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Re: [ox] Re: Arbeit oder was?





Hallo Benni & alle,


On Thu, 4 May 2000, Benni Baermann wrote:

Ok, Begriffsbestimmung von "Arbeit" also:

Als allererstes denke ich muss man sich einigen, ob man einen
anthropologischen Arbeitsbegriff wie bei Marx/Engels (und auch bei
dem eben geposteten Text von ???) haben will, oder einen
gesellschaftstheoretischen.


Marx und Engels brachten anthropologischen Arbeitsbegriff und 
gesellschaftstheoretischen zusammen. Materialisten im Allgemeinen
betrachteten sowohl psyche Auswirkungen von Arbeit auf die Menschen
als auch Technik und Gesamtgeselschatliche Form von Arbeit
in jeweiliger geschichtlicher Epoche. 
 

Ich persoenlich halte es fuer voellig absurd, "Arbeit" als dem
Menschen als Menschen zugehoerig oder gar definierend anzusehen. Das
ist in meinen Augen der groesste Fehler bei Marx/Engels, der leider
ziemlich fundamental ist. 

Wieso ist das ein Fehler? Wie will man die Menschen sonst
unterscheiden von der Tierwelt?
Wenn man Arbeit nicht als etwas "den Menschen Ausmachendes" erkennt,
dann waere die Arbeitswertherorie von Ricardo/Marx falsch, die besagt,
dass der Wert einer Ware von demjenigen Arbeitquantum bestimmt ist, das
darin steckt. Messbar in Arbitszeit. 
Und damit waeren auch Tauschwert und Gebrauchswert nicht sinnvoll
definiert, also koennte man auch die aus der Dialektik von T.-wert
und G.-wert stammende oekonomische Dynamik nicht mehr verstehen.
   

(disclaimer: Ich kenne Marx nur aus
zweiter bis dritter Hand)


Marxismus/historischer Materialismus von Sekundaerliteratur her zu
kennen ist kein Fehler, sondern stellt alles vereinfacht und mit der
heutigen Sprache besser verstaendlich dar. 
   

Das ist doch gerade das Standardargumentationsmuster der
Rechten/Buergerlichen/was auch immer. Etwas, was einem ideologisch
in den Kram passt, wird als biologisch vorausgesetzt, der Mensch
"ist halt nunmal boese" oder "arbeiten muss man halt" 

Kannst du dir vorstellen, dass die Menscheit irgendwann mal nicht mehr 
arbeitet/produziert und zurueckkehren wird in eine Tierische Lebensweise,
also von der Hand in den Mund lebt nicht mehr planerisch-vorrausschauend 
taetig sein wird?
  
oder auch
"Juden sind halt nunmal von natur aus raffgierig" und "Neger haben
die Musik im Blut". Das liegt alles auf der selben
Argumentationsschiene.

Das irgendwelche Eigenschaften der Menschen biologisch beeinflusst sind,
ist doch klar. Wir sind biologisch dazu genoetigt zu Essen/Trinken und
haben einen Sexualtrieb und Selbsterhaltunstrieb u.s.w. 
Der Fehler von Rassisten und Biologisten ist, dass sie den Menschen auf
diese Eigenschaften reduzieren wollen und den Einfluss von
Kultur/Erziehung auf den Menschen leugnen.
Man muss eben beides beachten, Biolgie und Kultur. 
   

"Arbeit" ist etwas gesellschaftliches und deshalb auch
gesellschaftlich definiert und gesellschaftlichen Veraenderungen
unterworfen. Wenn heute "Arbeit" noch ein Fetisch ist, kann das
morgen schon ganz anders sein. So wenig ich von den
Untergangsszenarien der Krisis halte, ihre Position zur Arbeit finde
ich korrekt. 

Wie gesagt:
Das "Arbeit" etwas Gesellschaftliches ist und deshalb auch
gesellschaftlich definiert werden muss, und deshalb 
gesellschaftlichen Veraenderungen unterworfen ist, ist ja ein zentraler
Punkt bei Marx gewesen. 
Bei Marx ist Arbeit Auseinadersetzung mit und Veraenderung der Natur.
Mit Arbeit hat der Mensch sich aus dem Tierreich entwickelt.
Damit einher ging erstens ein sich entwickelndes Bewusstsein, und
zweitens wurde im gesellschaftlicher Rahmen gearbeitet.
Man kann sagen: Arbeit=Bewusstsein=Gesellschaft. 

Zitat aus "Loarbeit und Kapital": 
  
"In der Produktion beziehen sich die Menschen nicht allein auf die
 Natur. Sie produzieren nur, indem sie auf eine bestimmte Weise
 zusammenwirken und ihre Taetigkeiten
 gegeneinander austauschen. Um zu produzieren, treten sie in bestimmte
 Beziehungen und Verhaeltnisse zueinander, und nur innerhalb dieser
 gesellschaftlichen Beziehungen und Verhaeltnisse
 findet ihre Beziehung zur Natur, findet Produktion statt.

 Je nach dem Charakter der Produktionsmittel werden natrlich diese
 gesellschaftlichen Verhaeltnisse, worin die Produzenten zueinander
 treten, die Bedingungen, unter welchen sie ihre
 Taetigkeiten austauschen und an dem Gesamtakt der Produktion teilnehmen,
 verschieden sein. Mit der Erfindung eines neuen Kriegsinstruments, des
 Feuergewehrs, aenderte sich notwendig
 die ganze innere Organisation der Armee, verwandelten sich die
 Verhaeltnisse, innerhalb deren Individuen eine Armee bilden und als Armee
 wirken koennen, aenderte sich auch das Verhltnis
 verschiedener Armeen zueinander.

 Die gesellschaftlichen Verhaeltnisse, worin die Individuen produzieren,
 die gesellschaftlichen Produktionsverhaeltnisse ndern sich also,
 verwandeln sich mit der Veraenderung und Entwicklung
 der materiellen Produktionsmittel, der Produktionskraefte. Die
 Produktionsverhltnisse in ihrer Gesamtheit bilden das, was man die
 gesellschaftlichen Veraehltnisse, die Gesellschaft nennt, und
 zwar eine Gesellschaft auf bestimmter, geschichtlicher
 Entwicklungsstufe..."


Gruesse,
Bernd


----------------------
http://www.oekonux.de/



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