeitalter des Antagonismus
Kapital/Arbeit, ist vorbei, weil der Begriff "Arbeit" keine
sinnvolle Entsprechung mehr in der Realiatet hat.

Das keine Vollbeschäftigung mehr herrscht, spricht m.E. nicht
für ein sofortige s Ende den Systems, diese war ja eher eine historische
Ausnahme. 
Das gelegentlich Leut verhungern geht ja den Kapitalismus nichts
an, der kümmert sich nicht um die allgemeine Wohlfahrt, sondern die
Kapitalien müssen Akkumulieren - dafür ist Arbeit nötig, aber im Endeffekt
nicht wirklich viel. Ob 80% der Bevölkerung als überflüssig definiert wird
und nach Hause gehen kann oder nicht hat für den prozessierenden Wert keine
Bedeutung - ausser dadurch, dass sich evtl. diese 80% nach einer anderen
Art der Überlebenssicherung umsehen werden.

Ja, korrekt. Nur ist doch der Witz, dass es eben heute hunderte von
systemintegrierenden Faktoren gibt und nicht nur den einen:
"Arbeit". Der Witz ist in meinen Augen, dass der Kapitalismus
erwachsen geworden ist und deshalb seinen ideologisch/religioesen
Geburtshelfer Namens "Arbeit" nicht mehr benoetigt. Inzwischen
huldigt man dem Goetzen, weil es eben schon immer so war. So wie man
im Mittelalter an Gott glauben musste, wenn man dazugehoeren wollte,
so muss man heute an den Kapitalismus glauben. Die Religion traegt
sich laengst selbst und benoetigt keine Unterstuetzung mehr. 

Und um mal wieder etwas mehr On Topic zu kommen: Das ist genau der
Witz mit der Kommerzialisierung von Open Source: Das ist
Kapitalismus ohne Arbeit.

Gruesse, Benni
-- 
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