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Hans-Gert,

ich verstehe Deine Position überhaupt nicht, Du sagst Du bist
Marxist, siehst Dich aber auch in der Nähe dieses Potsdamer
Manifestes, und hast zwischen all dem Sympathien für den
unternehmerischen Mittelstand... wenn ich das mal so lapidar hier
zusammenfassen darf. 

Die Kritik, die ich hier verlinkt hatte http://www.uni-kassel.de/fb5/
frieden/science/potsdam-manifest-kritik.html 
stammt von Autoren, die marxistischen Gedanken eher nahe als fern
stehen, zu den Autoren der Internet-Zeitschrift EXIT gehört auch
Robert Kurz, ein - wie ich finde - sehr kenntnisreicher Analytiker des
spätkapitalistischen Dramas in dem wir uns gerade befinden (gestern
Abend dramatischer Dow Jones Absturz, man weiss wohl noch nicht wie es
kam...), und eben auch die beiden Autoren dieser Kritik am Potsdamer
Manifest, Jörg Ulrich und Claus Peter Ortlieb, letzterer Prof für
Mathematik an der Uni HH,  mit dem müsstest Du Dich wunderbar
austauschen können; Ortlieb hat eine Reihe wie ich finde
interessanter kritischer Anmerkungen zur Mainstream-Ökonomie und ihrem
mathematischen "Unterbau" geschrieben, eben aus Sicht des
Mathematikers.... (beispielsweise dieser 
http://www.math.uni-hamburg.de/home/ortlieb/
WiderspruchStoffFormPreprint.pdf
Text zur "letzten Krise des Kapitals"). 

Ich finde die Argumentation ja ganz schlüssig, allerdings kommt den
marxistisch argumentierenden Krisentheoretikern dieser
Entwicklungsstrang auf der technischen Ebene einfach nicht in den
Blick: der nämlich mit zunehmender Steigerung der
Arbeitsproduktivität, zunehmend gesättigten Märkten und daher
tendenziell fallender "Profitrate" eben zu einer Individualisierung
der Produktionsprozesse zwingt, insgesamt eben ein Prozess, an dessen
Ende ganz andere Produktionsmittel auftauchen, als sowohl Marx und
Lenin als auch alle Kapitalisten während der ganzen kapitalistischen
Wirtschaftsevolution sich haben träumen lassen: Produktionsmittel, die
zur Erzeugung von Tauschwert einfach vollkommen untauglich sind, das
ist diesen Maschinen einfach eingebaut, sie können nur direkten
Gebrauchswert produzieren, und sonst nichts. Und erst damit kommt der
kapitalistische Gang zu seinem "natürlichen" Ende... schon eigenartig,
dass auch Leute wie Gershenfeld so ganz offensichtlich keine wirkliche
Ahnung von der Tragweite dieser Entwicklung zu haben scheinen,
jedenfalls den Äusserungen zufolge die während der letzten Jahre so
öffentlich greifbar waren. Gershenfeld sagt zwar, dass diese Dinger
fundamental die Bedeutung von Business verändern werden, aber dass
sich das Business derartig verändert, dass es das am Ende überhaupt
nicht mehr gibt... 

Jetzt muss man natürlich wieder die Anmerkung einflechten, dass das
alles hochabstrakte gedankliche Konstruktionen sind, und dass es -
aller Voraussicht nach, oder? - eine lange Phase geben wird, in der
auf ganz kapitalistisch-marktwirtschaftliche Weise diese Entwicklung
vorangetrieben werden wird, und dass sicher ein Menge
Unternehmergeister mit Wagemut und Hunger auf satte Gewinne sich da
ins Getümmel stürzen werden, wie z B Hewlett Packard! aber die werden
alle nicht anders können, als irgendwann die perfekte universale
Produktionsmaschine zu bauen, den Star Trek Replicator, der alles
produzieren kann, was ein rechnende und berechenbare Maschine
überhaupt je wird produzieren können.... und dann ist eben ultimativ
Schluss mit Kapitalismus. Möglicherweise aber auch schon paar Tage
früher.   

Und irgendwann wird es wohl dazu kommen, dass das Beitragen von
"mehrwertschöpfender" Arbeit in Form von Ideen, Geistesblitzen, neuen
Erfindungen, Erkenntnissen, Möglichkeiten wichtiger und alltäglicher
sein wird als der Warentausch, also das Produzieren auf Verdacht, auf
Lager, anonym, für anonyme Abnehmer, für Geld, zu Marktpreisen. Ich
denke aber auch dass das noch eine Weile dauern kann, und auf dem Weg
dahin ist sicher ne ganze Menge möglich, wovon wohl noch niemand
richtig klare Vorstellungen hat. Man sollte wohl auch ins Kalkül
nehmen, dass der "Kapitalismus" sich auch zunehmend volatiler,
hektischer, unsolide und unberechenbarer verhalten wird. Wer weiss was
man alles wird tun müssen um die Entwicklung auf geordneten Bahnen zu
halten..? wer weiss es? Horst Köhler?     

Gruss,
Ludger

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