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Re: [ox-de] keimform.de: Wie es den Kapitalismus zum Commonismus trei



Hallo Stefan

Am 13.03.2011 23:07, schrieb Stefan Nagy:
Mit dem Begriff "Produktionsweise" kann ich inzwischen nicht mehr viel
anfangen, ...

Kannst du den ersten Schritt bitte kurz erlÃutern, also warum du von
Reproduktions- statt Produktionsschemata sprichst?

Ich gehe davon aus, dass Denken von Machbarkeit nur in einem Kontext mÃglich ist und die (Wieder)herstellung dieses Kontexts, der Bedingungen, unter denen das als machbar Gedachte auch wirklich machbar ist, grÃÃerer Aufmerksamkeit bedarf. HeiÃt anderswo "tertiÃre WertschÃpfung" und wird heute auch in bÃrgerlichen Ãkonomischen Theorien immer wichtiger.

Eine solche Perspektive versteht Ãbrigens ein Unternehmer (die "Unternehmer" in selbstbestimmten Lebensgemeinschaften wie in Jahnishausen http://www.dorfwiki.org/wiki.cgi?HansGertGraebe/LeipzigerGespraeche/2011-03-10 eingeschlossen) viel besser als ein Lohnarbeiter. Ein solchen Denken bringt auch einen ganz anderen Zeitbegriff mit sich, zyklische statt lineare Zeit, Selbstheilung auch von Wirtschaftssystemen usw., suche nach "dem, was bindet", "Learn to think in an new way" usw. http://vdw-ev.de/manifest

Das findest du heute Ãbrigens in vielen Diskursen in der einen oder anderen Form als erstes Ergebnis, auch in der Commonsdebatte beginnt man inzwischen zu begreifen, dass es nicht die GemeingÃter, sondern die reproduktive Potenz von Strukturen der Sicherung dieser GemeingÃter ist, denen man sich zuwenden muss. Also nicht GemeingÃter, sondern die gemeinsame Gestaltung von Lebensbedingungen stehen im Mittelpunkt.

Verstehe ich dich richtig, wenn du meinst dass du das "nur der Plural
mit Sinn fÃllen" kannst, dass Reproduktionsschemata als sich gegenseitig
ergÃnzend, bedingend, ineinander greifend begriffen werden mÃssen?
Selbst wenn man das so sieht, heiÃt das aber doch noch lange nicht, dass
man gar nicht mehr sinnvoll von einzelnen, von einander zu
unterscheidenden Reproduktionsschemata sprechen kannâ oder?

Diese reproduktiven KreislÃufe stehen in dialektischen WidersprÃchen zueinander, so dass man ein "Reproduktionsschema" zunÃchst einmal ohne Wechselwirkung, seine innere Dynamik, verstehen muss, ehe man die ÃuÃeren Dynamiken hinzudenkt. In diesem Sinne Ja und Nein als Antwort auf deine Frage. Die Welt ist sehr komplex, es bedarf Methoden der KomplexitÃtsreduktion, um sie Ãberhaupt denken zu kÃnnen. Und der Ansatz ist fraktal, also das VerstÃndnis fÃr die innere Dynamik durch einen anderen ebensolchen Prozess des Zusammendenkens von Mikro- und Makroevolution entstanden bzw. im Werden ("es gibt keine fertigen Gedanken" - Heinz zum kleinen Philosophen http://hg-graebe.de/EigeneTexte/zeitfug-10.pdf)

Zu den Reproduktions-'Schemata': Verstehe ich es richtig, dass du die
Begrifflichkeit (zu den 'Schemata') Ãnderst, vor allem um vom Marx'schen
Begriff der 'Produktionsweise' wegzukommen? Ansonsten ist mir nicht
klar, warum 'Reproduktionsschema' klarer sein soll als
'Reproduktionsweise'â

Nun, wie weit das von originÃr Marxschen AnsÃtzen entfernt ist, wÃre zu diskutieren, aber den "traditionsmarxistischen Mantras" stehe ich durchaus skeptisch (und mit einer Latte von Argumenten, die leider kaum jemand hÃren will) gegenÃber, wie du in meinen Texten http://hg-graebe.de/EigeneTexte unschwer findest.

Was meinst du mit der 'Domestizierung der Reproduktionsschemata'? Wenn
ich versuche, mir die gesellschaftliche TotalitÃt als Gesamtheit
ineinandergreifender und einander gegenseitig bedingender
Reproduktionsschemata zu denken â dann seh ich eine komplexes Geflecht
vor mir, in dem kurz gesagt durch StÃrung eines bestehenden
Gleichgewichts Neuordnungsprozesse ausgelÃst werden....

Ja, aber wie das Ganze analytisch durchdringen? Und ich meine hier wirklich *analytisch*, also VerstÃndnis des (wie gut auch immer) Funktionierenden, Respekt vor dem Seienden usw. Die Methodik ergibt sich aus der SelbstÃhnlichkeit eines granularen Ansatzes im Sinne von erst einzeln und dann zusammen denken von Mikro- und Makroevolution wie es die Systemtheoretiker um Eigen, Haken, Jantsch usw. seit mehreren Jahrzehnten tun.

Auf Anhieb vermute ich jetzt mal, dass du mit 'Domestizierung' eben
diesen Neuordnungsprozess bezeichnest â auffallend wÃre dann, dass du
einen Begriff wÃhlst, der nach einem Subjekt verlangt. Und da wÃre
(in Bezug auf die Makroebene) interessant, wer da deines Erachtens
herausgefordert ist, wer domestizieren soll.

Da ich an eine gemeinsamen Gestaltung der eigenen Lebensbedingungen denke, kÃnnen es auch nur Subjekte sein (und *mÃssen* es sein, denn es braucht VerantwortungsfÃhigkeit, um ein Mindestmaà an VerlÃsslichkeit zu haben), die konstituiert werden, um die jeweiligen Lebensbedingungen zu gestalten (aka Reproduktionsschemata am Laufen zu halten). Das geschieht heute an vielen Stellen auf vertragsrechtlicher statt ordnungsrechtlicher Basis. Aber auch diese Subjekte mÃssen sich reproduzieren, wie alle gesellschaftlichen Strukturen und wie jeder einzelne Mensch ja auch. Zum sehr speziellen Zusammenhang der Reproduktion der IuK-Bedingungen von Wissenschaft habe ich gerade einen Workshop gemacht, http://www.dorfwiki.org/wiki.cgi?HansGertGraebe/SeminarWissen/2011-03-17 insbesondere die Folien zum Vortrag.

In diesem Sinne gibt es "Fabber" seit Ãber 2.000 Jahren. ...

Da komme ich nicht ganz mit. Ich beschreibe mein wesentlichstes Problem
damit mal ganz banal: Der instrumentelle Charakter, den du bei mir in
Bezug auf 'echte' Fabber herausliest, bezieht sich auf die MÃglichkeit
der unmittelbaren 'Ausgabe' von Mitteln der BedÃrfnisbefriedigung. Der
instrumentelle Charakter von Fabriken fÃr UnternehmerInnen bezieht sich
doch aber auf den erhofften Profit.

Ein traditionsmarxistisches Mantra, das zu hinterfragen ist, siehe etwa meinen Text "Wie geht Fortschritt?" Deine hier aufscheinende Sicht auf "Profit" halte ich fÃr zu einseitig.

FÃr mich scheint es schon einen Unterschied zu machen, *worauf* sich der
instrumentelle Charakter bezieht. Ich verstehe daher die Gleichsetzung
von 'reproduktiver Sichtweise' und UnternehmerInnen-Perspektive nicht
wirklich.

Selbst in deiner Perspektive - der Unternehmer ist ja daran interessiert, auch morgen noch Profit zu machen, sich also um die Reproduktion der Bedingungen zu bemÃhen, unter denen er Profit machen kann. Und selbst wenn er, wie eine Heuschrecke, einen Betrieb voll auf Verschleià fÃhrt, dann hat er doch auch da ein reproduktives KalkÃl im Hinterkopf, in dem Fall wahrscheinlich neue PlÃne mit der so gewonnenen LiquiditÃt. Denn nur Geld scheffeln interessiert eine Heuschrecke nicht, wenn ich es recht verstehe. In beiden FÃllen wird aber eine (wie beschrÃnkte auch immer) gesellschaftliche RationalitÃt und eine (beschrÃnkte - anders kann es gar nicht sein) 'reproduktive Sichtweise' exekutiert. Billiger ist das Ganze nicht zu haben.

Mir ging es in der Metapher nicht darum, 'die Produktion' so weit zu
trivialisieren, dass sie von einem Automaten Ãbernommen werden kann â
ganz im Gegenteil. Es geht mir in dem Bild ja eigentlich nicht um den
Fabber, sondern um alle anderen Produktionsprozesse, die der
'Materialisierung' vorgelagert sind. Anders gesagt: Ich stelle ja nicht
ein PeripheriegerÃt ins Zentrumâ

Nun, ich hatte dich so verstanden, dass du die "ersparte MÃhsal" ins Zentrum stellst, wÃhrend ich dies gern um die Frage "zu welchem Preis" erweitert sehen mÃchte. Ich denke, wir sind da wirklich nicht weit auseinander.

Viele GrÃÃe,
Hans-Gert

--

  Dr. Hans-Gert Graebe, apl. Prof., Inst. Informatik, Univ. Leipzig
  postal address: Postfach 10 09 20, D-04009 Leipzig
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