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Re: [ox] Noch mal zur Freien Gesellschaft



Hallo El Casi,

El Casi wrote:
Hallo Hans-Gert,

Dein Funktionsbeispiel gefällt :-)

...aber ich versuche mal, es weiter zu entwickeln, indem ich es
wieder zurück zur Frage über die Prägung der Menschen in einer
Gesellschaft in Beziehung setze.  Das Prägen wäre dann die
Funktion, das Geprägt-Sein wäre das Resultat bzw. der
Funktionswert. 

Nicht ganz, denn Prägen und Geprägt-Werden sind ja zwei Seiten (aktiv
und passiv) derselben Medaille. Ich versuch es noch mal mit isprime
unter dem Aspekt des AHA: Einer sitzt lange und knobelt und schließlich
"das ist ja toll: 5 ist eine Primzahl." Dann setzt er sich wieder hin
und knobelt und nach einer Weile "das ist ja toll, 7 ist auch eine
Primzahl" und dann knobelt er weiter "Wahnsinn, ich hätte gedacht, dass
9 auch eine Primzahl ist - aber das stimmt ja gar nicht". Er bewegt sich
in seinem Denken also auf der Ebene, die Primheit als je Einzelphänomen
wahrzunehmen und die Verbindung zwischen diesen Einzelphänomenen gar
nicht zu sehen (und sich vielleicht dafür auch nicht zu interessieren).

Und nun kommst du und sagst: "Schau mal Freund, ich hab hier eine ganz
tolle Funktion auf meinem Computer, die heißt 'isprime' und damit kannst
auch du ganz schnell für jede Zahl rauskriegen, ob sie eine Primzahl ist
oder nicht".  Und nun freut sich der erste, weil er nun schnell (und
viel schneller als vorher) rausbekommt, ob Zahlen prim sind. Und freut
sich über deine gut funktionierende Implementierung und interessiert
sich gar nicht dafür, wie das genau funktioniert.

Du meinst, solche Leute gibt es nicht? Aber ja doch, die Geschichte etwa
der Mersenne-Primzahl-Jagd ist voll davon (der Zahnarzt, der die
vorletzte gefunden hat). Die Ebene des Nachdenkens über die Funktion und
ihre Wirkung und die Ebene, wo über die Wirkung der *Anwendung* der
Funktion nachgedacht wird, sind sehr verschieden. Es geht also nicht um
das Prägen und Geprägtwerden, sondern um Prägemechanismus auf der einen
Seite und Prägen/Geprägtwerden auf der anderen Seite.

Und das geht über mehrere Stufen. Der Abstraktionsunterschied zwischen
Funktion f und Funktionswert f(a) wiederholt sich, wenn du über die
Ableitung f' sprichst (der Funktion f, zu unterscheiden von f'(a), dem
Wert der Ableitung an der Stelle a).  Und der Informatiker erkennt
gleich: Ah, ' ist ein Postfix-Operator, den man in Präfixnotation als
'(f) schreiben würde. Ist als f : R -> R eine reellwertige Funktion (und
f(a)\in R eine reelle Zahl), so ist ': (R->R) -> (R->R) eine
"Funktionsfunktion". Und wenn du dir dann anschaust, wie das etwa in
Mathematica gemacht ist, dann bekommst du
            f'//FullForm == Derivative[1][f]
also '=Derivative[1] und Derivative: N -> ((R->R) -> (R->R)) ist noch
komplizierter.

Ähnlich bei Templates: SortList<int> umfasst eine Menge von Funktionen
zum Sortieren von ganzen Zahlen, SortList selbst "Meta"funktionen.

Was hat das mit unserem Thema zu tun? Sehr viel: die Frage ist nämlich
für mich, wie weit "draußen" in dieser Abstraktionskette die
"Warenmonade" als funktionales Konzept sitzt. Und wie indirekt, über wie
viele Stufen gebrochen sie auf das wirkliche Alltagsverhalten Einfluss
hat. Denn im Konzept "Nicht-Warenmonade" wird ja alles Komplementäre
aufgefangen.

"Warenmonade", wenn es denn so indirekt und zugleich fundamental in den
Alltag hinein wirkt, muss zugleich ein sehr "penetrantes" Konzept sein -
bei mir "Leitsozialisation" - denn sonst würde sie gegen ihr Komplement
gar nicht wahrzunehmen sein.

Der erste Aufruf also
  Mensch.Geprägtwerden( Warenmonaden-Situation );

Das ist eben nicht so unmittelbar, sonder das schieben sich noch viele
Glieder vermittelnd dazwischen, so wie 'Derivative' auch nicht
unmittelbar Funktionswerte ausspuckt, sondern daraus erst mal über
Derivative[1] eine Ableitung spezieller Stufe werden muss, die als
g=Derivative[1][f] auf eine Funktion anzuwenden ist, um eine neue
Funktion zu bauen, von der dann erst ein Funktionswert g[a] gewonnen
werden kann.

resultiert in der Regel in einer stärkeren Ausprägung einer
Eigenschaft des Menschen (z.B. Mensch.WarenmonadenAnteil).

Das ist mir deutlich zu statisch (und zu mechanistisch).

Offensichtlich sagt die Feststellung, daß auf ein
Objekt (sorry) zweimal dieselbe Methode angewandt wird, nichts
über dessen Veränderung aus.

Objekte in diesem Sinn haben bei mir eine Eigendynamik, die durch
externe Parameter beeinflusst werden kann. Sie sind aber zugleich
reaktive Systeme, d.h. ihr Verhalten wird nicht *nur* durch die äußeren
Parameter determiniert, sondern auch durch innere Zustände. Und die
können sich bei *jedem* Anwenden derselben Methode ändern.

Denn spätestens auf der (Noch-)Meta-Ebene wird er mich sehr wohl
wieder interessieren, zum Beispiel, wenn (oder ob) sich der
Algorithmus und die Wirkung der Funktion 'Geprägtwerden' im Rahmen
von anderweitigen Entwicklungen oder in Abhängigkeit von den
vorangegangenen Prägungen selbst ändert.

Genau solche verschiedenen Abstraktionsebenen möchte ich gleichzeitig in
den Blick bekommen! Die Dynamiken haben aber sehr unterschiedliche
"Halbwertzeiten" und die Dynamik des Obersystems ist die Dynamik der
Mittelpunkte der Teilsysteme - wie schon anderenmails diskutiert.

Nur mal ein Beispiel, weil mir das hier zu abstrakt wird: Ein Ast
wird vom Wind abgebrochen. Die Kraft, die auf den Ast wirkt ist an
allen Stellen gleich, gleich groß und gleich gerichtet.  Und
dennoch führt sie zu einer offensichtlichen qualitativen
Veränderung.  -- Nur, der hier zu beobachtende Unterschied kommt
gar nicht von dem gleichmäßig wirkenden Wind, sondern von der sehr
ungleich verteilten 'Gegenkraft' durch die Verankerung des Astes
am Stamm. Wäre er nicht verankert (oder wäre er, andersrum
betrachtet, mit allen seinen Punkten gleich und gleich stark
veranktert), dann würde er nicht brechen.

Das spricht doch eher für das Gegenteil, oder? Der Wind weht
gleichmäßig, aber auf Grund der verschiedenen inneren Zustände des Asts
bricht er an einer (im Voraus nicht ganz so genau) bestimmten Stelle.
Obwohl der Wind überall GENAUSO wirkt...

Viele Grüße, HGG

-- 

  Prof. Dr. Hans-Gert Graebe, Inst. Informatik, Univ. Leipzig
  Augustusplatz, D-04109 Leipzig, Raum 5-53	
  tel. : +49 341 97 32248
  email: graebe informatik.uni-leipzig.de
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