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Re: [ox] Potsdamer Denkschrift 2005



Hallo Wolfgang, Christian & alle,

Wolfgang Gaiswinkler schrieb:
Ich bin auch dafür dass sich das Gute gegen das Böse durchsetzt. Und wenn
mich jemand fragt ob ich für Räuber oder Prodzenten sein soll würde ich
auch eher für die Produzenten votieren.

"Für die Produzenten _votieren_" ist im wörtlichen Sinne praktisch ein
Oxymoron (Widerspruch in sich), da von den Parteien Predators als
Kandidaten aufgestellt werden...

Mit "votieren" habe ich nicht gemeint "wählen" im Sinne unseres herkömmlichen
politischen Systems. Deine Anmerkung ist trotzdem interessant. Ich möchte
nämlich nicht in einer Gesellschaft leben die ohne Wahlen oder Delegierte
auskommt. Ich möchte mich nämlich nicht um jeden Furz der mich betrifft
kümmern müssen. für bestimmte Belange die mich betreffen möchte ich Leute
wählen und abwählen können Funktionen wahrnehmen. (Das wären dann
"Funktionäre" - das Wort ist schon so negativ konnotiert.)

Nun, ich habe nicht gesagt, dass es nach der Predator-Entmachtung keine
Wahlen mehr geben sollte.  Wichtig scheint mir, dass Produzenten an der
Macht sind (Stichwort sachbezogene Denkweise statt Machtgeilheit), und
dass eine geringere Machtkonzentration vorliegt -- also mehr direkte
Demokratie, bei der die Wähler direkt in Sachfragen mit abstimmen können,
statt bloss einen "König für 4 Jahre" ernennen zu können.


Wie wir uns organisieren können - über face to face groups hinaus - ohne dass
wir dabei die Welt uns selbst und die anderen kaput machen scheint mir die
anstehende Frage. Ob uns dabei Technik und "exakte Wissenschaften" viel
helfen können, bezweifle ich.

Zeigt OpenSource nicht gerade dafür eine Lösung auf?  Jedenfalls soweit
keine Predators bevormunden...


Ich glaube Leute die sich mit solchen Fragen beschäftigen als Predator zu
diffamieren bringt uns nicht weiter - glaube ich. Aber vielleicht habe ich
dich da falsch verstanden.

Sozialwissenschaftler können sicher nicht pauschal als Predators bezeichnet
werden.  Allerdings beschäftigen sich leider die meisten faktisch mit der
Konsolidierung und "Rechtfertigung" des Predator-Machtsystems, oder?
Wohl am nächsten am Produzenten-Ende des Spektrums liegt ein Sozial-
wissenschaftler, der technisch-mathematisches Verständnis mitbringt
("die Sprache der Produzenten spricht"), dem Predator-Machtsystem
kritisch-subversiv gegenübersteht und so ein "Produzenten-Sozialsystem"
_bauen_ kann.  Rudolf Sponsel scheint dem nahe zu kommen. ;-)

---------

Christian Siefkes schrieb:
Wenn die Analyse schon falsch ist, sind auch die abgeleiteten "Lösungen"
falsch

Genau, und deshalb stört es mich auch, wenn hier so simplifizierende
Analysen wie die deine über die Liste gehen, dafür ist Oekonux zu schade.

Aber für seitenweise 19.Jahrhundert-Ideologien ist Oekonux nicht zu schade?
Und ist die Marx'sche Einteilung in "Arbeiter und Bosse" etwa weniger
simplifizierend ?  (das ist ja sogar rein binär, ohne Spektrum dazwischen)


Erst recht,
wenn sie tendenziell menschenverachtend sind -- "predator" heißt in erster
Linie "Raubtier" (siehe http://en.wikipedia.org/wiki/Predator), und bestimmte
Menschen mit Tieren gleichzusetzen ist nie eine gute Idee.

Wenn es ein "politisch korrektes" Wort gibt, das die verschiedenen Aspekte
des Predator-Verhaltens (überlisten oder überwältigen, ausbeuten, sammeln
etc.) in einem Wort zusammenfasst, dann bin ich sehr daran interessiert.


(z.B. Solidarität mit Predators wie Lessig).

Und was hast du gegen Lessig?

Das hatten wir schon vor einiger Zeit ausführlich...


(Predator-)Herrschaft und die daraus abgeleiteten Ungerechtigkeiten gab es
schon lange bevor es Geld gab, also werden die auch nicht verschwinden
indem man das Geld abschafft.

Sondern indem man die Predator-Herrschaft durch die Produzenten-Herrschaft
ersetzt, oder wie? Na ob das besser wäre...?

Klar wäre das besser: wenn die entscheiden, die inhaltlich und sachbezogen
denken und _verstehen_, dann kommen bessere Entscheidungen heraus, als
wenn jene entscheiden, die nichts verstehen und nur an ihre kurzfristige
Macht- und Gewinn-Maximierung denken.


Wie wärs, stattdessen auf die Aufhebung der Herrschaft hinzuarbeiten, bzw.
ihre Minimierung? Open Source und ähnliche Entwicklungen gehen ja durchaus in
diese Richtung.

Das kann sich durchaus von selbst ergeben: Predators sind ja die, die Macht
anhäufen (quasi als Selbstzweck).  In einer Produzenten-Gesellschaft wird
die Macht eher "gleichverteilt" sein.  Was zählt ist, dass die richtigen,
sinnvollen Entscheidungen getroffen werden.


Dafür müsste man allerdings erstmal anerkennen, dass die
_Strukturen_ das Problem sind, und nicht bestimmte "schlechte" Menschen...

Die Strukturen sind das Produkt der Entscheidungsträger.  Wenn Produzenten
entscheiden, resultieren andere Strukturen -- sinnvollere, gerechtere und
funktionale.  Das geht aber nur, nachdem die Bevormundung durch Predators
aufhört.


Bush ist jawohl selber ein Predator "par excellence", und wer Bush's
Verkehrtwelt-Propaganda auf eine Stufe stellt mit der realistischen
Produzenten/Predators-Dichotomie, der sollte nicht Andere des Schwachsinns
bezichtigen.  Glashaus und Steine...

Hm hm, womöglich hält Bush sein eigenes Weltbild ja auch für realistisch?

Die Frage ist nicht, ob er es für realistisch _hält_, sondern ob es
realistisch _ist_, d.h. verifizierbar mit der Realität übereinstimmt.
Und wie wenig es das ist, hat man ja u.a. an den WMD-Märchen gesehen.


Der
Punkt ist, dass es nicht empfehlenswert ist, die Menschen einfach in zwei
(oder eine beliebige andere Anzahl) Gruppen einzuteilen, schon gar nicht,
wenn dann die einen als gut und die anderen als böse definiert werden.

Bei P/P geht es nicht um "zwei Gruppen", sondern um ein Spektrum zwischen
2 Ansätzen.  Der eine Ansatz ist nicht "böse" im Märchen-Sinne, sondern
im Sinne von objektiv negativen und asozialen Auswirkungen auf Dritte
und die Allgemeinheit/"Allmende".  Es geht nicht darum, einzelne als
Personen zu verteufeln oder gar prozesslos zu beseitigen, wie Bush das
mit seinen "Bösen" tut, sondern es geht darum, den Inkompetenten und
Machtmissbrauchenden die Entscheidungsmacht zu entziehen.


Abgesehen davon, was ist denn so toll am "produzieren"? Gibt es nicht Dinge
auf deren Produktion man besser verzichten sollte?

Solange die Predators bestimmen, müssen die Produzenten viele Dinge herstellen,
auf deren Produktion man besser verzichten sollte -- typische Beispiele sind
Waffen (für die Kriege und Jagd der Predators) und Konsumismus-Schnickschnack
(für die Profitmaximierung der Predators und die Ablenkung vom Wesentlichen).

Wären die Predators entmachtet, dann wäre alles toll am produzieren:
Die Produzenten könnten sich dann ganz auf das konzentrieren, was der
konstruktiven Verbesserung der Lebensqualität und der Funktionalität
dient -- so nach dem Motto "Schwerter zu Pflugscharen".


Ist es besser, etwas zu
produzieren, was keiner braucht, als nichts zu produzieren?

Ein Predator, der einfach nur dasitzt, ist ein sehr harmloser Predator.
Aber leider begnügen sich Predators seltenst damit, "nichts zu produzieren",
sondern sie schaden aktiv Anderen, indem sie ihre Macht und Ressourcen zu
schädlichen Entscheidungen, Vorschriften und Verwendungen missbrauchen.
Das kann nur dadurch gestoppt werden, dass sich die Predators entweder
ändern (unwahrscheinlich bei den meisten), oder sie entmachtet werden.
Ein GW Bush sollte besser als Fürsorgeempfänger daheim rumsitzen, statt
die ganze Welt in Kriege und Krisen zu stürzen.


Arbeiten (im Sinne von tätig sein, nicht Lohnarbeit) ist dann sinnvoll, wenn
es einer/m selbst Spaß macht oder wenn es anderen was bringt, und im Idealfall
(etwa bei freier, insbesondere bei doppelt freier Software) kommt beides
zusammen.

Genau dies ist das Ziel bei der Produzenten-Gesellschaft !
Das geht aber erst, nachdem die Predators entmachtet sind.

Gruss,
Christoph




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