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Re: [ox-de] Re: [ox-de] Re: [ox-de] Ökonux und Politix



Hallo Ludger,

Ludger.Eversmann t-online.de schrieb:
Nachhaltigkeit ist auch für mich ein sehr wichtiges Prinzip, es
gehört aber deshalb auf eine andere Ebene, weil es ein abgeleitetes,
und auch vom historischen Kontext in seiner Wichtigkeit möglicherweise schwankendes Prinzip ist, aktuell ist Nachhaltigkeit wesentlich lebenswichtiger (wegen der ökologischen Problematik) als vielleicht vor der Industrialisierung, jedenfalls im Sinne der Vermeidung von Umweltbelastungen. Verteilungsgerechtigkeit ist ebenfalls ein vermitteltes, abgeleitetes Prinzip, und deshalb sicher nicht weniger wichtig, aber an anderes Stelle zu nennen; aber da
haben wir oder ich sicher keine grosse Differenz.

Das wirft die zentrale Frage auf, in welchem Verhältnis die "Prinzipien" zur realen Welt stehen. Sind die Prinzipien "in der Welt", oder nur in den Köpfen der Menschen, die sie brauchen, um ihre Handlungen zu strukturieren? Wenn zweiteres (wovon ich als Marxist im Gegensatz zum Ansatz eines Hegelschen Weltgeits ausgehe), dann wäre das, was du als "abgeleitet" bezeichnest, eine zunächst private Denkkonstruktion, die sich innerhalb eines bestimmten epistemologischen Gebäudes ergibt, in anderen solchen Gebäuden aber nicht.

Ich habe nur festgestellt, dass ich in der realen Menschenwelt (wenigstens) diese drei grundlegenden Muster vorfinde. Dass aus deiner Sicht dein Muster das wahre und die anderen fehlgedacht sind, mag dir unumstößlich und unhintergehbar erscheinen, du wirst aber dann nicht auf Augenhöhe mit Leuten ins Gespräch kommen, die das nicht so sehen.

Du hast mich allerdings völlig missverstanden, was meine Position zu
einem allgemein anerkennbaren Mass für Fortschritt angeht: ich habe
geschrieben, ich lade jeden ein, dagegen zu argumentieren, dass es so
etwas (allgemeines Mass... ) geben kann,

Habe ich in der Tat missverstanden. Eine solche Argumentation findest du in meinem Text "Wie geht Fortschritt?".

... weil ich glaube dass so ein Argumentationsversuch letztlich in
einen performanten Selbstwiderspruch gerät, so würde ich mal
behaupten wollen (mit Bezug auf die bekannte Argumentationsfigur der
Diskursethik): weil so eine Argumentation letztlich die schon in der
Sprache, in der Möglichkeit des verständigungsorientierten
Räsonnierens angelegten Verallgemeinerungs- und
Intersubjektivitätsansprüche würde verneinen oder verleugnen müssen.

Ah ja. Das Problem ist halt nur, dass z.B. die Sprache der Physik (um mal von vornherein ein zu enges Sprachverständnis zu vermeiden) von verschiedenen Leuten verschieden flüssig gesprochen wird, was für die die Sprache der Quantenphysik noch viel mehr gilt. Dann haben sich ein paar (so 20.000) Physiker ein nettes Spielzeug gebaut bzw. bauen lassen, steht bei Genf, und spielen nun daran mit leuchtenden Augen herum. Ein paar andere (z.B. ein gewisser Otto Rössler, http://achtphasen.net) sprechen in der Sprache der Quantenphysik - m.E. sehr überzeugend, ich kann's nur an der Tonlage beurteilen - "Kinder, das geht nicht, ihr könnt dabei die ganze Erde in die Luft jagen". Aber keiner hört auf ihn, nicht mal das Schweizer Bundesgericht, bis wohin er den Fall gebracht hat. Alle sagen so ähnlich wie Christian hier neulich über mich:

Ich glaube außer HGG konnte sich hier für das sogenannte "Potsdamer
Manifest" niemand so erwärmen, dass es jemals ernstlich Thema geworden wäre,
doch das Stichwort "Quantenquark" trifft es wohl ganz gut.

Mir den "in der Möglichkeit des verständigungsorientierten Räsonnierens angelegten Verallgemeinerungs- und Intersubjektivitätsansprüchen" scheint es also in einer Welt des babylonischen Sprachgewirrs nicht so einfach zu sein.

Was ist "Privatheit" der Leitwerte? Beliebigkeit? das kann es eben
nicht sein, deshalb habe ich diese Werte genannt deren Verbindlichkeit
eben schlechterdings von niemand verneint oder bestritten werden kann,
der nicht letzten Endes die in der Sprache selber schon
angelegten Intersubjektivitätsnormen würde bezweifeln wollen,

Als Marxist frage ich an der Stelle, ob nicht auch die Genese dieser dir offensichtlich als naturwüchsig erscheinenden "Intersubjektivitätsnormen" zu hinterfragen ist, so wie "alle naturwüchsigen Voraussetzungen zum ersten Mal mit Bewußtsein als Geschöpfe der bisherigen Menschen behandelt, ihrer Naturwüchsigkeit entkleidet" werden müssen, um sie "der Macht der vereinigten Individuen" unterwerfen zu können.

... die Grundlage der Verständigung selber sind, und auch Grundlage
eines jeden friedlichen Zusammenlebens.

Zweifelsohne, aber diese Grundlagen müssen reproduziert werden (bzw. reproduzieren sich sonst auf unbewusste Weise selbst, so wie bisher).

Warum fehlt Freiheit in meiner Aufzählung - weil Freiheit ein in der
letzten Zeit zu sehr von Wirtschaftsliberalen in Beschlag genommener
Begriff ist, als dass man ihn ohne mitgelieferte Begriffsbestimmung
verwenden könnte,

Dann wäre es natürlich sinnvoll, wenn du dich mit der Semantik des hier verwendeten Freiheitsbegriffs vertraut machst, der ja für das Selbstverständnis der hier diskutierenden Leute so zentral ist, dass sie Freie Software mit einem großen F schreiben, um genau auf diese Semantik zu verweisen.

Einen weiteren, für mich interessanten, hier allerdings kritisch reflektierten Zugang zum Begriff Freiheit findest du bei Karsten Weber "Der Preis der Informationsfreiheit"
http://www.hg-graebe.de/Texte/RLKonf-2005/weber-05-1.pdf

ja was nun - für oder gegen rechtsstaatliche Verhältnisse?

Ich für, der Rest hier dagegen. So einfach ist die Welt. Kannst du an den wenigen Threads zum Thema BGB nachvollziehen, etwa mit Googlesuche nach 'BGB site:oekonux.de', die Suche im Listenarchiv scheint kaputt zu sein.

... es kann sein, das in einem konkreten, hier oder da geltenden
Rechtkorpus Verhältnisse materialisiert sind, die eben nicht GERECHT
sind, also anerkennbaren höheren Rechtsnormen eben nicht genügen,
daraus kann man aber offensichtlich keine Argumente gegen
Rechtsstaatlichkeit an sich ableiten.

Spannender Gerechtigkeitsbegriff, mal ganz abgesehen, dass die "höheren Rechtsnormen" hier ja irgendwie vom Himmel fallen.

... Wissen, Kultur, Vernunftgebrauch lassen sich verstehen als in
einer Sprachgemeinschaft herausgebildete Handlungs- und Denkweisen,
die an dieser regulativen Zielidee - Erhebung des Willens... -
orientiert sind.

""Willen" im Singular ist dann aber kontraproduktiv. Kant unterscheidet ja den "öffentlichen Gebrauch der Vernunft im
Raisonnieren" und den "privaten Gebrauch der Vernunft im Handeln",
wobei - neben externen Naturphänomenen, von denen sich, im Sinne der
von dir zitierten Kantschen Formel, die Menschheit versucht zu
befreien - allein zweiteres die Quelle der Konflikte dieser Welt
ist."

Das hast Du mich ebenfalls falsch verstanden: ich hatte das hier als
kurze Referenz auf das oben angeführte Kant-Zitat verstanden.

Noch einmal: "Willen" im Singular ist dann aber der Wille des Patriarchen. Ansonsten ist es nicht zielführend, das Ergebnis eines Kohärenzprozesses genauso zu benennen wie dessen Konstituanten.

Was Quelle der Konflikte dieser Welt ist - das ist eine grosse Frage,
ich würde eigentlich sagen zu gross, oder besser: viel zu sehr
unterspezifiziert, als dass sie sinnvoll und mit Erkenntnisgewinn
beantwortet werden könnte.

Vielleicht muss man da ja erst mal Struktur reinbringen etc. Mein Punkt war, dass es bei dir als Thema nicht vorkommt, nicht, dass sich das Thema in einer Zeile abhandeln ließe.

"Ich denke und sehe in meinem Umfeld, dass es diese "unternehmerische
Führungspersönlichkeit" im klein- und mittelständischen Bereich sehr
wohl noch gibt und unternehmerische Elemente auch im Bereich der
Lohnarbeit zunehmend Einzug halten. Hier wird man doch etwas genauer
hinschauen müssen."

Bitte mal die DAX-Unternehmen durchgehen und nachzählen, welche von
denen eigentümergeführt sind, und dann auch in der Weltwirtschaft. Der
klein- und mittelständische Bereich ist eben nicht prägend, und wir
sind auch eben nicht mehr in einer Phase der Wirtschaftsentwicklung,
in der in irgendeiner Branche diese kleinen und mittleren Unternehmen
die Chance hätten, so gross und bedeutend zu werden, wie seinerseits
eben die Krupps und Thyssen, Siemens, Neckermann, Schickedanz und
Grundig etc etc.

Warum sollen die Säugetiere so groß werden wie die Dinosaurier? Um mal die hier sehr verpönte Methode des analogischen Vergleichs (noch dazu biologistisch aufgeladen) zu bemühen.

Die Kondratiew-Welle. Na sowas.

Gut, brauchen wir ja nicht zu vertiefen.

Viele Grüße,
Hans-Gert
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



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