Re: [ox] Wer ist dieses "wir" ?
- From: Jac <sortesindet marsmail.de>
- Date: Wed, 10 May 2006 05:13:19 +0200
Am Dienstag, 9. Mai 2006 09:25 schrieb PILCH Hartmut:
"Arbeitslose mögen für das gezahlte Geld eine Gegenleistung erbrigen"
war die Forderung. Und normalerweise wollen sie das auch. Viele Leute
schämen sich, Geld ohne Gegenleistung anzunehmen. [...]
Hier genau liegt das Problem, ein Geschenk nicht annehmen zu können.
Die Forderung einer Gegeleistung führt genau jenes Leistungsdenken in
das Projekt wieder ein
Wenn dies ein Projekt ist, welches, angeregt von FLOSS-Erfahrungen, den
"Leistungsdenken" zu ueberwinden trachtet, dann sehe ich schwarz fuer das
Projekt. Noch schwaerzer als fuer ein Biologie-Projekt, das nach
Belegen fuer die Schoepfungslehre sucht.
Leistungsdenken ist solange "natürlich", wie Erfolg, Leistung, Bedeutung, die
soziale Stufe etc. notwendig ist, um darin die eigene Hilflosigkeit, Schwäche,
Ohnmacht und eigene Lebendigkeit abzulehnen. Solange diese Entfremdung
besteht und das gesellschaftliche Paradigma bedient, besteht das Bedürfnis,
für Leistung einen Lohn einzufordern - entweder, indem für die Leistung des
Grundeinkommens ein Lohn in Form einer (Gegen-) Leistung gefordert oder
für die Eigenleistung ein inmaterieller oder materieller Lohn eingefordert
wird. Dieses falsche Bedürfnis, welches der grundlegenden Entfremdung und
Spaltung der Persönlichkeiten entspringt, ist - obgleich künstlich und nicht
natürlich - tatsächlich höchst real.
Arbeit und Arbeitsplätze werden gesellschaftlich mit der Teilnahme am so-
zialen Leben gleichgesetzt. Der Lohn in Form von Geld verspricht, die eigene
innere Leere mit Konsum zu füllen, die Arbeit selbst dagegen ist organisierte
Kontaktbörse, soziales Miteinander und Gruppenerleben, aber auch Aufstiegs-
chance, um das eigene Prestige, die eigene Wichtigkeit, Bedeutung und Macht
zu kultivieren - ein sozialer Raum, in dem schon die eigenen Eltern die Mehr-
heit ihres Lebens verbrachten. Verlust des Arbeitsplatzes bedeutet daher weit-
aus weniger, nicht mehr "sinnvoll" tätig zu sein, sondern aus dem sozialen
Raum ausgeschlossen zu werden, in der die Werktätigen die Mehrzahl der
Stunden des Tages verbringen. Folglich ist man zur Verteidigung der Arbeits-
plätze und des damit verbundenen sozialen Raumes bereit, auf Lohn - und
damit auf die Teilnahme am Konsum - zu verzichten, wenn dadurch dieser
soziale Raum der Arbeit erhalten werden kann.
Die eigentliche Frage lautet daher: Wie organisieren wir einen neuen sozialen
Raum diesseits und jenseits der Leistungsgesellschaft?
Gruss,
Jacob
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