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[ox] Noch mal zur Freien Gesellschaft



Hallo allerseits,

bin zwar wieder mal nicht "reply-fähig", aber vielleicht trau' ich mich
trotzdem.

Christian Siefkes schrieb am 15.12.
Wenn man dagegen erst einen Antrag stellen muss mit Begründung, warum man
etwas bestimmtes will, und dann hoffen, dass die anderen das akzeptieren, dann
ist das latent immer erniedrigend. Derartige Situationen hat man heute z.B.
bei der Aufnahme in WGs, wo man intensive "Passt die/der auch zu
uns?"-Gespräche über sich ergehen lassen muss. Klar, in solchen Fällen geht es
nicht anders, aber ich finde es doch gut, dass es noch die Alternative gibt,
sich einfach eine eigene Wohnung zu mieten, ohne dass einem jemand reinreden kann.

Womit du natürlich kooperativem Handeln eigentlich ausweichst. Ich weiß
nicht, ob eine solche Scheu vor der Bewertung durch andere (muss ja in
der WG schließlich wirklich zusammenpassen) nicht ihre Wurzel ganz tief
drinnen in der berühmten "Warenmonade" hat. Denn eigentlich müssen wir
für die GPL-Gesellschaft doch alle viel mehr aufeinander zugehen, oder?

Und vor dem Bild der "Multioptionalität von Zukunft", dem "siebenmal
messen, einmal schneiden" (Russisches Sprichwort), also dem - sicher
sinnvollerweise gemeinsamen - Abwägen enthält ein solches "sich
entziehen" für mich auch was von Flucht. Um mal eine radikale
Gegenposition aufzumachen. Die Wahrheit liegt sicher irgendwo in der Mitte.

Auf unsere Wiki-Debatte angewendet hast du beide Effekte: Den Auszug
einiger in eine eigene (allerdings gemeinsame) Wohnung und das Ringen um
den Wiki-Merger (En: De:) hier.

Viele Szenarien ließen sich wahrscheinlich nach der Regel "Besondere Wünsche
erfordern besondere Projekte" behandeln, entsprechend Raymonds "scratching an
itch"-Motto. Der öffentliche Nahverkehr wird vermutlich allen frei zur
Verfügung stehen, darüber hinaus dürften Gemeinden eine Reihe von Fällen
beschließen, in denen ohne weiteres ein Privatauto gestellt wird (z.B. für
Familien mit Kindern, die auswärts wohnen; für Versorgung + Transport
Schwerkranker/Behinderter; ...). Wer sonst noch ein Auto will, kann dann einen
Antrag bei der Gemeinde mit entsprechender Begründung stellen u. hoffen dass
der akzeptiert wird, sie/er kann sich aber auch einfach in einem Projekt
engagieren, das alte Autos renoviert oder neue baut und seinen Mitgliedern zur
Verfügung stellt und sich darüber hinaus auch an der Pflege der Straßen
beteiligt (wenn sie letzteres verweigern, werde ihnen die Gemeinden wohl kaum
die benötigten Resourcen gewähren).

Wobei die Sache mit den Autos ja mit Mietautos und Teilautos auch noch
eine weitere mögliche Perspektive jenseits obrigkeitlicher Organisation
von "Versorgung + Transport" hat: Die kooperative Bewirtschaftung der
erforderlichen Ressourcen. Mit so passiven Formulierungen "... wird
vermutlich allen frei zur Verfügung stehen" blendest du ja gerade die
"Brötchenfrage" aus.

Und Uli Frank schrieb am 17.12.
... man hat eine gewaltige Denkanstrengung hinter sich gebracht und
findet nicht nur kein öffentliches Gehör, sondern auch noch offene
Ablehnung, UNterstellungen, Verleumdungen, gerät in eine
hoffnungslose Minderheitenposition 
... wird als Predator beschimpft
und hat dann das dringende Bedürfnis, sich mächtiger, wichtiger usw
zu machen. Trotzdem ist es kontraproduktiv und damit falsch ...

Es scheint also so zu sein, als ob die gute alte Idee der "Erziehung des
neuen Menschen" (und sei es zur GPL-Gesellschaft) ein absolutes
Fehlkonstrukt ist. Offensichtlich kann man keine Weisheiten
*weitergeben*, sondern nur anderen auf dem Weg zu *eigenen* Weisheiten
behilflich sein. Ist übrigens aus Sicht der Psychologie (ab einem
gewissen Alter von etwa 16 Jahren) ein ziemlich gut verstandenes Phänomen.

Ich glaube, das viele Menschen sehr gut "wissen" (fühlen, ahnen..),
was ihnen das System antut, was schöner wäre, was glücklicher macht-
auch wenn es diese besseren ERfahrungen nicht in reiner Form gibt.
Ich denke deshalb am liebsten darüber nach, wie ich an diese
Erfahrungen anknüpfen kann- nicht als pädagogischer Trick, sondern
weil ich davon lernen kann, denn ich stehe ja selber irgendwie dort
(bin ja nicht aus der Welt mit meinem kritischen Kopf). Ich versuche
also überall dort, wo ich bin (und wenn ich die Energie dazu habe),
eine bessere Atmosphäre zu schaffen (eben in "unsere" Richtung:
freundlicher, großzügiger, (selbst-)kritischer, weniger berechnend
und konkurrenzhaft als üblich usw.), mir also selber ein gutes (aber
nicht beliebiges) Leben zu machen.

Stimme ich dir sehr zu. Das geht übrigens in dieselbe Richtung, die auch
das "Potsdamer Manifest" einschlägt: "Learn to think in an new way".

Meine Erfahrung ist mehr und mehr, dass sich andere Menschen so am 
ehesten für unser Thema interessieren. Daraus entstehen manchmal die 
spannendsten Diskussionen , die dann auch sehr anspruchsvoll werden 
können.

UND: was tue ich als "Weltverbesserer" und Bewunderer der freien 
Software- Bewegung, wenn ich NICHT freie Software entwickeln
kann/will...?

Na, sie einsetzen! Und vielleicht ist ja auch auch die Dichotomie
Entwickler/Nutzer *hier* gar nicht so ausgeprägt wie es die Lehrbücher
über kommerzielle Software-Entwicklung als naturgegeben beschreiben.

Viele Grüße, HGG

-- 

  Prof. Dr. Hans-Gert Graebe, Inst. Informatik, Univ. Leipzig
  Augustusplatz, D-04109 Leipzig, Raum 5-53	
  tel. : +49 341 97 32248
  email: graebe informatik.uni-leipzig.de
  Home Page: http://www.informatik.uni-leipzig.de/~graebe

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Kontakt: projekt oekonux.de



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