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[ox] Re: DDR und GPL-Gesellschaft



Hi Max, Frederic, Liste!

Danke für die interessante Antwort.

Last month (51 days ago) max wrote:
Ich beschäftige mich schon eine ganze Weile mit Politik, Wirtschaft
und auch Linux. Die Idee der GPL-Gesellschaft halte ich persönlich
für sehr gut, jedoch geht mir das Denken auf der Liste teilweise
zu sehr ins Abstrakte und teilweise ist es meiner Meinung nach zu
einseitig.

Na, die Liste bietet halt für jedeN Etwas ;-) .

Nein, das tut sie leider nicht. Dieses verquirlte Deutsch, welches
hier teilweise benutzt wird, verstehen doch die meisten gar nicht.
Wenn aber eine kleine Gruppe eine neue Gesellschaft schaffen möchte,
in der sie dann die Elite darstellt, dann können wir auch alles so
lassen wie es ist.

Dass die Beiträge hier teilweise ziemlich anspruchsvoll sind, wird
keineR bestreiten. Dass es ein hohler Popanz ist, der mit
komplizierter Sprache aufgemotzt wird, sehe ich aber eigentlich nie.
Auch hat Oekonux mittlerweile sicher ein eigenes Sprachspiel, eigene
Begrifflichkeiten entwickelt. Allerdings glaube ich, dass du da nicht
drum herum kommst, wenn du was Neues denken willst.

Dass die Beiträge sich teils auf hohem Niveau bewegen, finde ich also
eher Feature als Bug.

Ausdrücklich möchte ich alle ermuntern, ihren Senf dazu zu geben. Ich
betrachte gedrehte Ausdrucksweise, deren auch ich mich ja gerne
befleißige ;-) , nicht quasi als Eintrittskarte. Mir macht es
lediglich Spaß, meine Gedanken in der mir adäquat scheinenden Sprache
niederzulegen - Selbstentfaltung eben. Andere können und sollen das
durchaus anders sehen. Auch Selbstentfaltung eben.

Die Lösung liegt IMO in einer auf Computer und Internet
gestützten Planwirtschaft.
Dummerweise kommt diese Idee aus dem ehemals real existierenden
Sozialismus und ist deshalb grundsätzlich
schlecht/falsch/eine_Katastrophe/was_auch_immer.

Was meinst du denn mit einer Planwirtschaft genau? In der DDR und
ansonsten im Sowjetblock gab es eine staatliche Zentralplanung.
Nehme ich mal Freie Software als Beispiel, so kann ich da keine Zentrale
oder gar einen Staat ausmachen - und auch kein Geld, das die
Beziehungen entfremdet regelt. Was kannst du dir in diesem
Spannungsfeld vorstellen?

Lies mal das: http://home.t-online.de/home/hDunkhase/sozmach.pdf

Nachdem Frederic dankenswerterweise das schon beantwortet hat und ich
seinen Kommentar nachvollziehbar finde, schließe ich mich da einfach
mal an.

Eine Bemerkung noch: Irgendein hohes Ex-DDR-Tier aus dem
Planungsbereich hat in irgendeiner Nach-Wende-Fernsehdokumentation mal
erwähnt, dass so ein paar tausend Parameter in einem Zentralplan im
Griff zu halten sein. Danach ginge es einfach nicht mehr. Und er hat
sich nach meiner Erinnerung nicht auf die fehlende Rechen-Power
bezogen.

Und dein Einwand mit der freien Software, denk doch mal an
Sourceforge z.B. ;-)

Sourceforge ist in keiner Weise eine zentrale *Planung*. Es ist sicher
eine zentrale Infrastruktur wie z.B. auch Savannah bei Gnu. Eine
zentrale Infrastruktur ist aber etwas ganz anderes als eine
Zentralplanung. Eine zentrale Infrastruktur ist nämlich auch letztlich
nur irgendein Projekt und kein Meta-Projekt wie es Zentralplanung wäre.

Das erste Problem welches ich sehe ist: Eine Armee läßt sich
nicht dezentral und demokratisch führen.

Na, da gibt es aber andere Konzepte sozialer Verteidigung, die das
anders sehen. Als es noch eine Friedensbewegung gab, wurde so
etwas mal erforscht.

Und? Hat es was genutzt?

Natürlich nicht. Seit dem Anschluss der DDR rollt eine
Militarisierungswelle durch dieses Land, die in den 80ern noch *völlig
unvorstellbar* gewesen wäre. In der Konsequenz werden z.B. all die
Forschungsprojekte, die es in diesem Bereich durchaus gegeben hat,
nach und nach dicht gemacht. Dass diese Ansätze unter diesem
Mainstream dann keine Konsequenzen haben, finde ich bedauerlich aber
einleuchtend.

Deine Frage war aber eine ganz andere.

Und die Irakis führen uns ja gerade exemplarisch vor,
was auch ohne eine solche zentral organisierte Armee alles geht -
gegen eine massiv zentral organisierte Armee. Und auch die
militärischen Erfahrungen der AnarchistInnen im Spanischen
Bürgerkrieg sprechen da m.E. keine so eindeutige Sprache.

Hier kann ich dir nicht ganz folgen. Soweit ich weiß, ist Spanien
fest in das kapitalistische System eingebunden.

Ich meinte die spanische Revolution Anfang / Mitte der 30er Jahre. Da
haben die AnarchistInnen eine *sehr* große Rolle gespielt - auch im
militärischen Bereich.

Auch Irak zieht nicht
wirklich. Bestenfalls (für die irakischen Menschen) kommt es dort zu
einer ähnlichen Situation wie in Israel/Palästina.

Es ging um die Frage, ob dezentrale Armeen / Widerstand einer
zentralen Armee etwas entgegen setzen können. Wollen wir Wetten
abschließen, wie lange die USA die täglichen Toten noch auszuhalten
bereit sind?

Die Führung der DDR und der UdSSR standen also vor Problemen, für
die sie scheinbar keine geeignete Lösung gefunden haben. Die
selben Probleme werden aber auch in jeder zukünftigen Gesellschaft
zumindest für eine Übergangszeit auftauchen.

Den Punkt finde ich wirklich wichtig! Könnte es sein, dass wir in
einer Übergangsphase uns wirklich mit solchem Müll befassen
müssen?

Da bin ich mir sicher.

Dann würde ich dich bitten, mal ein Szenario zu skizzieren.

Wenn ich das mal auf die Weltsituation umlege: Was könnte das
Interesse eines (dann kapitalistischen) 3.-Welt-Landes sein, die
Springquellen auch ihres Reichtums mit Krieg zu überziehen?

Wieder so ein idealistischer Standpunkt den man schon fast als
Realitätsverweigerung bezeichnen kann.
Ich jedenfalls glaube nicht, dass die Gefahren für die
GPL-Gesellschaft aus der 3. Welt kommen werden.

Ich verstehe deinen Einwand nicht ganz. Ich bezog mich auf eine -
früher hätte mensch gesagt: - nach-revolutionäre Situation.

Aber einfach als Frage: Wo denkst du, dass die Gefahren herkommen
werden?

Na ja. Eine der zentralen Thesen ist ja, dass die Selbstentfaltung
aller die Vorbedingung der eigenen Selbstentfaltung ist. Auf das
Energieproblem gewendet bedeutet das, dass diejenigen, die auf den
Lagerstätten sitzen, ein Interesse daran haben, dass diese
ausgebeutet / genutzt werden. *Dieses Denken* zu einem Common Sense
zu machen, scheint mir eine der wichtigsten Aufgaben.

Aha. Alle 6 oder 7 Milliarden Menschen gelangen gleichzeitig und
überNacht zu dieser Einsicht?

Weder gleichzeitig noch über Nacht.

Allerdings baue ich in der Tat darauf, dass die Menschen ihre
Interessen verfolgen, dass sie das tun, was ihnen am meisten nutzt. In
den Metropolenstaaten war das bisher für erheblich viele Kapitalismus.
Dies verändert sich aber zunehmend. Die Arbeitslosigkeit und die
Gürtel-enger-schnallen-Parolen, die nicht mal mehr auf eine wenigstens
irgendwann bessere Zukunft hoffen lassen, sind die täglich
besichtigbaren Anzeichen dafür.

Mit einem Wort: Der Kapitalismus ist in der (finalen) Krise. Damit
sind Utopien wieder gefragt. Das kannst du auch an den wie Pilze nach
dem Regen aus dem Boden schießenden esoterischen Zirkeln sehen. Alles
Anzeichen einer Endzeitstimmung.

Entscheidend ist jetzt, dass es in die richtige Richtung geht. Ich
denke, wir arbeiten daran. Wenn du denkst, dass du das mit anderen
Mitteln besser unterstützen kannst: Go ahead!

Weißt du was 1989 "Common Sense" war? Ich will nach Mallorca
fliegen, ich will einen Videorecorder und ich will einen schicken Westwagen!
Damals hat es keinen gestört, dass man mal auf Ämtern um seinen
Lebensunterhalt betteln gehen muss. Es hat auch niemanden gestört,
sich Gesundheitsversorgung mal nicht mehr leisten zu können. Und das die
Bildung der eigenen Kinder mal nicht mehr als solche zu bezeichnen
sein wird, das störte natürlich auch nicht.
Ich kenne nicht wenige, die sich heute krampfhaft einreden, es ginge
ihnen jetzt besser, nur um sich die eigene Dummheit nicht
eingestehen zu müssen.
Von den Menschen, die nicht mal genug zu essen haben, reden wir
lieber gar nicht erst. Für die gehört es natürlich zum "gesunden
Menschenverstand" von dem was sie nicht haben auch noch einen Teil
abzugeben.

Ich denke, dass der Übergang DDR => BRD zwei entscheidende
Unterschiede zu einem Übergang Kapitalismus => GPL-Gesellschaft hat.

Einerseits wurde von dem wohl nicht unverbreitet verhassten Staat die
BRD als schrecklich dargestellt. In einer einfachen Anti-Haltung - der
Feind meines Feindes ist mein Freund - konnte so der Westen zu einem
Paradies hochstilisiert werden. Noch dazu, weil er das ja auch nach
Kräften unterstützt hat - wir erinnern uns z.B. an das Begrüßungsgeld.

Andererseits gab es eben auch die BRD als aufnahmewilligen und
vergleichsweise reichen Nachbarn. Hätte die DDR an Portugal gegrenzt,
so wäre die Begeisterung sicher deutlich verhaltener gewesen.

Beides scheint mir aber für eine GPL-Gesellschaft nicht gegeben.

Allerdings würde ich denken, dass es auch eine Parallele gibt: Beide
Systeme befinden sich in ihrer finalen Krise. Der Realsozialismus
damals, viel mehr aber noch der Kapitalismus heute verfügen
systemimmanent über spannende Projekte - vielmehr geht es zunehmend um
die Verwaltung der Not. Für Gegenbeispiele wäre ich dankbar.

Für die DDR ging das natürlich nicht, weil "der Kapitalismus" der
(irrigen?) Annahme war, dass eine Vernichtung des
realsozialistischen
Experiments das Beste für ihn wäre.

Warum irrige Annahme? Vielleicht war es ganz einfach eine
Notwendigkeit um das eigene Fortbestehen zumindest noch einige Jahre
zu sichern.?

Das sind historisch immer sehr schwierige Fragen.

Fakt ist, dass dem Westen das gemeinsame Feindbild abhanden gekommen
ist. Die Zentrifugalkräfte, die durch "die Russen" im Zaum gehalten
wurden, brechen jetzt mehr und mehr durch. Und es ist mit enormen
Kosten verbunden, dies anderweitig im Zaum zu halten (87 Mrd.
zusätzliches US-Haushaltsdefizit vor allem um den Irak zu
"befrieden"). Ob sich das wirklich rechnet?

Als in der industriellen Entwicklung relativ spät gekommene
Staaten hatte Osteuropa und gar die Sowjetunion da halt schlechte Karten.
Manchmal denke ich, mensch hätte nach dem Ausbleiben der
Revolution in Deutschland bis sagen wir 1925 den Versuch stoppen sollen...

Wie denn stoppen?

Indem mensch 1925 in der Sowjetunion freie Wahlen ausgeschrieben und
das Ergebnis anerkannt hätte. Einfach eigentlich. Vermutlich kein
Realsozialismus als zwangsläufig scheiterndes Experiment eben.

Hätte es dann keinen Hitler und keinen WK2 gegeben?

Die Frage ist wohl kaum seriös zu beantworten. Aber ich verstehe sie
auch nicht ganz.

Verliefen bisherige Umwälzungen in der Gesellschaft den immer nach
Plan? Ohne Fehler? Ohne Rückschläge?

Wohl kaum. Aber ich finde, dass z.B. der Stalinsche Terror kaum zu
entschuldigen ist - nicht allgemein menschlich und *schon gar nicht*
mit Blick auf eine emanzipatorische Vision. Wenn ja wenigstens der
Anspruch Sozialismus aufgegeben worden wäre... Na, sozialer war diese
Arbeitgesellschaft wohl immerhin schon. Ist eben alles kompliziert...

Die zukünftige GPL-Gesellschaft wird also die Gesellschaft sein, in
der alle Menschen glücklich und zufrieden miteinander leben?

Nein. Konflikte wird es immer geben. Die Frage ist aber, in welchem
Rahmen die Konflikte ausgetragen werden. Und da hat eine Gesellschaft,
die nicht an einem transzendenten Popanz wie Geld hängt, sondern sich
wie die Freie Software auf die Bedürfnisse der Menschen bezieht,
durchaus eine Chance was besser zu machen. Das fände ich schon einen
großen Gewinn.

Über Nacht
wird sich bei allen Menschen auf der Erde diese Einsicht durchsetzen?
Vom Realsozialismus zur GPL-Gesellschaft wäre meiner Meinung nach
ein friedlicher Übergang möglich gewesen. So wie es derzeit aussieht,
erleben wir eine GPL-Gesellschaft erst nach einem Bürgerkrieg oder
einem dritten Weltkrieg - wenn wir es überleben.

Nun, noch 1988 hätte auch niemensch mit einer Öffnung der Berliner
Mauer gerechnet. Das war eine Lektion, die ich damals gelernt habe:
Geschichtliche Ereignisse sind nicht vorhersagbar. Und in
Bifurkationspunkten, wie sie am Ende einer Ära auftreten, noch viel
weniger als mitten in einer gefestigten Phase.

Eine bedürfnisorientierte Gesellschaftsformation würde wohl kaum
in dem Maße die Umwelt zerstören, wie es Kapitalismus und seine
Abteilung realexistierender Sozialismus hingekriegt haben.

Woher nimmst du diese Gewissheit?

Steht doch im Satz: "Eine bedürfnisorientierte
Gesellschaftsformation". Schonung der Umwelt halte ich für ein
Bedürfnis. Deins zumindest. Meins auch. Zumindest in Deutschland
sicher von noch mehr Leuten.

Und wie willst du das erreichen?

Eine ganz andere Frage, auf die ich auch keine Antwort habe. Meine
Position ist die: Mit dem Oekonux'schen Gedankengut können wir hier
und da eine gesellschaftliche Vision umreißen. Die Strategie wäre also
quasi, dahin zu gelangen.

Wie wir da hin kommen, ist aber eine Frage konkreter historischer
Politik - also eine taktische. Und günstige Taktik ist schwer und
seltenst seriös lange vorhersagbar. Ich tendiere dazu, hier einfach zu
schauen was ist und sich daran zu orientieren. Gegenwärtig finde ich
die Auseinandersetzungen um das "geistige Eigentum" in all ihren
Ausprägungen (Software-Patente, TCPA, Privatkopie, wissenschaftliche
Veröffentlichungen, P2P, ...) sehr wichtig. Hier ist m.E. momentan das
taktische Feld, auf dem strategisch gehandelt werden kann.

Einen Zauberstab, der alle Probleme der Welt über Nacht löst, kann es
m.E. nicht geben. Gäbe es ihn, wüssten wir es. Und wer etwas anders
behauptet ist einE ScharlatanIn. Ich fürchte also, dass wir nicht
umhin kommen, mit vagen Aussagen umgehen zu müssen. Unser Bestreben
sollte es m.E. sein, sich so viel Klarheit wie irgend möglich zu
schaffen. Aber auf keinen Fall mehr Klarheit ;-) .

Aber ich vermute, dass dir das als Antwort nicht reichen wird...

Nein. Eher das Gegenteil ist eingetreten.

Ich vermute, dass ich das noch verstärkt habe ;-( .

Vielleicht so herum: Was ist eigentlich genau dein Anliegen?


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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