Message 10367 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT10325 Message: 24/123 L3 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] Noch mal zur Freien Gesellschaft




Hi Hans-Gert!

Hans-Gert Gräbe (2006-01-09 19:43 [PHONE NUMBER REMOVED]):
Hi El Casi,

El Casi wrote:
Hm. Könnte es sein, daß diese `Scheu', etwas `über sich ergehen
lassen zu müssen', vielmehr die Scheu davor ausdrückt, als
"Warenmonade" agieren zu müssen?  

Wenn du das (m.E. berechtigte) Prüfen durch die derzeitigen WG-Bewohner
als "Verkaufsverhandlung" verstehst, dann schon. Aber hier geht es ja
darum, sich *gegenseitig* auf Passfähigkeit zu prüfen und nicht "zu
verkaufen", oder? Warum willst du denen was vormachen und hinterher
merken die, dass du ganz anders bist und es zofft dauernd. Warum
*fühlst* du es als `über sich ergehen lassen zu müssen', obwohl hier
eigentlich Aktivität von beiden Seiten gefragt ist? Wieso willst du auf
Teufel komm raus da einziehen, dass es dich gar nicht juckt, ob ihr euch
versteht?

Also nehm ich die Rolle mal an und schreibe in Ichform: Ich will
nicht auf Teufel komm raus da einziehen, aber ich brauche eine
Bleibe in der Nähe meines Arbeitsplatzes oder meines sozialen
Umfelds -- schön wärs, wenn die WG zu letzterem dazugehören würde,
aber ist das heutzutage mehrheitlich der Fall?  Bei meiner letzten
WG-Platz-Suchaktion hatte ich ganz und gar nicht den Eindruck, daß
für die meisten der Spaß am Zusammenleben das Hauptmotiv für das
Leben in einer WG ist.  Daß das schön wäre, will ich mitnichten
bestreiten..

Ist denn nicht die beschriebene Situation ein typischer Fall von:
Einer hats, der andere brauchts?

WG-Platz als knappes Gut? Sicht der Warenmonade!

Genau: nicht die Sicht macht den Menschen zur Warenmonade, sondern
seine Situation als Warenmonade prägt seine Sicht als eine ``Sicht
der Warenmonade'', zumindest sofern er in der Lage ist, seine
Situation realistisch zu reflektieren.

Zwar steht beiden die freie Entscheidung zu, aber über die Vergabe
von Ressourcen läßt sich leichter entscheiden als über das Haben
von Bedürfnissen.  

WG-Platz als Ressource? Die jetzigen Bewohner werden aber doch nicht
unbedingt den/die nehmen, der/die am meisten zahlt.

Brötchen und Computer werden auch nicht an den verkauft, der am
meisten bezahlt.  Das hat was mit Transaktionskosten zu tun.  Daß
man aber bspw. als Gastarbeiter (so wie ich) oder als
Sozialhilfeempfänger usw. schlechtere Karten hat, liegt auf der
Hand.

Die jetzigen Bewohner sind in der Regel aber auch gezwungen, noch
jemanden zu nehmen, weil sie die Kosten sonst nicht tragen können
oder wollen.  Hier scheint mir die Warenmonadenprägung viel
stärker zum Vorschein zu kommen: die meisten WG-Bewohner (die ich
kenne), gehen ``natürlich'' davon aus, eine eigene Wohnung zu
beziehen, sobald sie es sich leisten können!
Warenmonaden-Individualismus, welcher aber eben auch zum Ausdruck
bringt, daß Dein Modell der Gemeinschaftssinn- und
Sympathie-getragenen WG ein in der Realität eher selten bis gar
nicht anzutreffendes Phänomen ist.

... also wenn bspw. alle, die wohnen wollen, eine große Party machen
würden und dort darüber entscheiden würden, wer mit wem wo
zusammenzieht (-- ohne Unterschied zwischen WG-Platz-Besitzern und 
-Nicht-Besitzern).

Die große Party gibt es aber nicht, weil es keinen "Punkt 0" gibt,
sondern immer schon Voraussetzungen da sind. Nämlich dass schon welche
zusammen wohnen.

Auch hier unterstellst Du, daß alle der Meinung sind, im
besten aller möglichen Wohnkollektive zu leben.  Warum sollte man,
wenn es nicht mit unangenehmen Aufwand verbunden wäre, nicht auch
mal den Wohnort oder die Wohngemeinschaft wechseln wollen?  Selbst
in dem von Dir angenommenen Idealmodell halte ich das für äußerst
wahrscheinlich -- wenn die Wohngemeinschaft wirklich eine gute
ist, trägt sie nämlich auch zur Entwicklung der Bedürfnisse bei,
welche hinwiderum auch in das Bedürfnis nach anderen WG-Partnern
münden kann.

Abgesehen davon, war mein Argument, daß die ``Sicht der
Warenmonade'' erst und nur dann aufhören kann, wenn alle
hinreichend mit Wohnraum versorgt sind (bzw. es sein können) --
und daß erst dann klar würde, ob bzw. wie lange diese Sichtweise
ihre Verhältnisse überdauert, weil sie ``so tief drinsteckt''.
Oder ob überhaupt.  Erst dann könnte man also beurteilen, was es
mit dem Tiefdrinstecken wirklich auf sich hat.

Grüße,
El Casi.
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



[English translation]
Thread: oxdeT10325 Message: 24/123 L3 [In index]
Message 10367 [Homepage] [Navigation]