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Re: [ox] Re: Der eigentliche Dissenz



Am Mittwoch, 19. Juli 2006 19:03 schrieb Stefan Seefeld:

Diese Vorstellung von Autonomie hast Du nun schon sehr oft hier betont.
Trotzdem kann ich damit "uberhaupt nichts anfangen. Wir sind nicht nur
k"orperlich nicht in der Lage 'aus uns selbst heraus' zu leben. Auch
zu Menschen werden wir erst durch kontinuierliche Wechselwirkung mit
der uns umgebenden biologischen und sozialen / kulturellen Umgebung.

Hallo Stefan,

diese Autonomie erwächst der selbständigen, körperlichen Existenz als 
von der Mutter nach der Geburt getrenntes Einzelwesen, welches aus sich
selbst bzw. der eigenen Innerlichkeit heraus Kontakt zur Umwelt aufnehmen
und Eindrücke dieser Umwelt verarbeiten kann. Es ist grundfalsch, dem
Säugling die eigene Innerlichkeit und die Fähigkeit z.B., selbständig zu
atmen, nach Dingen zu greifen und diese mit dem Mund zu erfahren, zu
riechen, zu schauen, daß Verhalten seiner Umwelt zu reflektieren und damit 
wirklich 'aus sich selbst heraus zu leben', abzusprechen. 

Wie bei den meisten Menschen fehlt die Erinnerung dieses elementaren
eigenen Willens, aus der Lebendigkeit der eigenen Innerlichkeit heraus 
Kontakt mit der Umwelt aufzunehmen. Es ist Teil der Herrschaft der
Erziehungsprogramme, ihre Manipulationen so früh anzusetzen, daß
die Erinnerung an diese Manipulationen zum Austreiben jeden eigenen
Willens zugunsten einer tiefen Überzeugung, den Forderungen der äußeren
Ordnung der Eltern und Erziehern sowie später den Forderungen der 
äußeren gesellschaftlichen Ordnung unbedingt nachzukommen, ins 
Unbewußte abgedrängt werden.

Wechselwirkung setzt zwei Körper voraus, die von der eigentlichen
Wechselwirkung gedanklich getrennt werden können. Dies stellt die
Wechselwirkung ebenso wenig in Frage wie im Falle von Erde und
Mond, die hinsichtlich der irdischen Gezeiten z.B. wechselwirken. Der
Mond übt eine Wirkung auf den Körper Erde aus, indem er die Wasser
der Meere anzieht, aber der Mond erzeugt die Meere nicht, die er
beeinflußt. Letzteres wird von all jenen behauptet, die einer Spiegelung
oder Wechselwirkung schöpferische Kräfte zudiktieren, den Körper
nicht nur zu beeinflussen, sondern zu schaffen, mit dem die Wechsel-
wirkung stattfindet, den Spiegel zu erzeugen, in welchem sich das
gespiegelte Abbild der Gesellschaft zeigt.

Gibt es eine Wechselwirkung, so gibt es selbständige Körper, zwischen
welchen diese stattfindet - Mond und Erde, Säugling und Mutter, Mensch
und Spiegel. Eine Spiegelung setzt eine spiegelnde Fläche voraus, auf
der sich das Spiegelbild aller vor der spiegelnden Fläche befindlichen
Personen und Gegenstände abbilden kann - und die spiegelnde Fläche
ist mit dem Spiegelbild nicht identisch, sondern das Spiegelbild wird
erst durch die Eigenschaften oder Fähigkeiten der spiegelnden Fläche
möglich. Die Eigenschaften oder Fähigkeiten der spiegelnden Fläche
sind auch nicht durch das Spiegelbild bzw. die Spiegelung vermittelt,
sondern es sind autonome, d.h., von der Spiegelung unabhängige
Eigenschaften oder Fähigkeiten des Körpers der spiegelnden Fläche. 

Die Körperlichkeit des Säuglings und aller in dieser Körperlichkeit
enthaltenen Fähigkeiten, entwachsenden Bedürfnisse, Emotionen,
frühen Wünsche sowie daß in dieser verborgene Entwicklungspotential
ist der natürliche Gegenpol zur Gesellschaft und zu allen Wechsel- 
wirkungen zur oder Spiegelungen der Gesellschaft in seiner Mensch-
Werdung im Prozess des Heranwachsens. Mehr habe ich eigentlich 
nicht gesagt. Natürlich hinterlassen die Wechselwirkungen oder 
Spiegelungen vom ersten Tag an Spuren und dokumentieren die
Beeinflußung des Säuglings durch die Wechselwirkung mit seiner
Umwelt. Dies bedeutet aber nicht, daß der Säugling über nichts Eigenes
außerhalb gesellschaftlicher Vermittlung verfügt und daß seine Natur - 
seine Körperlichkeit und Persönlichkeit - allein durch die Gesellschaft 
geschaffen würde. Vielmehr formt die Gesellschaft zum Guten oder
Schlechten das Vorhandene, was der Säugling mit auf die Welt bringt,
etwa so, wie der Mond Gezeiten der Meere auf der Erde formt.

Gruss,
Jacob

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