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[ox-de] Re: [ox-de] Ökonux und Politix



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Guten Abend zusammen,

hab mich gerade durch diesen Text gekämpft (von Kurz, Unwert des
Unwissens), und muss mich gerade wundern dass ich mich da
gewissermassen selbst zur Ordnung rufen muss, um in aller Schlichtheit
und naiven Wissbegier ganz einfach zu fragen was er denn mit
diesen enorm vielen Worten eigentlich sagen will - will sich mir
jedenfalls nicht erschliessen. Was will er denn. Aber ich schätze mal
zu der Einsicht sind auch schon einige Zeitgenossen vor mir gekommen,
insofern ist das nichts neues, ich muss nur an der Stelle leider
bekennen dass mir diese Auseinandersetzung bzw. -debatte bisher
entgangen war. 

Was will er? eine "Bewegung sozialen Widerstands gegen die
Krisenverwaltung gerade hinsichtlich der materiellen und kulturellen
Reproduktion, aus der heraus die "Widerspruchsbearbeitung" in der
Auseinandersetzung um Stillegung, Privatisierung und soziale
Restriktionen allein zur Kritik und Überwindung der Warenform
transformiert werden kann (einschließlich notwendiger
Ideologiekritik)."

Also: eine "Bewegung sozialen Widerstands" in "Überwindung der
Warenform transformieren" - habe ich das richtig verstanden? Ich war
der Meinung, ein Konsumgut, das der eine herstellt, um es auf einem
Markt mit jemand anderem gegen etwas zu tauschen - meistens Geld - ist
eine Ware. Das Tauschenwollen des einen, und das Erwerbenwollen des
anderen macht es zur Ware, die Tatsache, dass der eine damit rechnen
kann dass er einen Abnehmer findet (sofern er was durchschnittlich
Brauchbares produziert hat), und der andere damit rechnen kann dass er
auf dem Markt einen Produzenten findet, der etwas hergestellt hat was
er sich nicht selbst herstellen kann, macht dieses Produkt des
Produzenten zur Ware - und das ist überall so wo solche Dinge
hergestellt und getauscht werden, und war auch in der DDR und der
Sowjetunion und auf Kuba und in Manchester so und ist auf einem
türkischen Basar so und auf jedem dörflichen Wochenmarkt. Da wird kein
sozialer Widerstand etwas daran ändern.       

Das wird sich eben genau dann und nur dann ändern, wenn nicht mehr
getauscht werden muss - und das geht ohne Verlust des erreichbaren
Qualitätsniveaus eben nur mit den hier öfter mal diskutierten
technischen Hilfsmitteln. Jedenfalls können diese Hilfsmittel die
zentralen, also wichtigsten, verbreitetsten "Produktionsvorgänge"
in einer Gesellschaft so verändern, dass sie sich - ich sage mal
"hinreichend" - weit vom puren blossen Tausch der einen Sache gegen
ein Quantum Tauschmittel auf der anderen Seite unterscheiden. Es wird
möglicherweise ein "Beitrag", ein Input des einen von einer bestimmten
Qualität gegen "Leistungen" oder "Bezugsrechte" oder Ansprüche einer
bestimmten Quantität (auch Qualität oder beides) tauschbar sein - aber
das unterscheidet sich von der gewöhnlichen, in einer Gesellschaft die
basale Produktion bestimmenden Transaktion Tausch, so sehr, dass eine
Gesellschaft von den Prinzipien des Warentausches, des Wachstums, des
Kapital- und Geldverkehrs eben nicht mehr völlig beherrscht sein muss.
 Und das Argument lässt sich noch weiter ausbauen, es geht auch um die
Steuerungsprinzipien die dann möglich sind, und die viel grössere
Planungsgenauigkeit und -sicherheit und Steuerbarkeit gewährleisten
als sie heute mit den mehr oder weniger rein fiskalischen
Steuerungsmassnahmen erreichbar sind.            

"... der praktische Widerstand gegen die kulturelle Krisenverwaltung,
etwa in den Auseinandersetzungen um Lehrmittelfreiheit,
Studiengebühren, "Elite"-Unis und in der Kritik der verschärften
Anbindung von Wissens-Inhalten an die notleidende Verwertung, im
Widerstand gegen die "Ökonomisierung" und Privatisierung der
Wissensproduktion einschließlich einer neoliberalen Degradation der
Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften..." - also nicht dass ich
persönlich da vollkommen nicht dabei wäre, ganz im Gegenteil, das ist
doch überhaupt nicht falsch, aber eben - seh ich so - überhaupt kein
Widerspruch, geht wunderbar zusammen. Aber der Widerstand alleine wird
in der längeren Perspektive nichts ändern, vor allem
keine Transformation oder Überwindung der Warenform. Geht einfach
nicht. 

Zu den Kondratiewwellen sag ich jetzt nichts mehr. Ich hab nicht
gedacht dass es so schwer ist den Unterschied zwischen Produkt- und
Prozessinnovationen zu verstehen. Und die neuen Technologien (FAB und
alles was dazu gehört) sind kein "Geschäftsmodell", und wie man auch
schon gehört haben könnte gehört zu dieser Technologie dazu dass sie
nicht nur kaputt gehn, sondern sich dann möglicherweise selbst
reparieren und sogar gleich von vornherein selbst herstellen kann -
gehört jedenfalls im gleichen Sinne dazu wie etwa der
fussballspielende Roboter oder der weltmeisterlich Schach spielende
Computer zu Turings auf Zettel gekritzelter Paper Machine. Das ist
wohl alles doch nicht so leicht zu verstehen. 

Hans-Gert: rede nicht so viel mit deinem Geld, auch nicht in
Gesellschaft mittelständischer Unternehmer. Du scheinst übrigens nur
mittelständische Einzelfertiger zu kennen, was machen die denn, Schuhe
für Millionäre? oder Schiffsschrauben für Containerriesen? also ein
mittelständischer Automobilzulieferer oder ein mittelständischer
Küchenhersteller ist mit Sicherheit kein Einzelfertiger, sondern muss
eben - aus Kostengründen - in Stückzahlen fertigen, die den
Produktentwicklungsaufwand inkl. Marketing, Lagerhaltung etc etc
rechtfertigen - es sei denn, er besitzt eben genau die Technologien
die wir hier diskutieren, denn genau die sind ja der Schlüssel, die
Produktion mehr und mehr zu individualisieren, und damit dann in
Lösgrösse 1 (im extrem) produzieren zu können, aber hochmaschinell und
damit eben zu den niedrigen Kosten der Massenproduktion. Das ist der
bekannte Argumentationsstrang der Mass Customization, und genau diese
da beschriebenen auf die Produktionsverfahren einwirkenden Markt-
Zwänge lassen immer potentere und immer universalere Produktionsmittel
gedeihen - bis sie eben eines Tages kein Geschäft mehr sind, weil es
eben Sinn macht, dass diese Dinger beim Konsumenten im Keller
stehn. Mit dem HP Fabber für 15000 Dollar gehts ja vielleicht langsam
los. Und irgendwann muss dann nichts mehr getauscht werden. Fast
nichts.        
      
Gute Nacht allerseits.  
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Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



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