Re: [ox] Re: DDR und GPL-Gesellschaft
- From: Thomas Murphy <murphy thepanemgroup.com>
- Date: Thu, 06 Nov 2003 03:16:47 +0100
Einen schönen guten abend,
war lange nicht mehr hier und bin gerade über diese interessante mail
gestolpert.
Da muß ich auch was zu sagen. Ich hoffe, das ich nicht zu viele schon
besprochene Punkte anspreche,
und hoffe auch das man mir verzeiht, das ich die letzten drei monate
nicht komplett aufarbeite... ;)
Stefan Merten wrote:
Eine Bemerkung noch: Irgendein hohes Ex-DDR-Tier aus dem
Planungsbereich hat in irgendeiner Nach-Wende-Fernsehdokumentation mal
erwähnt, dass so ein paar tausend Parameter in einem Zentralplan im
Griff zu halten sein. Danach ginge es einfach nicht mehr. Und er hat
sich nach meiner Erinnerung nicht auf die fehlende Rechen-Power
bezogen.
Eine Planwirtschaft hat meiner Meinung nach überhaupt nichts mit der
Idee der GPL-
Gesellschaft zu tun, da es uns in ihr nicht zusteht, aus mehreren
Produkten das für uns
beste auszuwählen - so wie wir es mit Freier Software tun.
Ich glaube viel mehr an eine anarchstische Landschaft aus kelinen
Unternehmen, die in
ständiger Konkurrenz zueinander stehen und ausserdem die "Nachahmung"
anderer
Produkte weder durch Markenrechte blockiert, noch als Kopie belächelt
wird, sondern
entweder als eine Verbesserung erkannt oder ignoriert wird. Evolution eben.
Mit einem Wort: Der Kapitalismus ist in der (finalen) Krise. Damit
sind Utopien wieder gefragt. Das kannst du auch an den wie Pilze nach
dem Regen aus dem Boden schießenden esoterischen Zirkeln sehen. Alles
Anzeichen einer Endzeitstimmung.
Manchmal habe ich auch das Gefühl. Andererseits gibt es ja eine
Entwicklung im Bereich
der Billiglohnländer, die uns durch ihre billige Arbeitskraft wohl einen
guten Teil unseres
Reichtums bescheren. Ich habe zu diesem Punkt nur Teilinformationen,
möchte nichts
falsches sagen, aber als ich es las, klang es sinnvoll. Es gibt eine
These, nach der China das
nächste Land sein soll, das in dieses Raster fällt, danach Afrika und
Südamerika.
Ich glaube, der Kapitalismus hat noch genug Ressourcen, um sich einige
Zeit über Wasser
zu halten. Mir scheint ehrlich gesagt, eine düstere Zukunft nach William
Gibson am
wahrscheinlichsten.
Nein. Konflikte wird es immer geben. Die Frage ist aber, in welchem
Rahmen die Konflikte ausgetragen werden. Und da hat eine Gesellschaft,
die nicht an einem transzendenten Popanz wie Geld hängt, sondern sich
wie die Freie Software auf die Bedürfnisse der Menschen bezieht,
durchaus eine Chance was besser zu machen. Das fände ich schon einen
großen Gewinn.
Korrekt. Warum assoziieren so viele "etwas Besseres" immer mit "dem
Vollkommenen"?
Über Nacht
wird sich bei allen Menschen auf der Erde diese Einsicht durchsetzen?
Vom Realsozialismus zur GPL-Gesellschaft wäre meiner Meinung nach
ein friedlicher Übergang möglich gewesen. So wie es derzeit aussieht,
erleben wir eine GPL-Gesellschaft erst nach einem Bürgerkrieg oder
einem dritten Weltkrieg - wenn wir es überleben.
Das finde ich vollkommen falsch. Der Realsozialismus war nichts weiter
als eine Diktatur.
Ein totalitäres Regime, rotlackierte Faschisten, die nichts, aber auch
gar nichts mit den
Werten zu tun hatten, die sie scheinbar vertraten.
Sie sahen in der Kommune nicht den offenen Austausch unter Individuen
sondern
eine Gleichschaltung. Assimilation statt Integration.
Heute haben wir viel mehr Möglichekiten zur GPL-Gesellschaft zu kommen,
und zwar
friedlich. Wir haben das wichtigste was wir brauchen, unseren freien
Willen, freie
Meinungsäußerung und unsere Privatsphäre.
Darum müssen wir am allermeisten kämpfen.
Eine ganz andere Frage, auf die ich auch keine Antwort habe. Meine
Position ist die: Mit dem Oekonux'schen Gedankengut können wir hier
und da eine gesellschaftliche Vision umreißen. Die Strategie wäre also
quasi, dahin zu gelangen.
Ich dachte schon immer mal an ein "World-Wiki" eine alternative
Gesellschaft zum
mitbasteln. Könnte man in so einem Rahmen die GPL-Gesellschaft definieren?
Ich hoffe, ich habe in Zukunft wieder mehr Zeit, diese Diskussion hier
zu verfolgen.
Es ist sehr inspirierend und wirklich erfrischend zwischen all dem
Zynismus ein
kleines Pflänzchen Idealismus zu finden.
Danke an alle für die tolle Arbeit hier,
Murphy
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Organisation: projekt oekonux.de