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Re: [ox] Noch mal zur Freien Gesellschaft



Hallo allerseits,

Christian wrote:
Hm. Könnte es sein, daß diese `Scheu', etwas `über sich ergehen
lassen zu müssen', vielmehr die Scheu davor ausdrückt, als
"Warenmonade" agieren zu müssen?  Ist denn nicht die beschriebene
Situation ein typischer Fall von: Einer hats, der andere brauchts?
Zwar steht beiden die freie Entscheidung zu, aber über die Vergabe
von Ressourcen läßt sich leichter entscheiden als über das Haben
von Bedürfnissen.


Ja, individuelle Bedürfnisse sind nichts worin sich andere einmischen
sollten.

Ich zitiere mal aus meinem mawi-paper:
<zitat>
Und ein zweites zivilisatorisches Moment bringt dieser Markt mit sich:
Er *zwingt* die am Markt agierenden Produzenten, sich - unter Androhung
des Entzugs der eigenen Existenzgrundlage - für die Bedürfnisse anderer
Produzenten zu interessieren, und legt so den Keim für ein neues WIR,
das erst in einer wirklich Freien Gesellschaft zur vollen Entfaltung
kommen wird.  Er zwängt damit in einer jahrtausendelangen Entwicklung
auch psychologisch ganz anders konstituierte, obrigkeits- und
kommandogewohnte Individuen auf den Weg der Selbstfindung, der später -
reflektiert - in die bewusste politische Gestaltung von Gesellschaft
münden kann, in die "Produktion der Verkehrsformen selbst", die "alle
naturwüchsigen Voraussetzungen zum ersten Mal mit Bewußtsein als
Geschöpfe der bisherigen Menschen behandelt, ihrer Naturwüchsigkeit
entkleidet und der Macht der vereinigten Individuen unterwirft" - mit
einem Wort: zu Kommunismus im Verständnis des jungen Marx (MEW 3, S. 70).
</zitat>

Ist die "Scheu" nicht ein Reflex auf diese "Zumutung"? Geht es nicht
gerade um Formen des *Wie*, *wie* sich andere in meine individuellen
Bedürfnisse einmischen dürfen und *wie* ich mein eigenes Agieren (auch)
auf die Bedürfnisse anderer ausrichte? Ist dein Satz "individuelle
Bedürfnisse sind nichts worin sich andere einmischen sollten" heute
nicht schlicht ein Anachronismus, weil du zur Befriedigung dieser deiner
"individuellen Bedürfnisse" die Leistungen der kulturellen Umgebung wie
selbstverständlich in Anspruch nimmst? Die ihrerseits natürlich
"Geschöpf der bisherigen Menschen" ist.

Viele Grüße, HGG

-- 

  Prof. Dr. Hans-Gert Graebe, Inst. Informatik, Univ. Leipzig
  Augustusplatz, D-04109 Leipzig, Raum 5-53	
  tel. : +49 341 97 32248
  email: graebe informatik.uni-leipzig.de
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