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Re: [ox-de] Ökonux und Politix



Hallo Ludger,

Ludger.Eversmann t-online.de schrieb:
ich verstehe Deine Position überhaupt nicht, Du sagst Du bist Marxist, siehst Dich aber auch in der Nähe dieses Potsdamer Manifestes, und hast zwischen all dem Sympathien für den unternehmerischen Mittelstand... wenn ich das mal so lapidar hier zusammenfassen darf.

Dann liege ich wohl quer zu all deinen Schubladen. Aber "alle naturwüchsigen Voraussetzungen zum ersten Mal mit Bewußtsein als Geschöpfe der bisherigen Menschen zu behandeln" bedeutet für mich auch, sich den Grundlagen der *eigenen* Theorie kritisch zu nähern und dabei insbesondere traditionsmarxistische Mantras als solche zu benennen. Gerade in der ökonomischen Theorie gibt es davon genug.

Und wenn ein von einer renommierten Institution herausgegebenes und von bekannten Leuten unterzeichnetes Manifest in gewissen Diskurskreisen nicht beachtet oder gebasht wird, dann muss das nicht unbedingt gegen das Manifest sprechen. Auch wenn dir ein Autoritätsbeweis offensichtlich genügt

Die Kritik, die ich hier verlinkt hatte http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/science/potsdam-manifest-kritik.html stammt von Autoren, die marxistischen Gedanken eher nahe als fern stehen, zu den Autoren der Internet-Zeitschrift EXIT gehört auch Robert Kurz, ...

Ich schätze Kurz als Analytiker - insbesondere in seiner sehr stringentn Identifizierung des Realsozialismus als etatistisch-kapitalistisches Entwicklungsmodell -, allerdings hat er für den derzeit laufenden Transformationsprozess jenseits der Vision eines "dunklen Zeitalters" nicht viel zu bieten. Immerhin bezieht sich einer seiner Texte ("Vom Unwert des Unwissens") auf die Gedankengebäude, die auch hier entwickelt wurden - http://www.keimform.de/2007/07/26/krisis-31-erschienen

Ich finde die Argumentation ja ganz schlüssig, allerdings kommt den
marxistisch argumentierenden Krisentheoretikern dieser
Entwicklungsstrang auf der technischen Ebene einfach nicht in den
Blick:

In der Tat. Deshalb wären ja vielleicht auch die Kondratjew-Wellen doch interessant, wir hatten das Thema gerade in einem Seminar bei uns, siehe http://www.dorfwiki.org/wiki.cgi?HansGertGraebe/SeminarWissen/2010-05-03

der nämlich mit zunehmender Steigerung der Arbeitsproduktivität,
zunehmend gesättigten Märkten und daher tendenziell fallender
"Profitrate" eben zu einer Individualisierung der Produktionsprozesse
zwingt, insgesamt eben ein Prozess, an dessen Ende ganz andere
Produktionsmittel auftauchen,

Die "tendenziell fallende Profitrate" ist eine ähnlich umstrittene Setzung wie die Kondratjew-Wellen. Nach meinem Verständnis (und dafür gebe ich in meinem Aufsatz dann auch eine semantische Deutung) ist sie Teil eines Kondratjewzyklus für die neuen Technologien. Es ist also so ähnlich wie mit dem ewig fallenden Ton in der E-Musik - man schiebt immer mal wieder unbemerkt einen anderen Ton ein (der in dem Fall eine Oktave höher ist).

Produktionsmittel, die zur Erzeugung von Tauschwert einfach
vollkommen untauglich sind, das ist diesen Maschinen einfach
eingebaut, sie können nur direkten Gebrauchswert produzieren, und
sonst nichts.

Doch, sie können noch mehr - sie können kaputt gehen, es kann sein, dass sie gewartet werden müssen, gebaut müssen sie mglw. auch werden, wobei auch noch Vorprodukte eingesetzt werden. Wieso sie "zur Erzeugung von Tauschwert einfach vollkommen untauglich sind", kann ich also in keiner Weise nachvollziehen. Allerdings verschieben sich Gewichte vom operativen zum investiven Geschäft, also von v zu m. Das ist aber in keiner Weise zwingend das Ende der Wertkategorie.

Deine Freude hat damit zu tun, dass du dich an den Ergebnissen des letzten Kondratjew-Zyklus berauschst, der in der Tat eine Trivialisierung (gewisser Seiten der Produktion) mit sich gebracht hat. Aber die Herausforderungen des neuen Kondratjew-Zyklus (Aufwertung der Bedeutung der Reproduktion der Infrastruktur) sind bereits andere. Die aktuelle Finanzkrise ist (auch) eine Krise der dafür erforderlichen Kommunikationsformen (denn Geld *ist* bekanntlich Kommunikation).

Und irgendwann wird es wohl dazu kommen, dass das Beitragen von
"mehrwertschöpfender" Arbeit in Form von Ideen, Geistesblitzen, neuen
Erfindungen, Erkenntnissen, Möglichkeiten wichtiger und alltäglicher
sein wird als der Warentausch, also das Produzieren auf Verdacht, auf
Lager, anonym, für anonyme Abnehmer, ...

... was ja mittelständische Unternehmen selten tun, die werden erst aktiv, wenn der Auftrag akquiriert ist. Wobei das Ausführen des Auftrags möglicherweise dann wieder "trivial" ist. Aber nur diese "realisierten Konzepte" spülen das Geld in die Kasse, und dort stellt sich dann heruas, ob der lokale ökonomische Kalkül aufgeht

Viele Grüße,
Hans-Gert
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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



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