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Re: [ox] Freie Software und Eigentum an Informationsguetern



Hi Sabine und Liste!

Schön, dass du dich wieder mal meldest :-) .

BTW: Die Folien sind zum Teil aus dem Vortrag entnommen, den ich auf
der 2. Konferenz gehalten hatte
[http://zweite.oekonux-konferenz.de/dokumentation/texte/Merten.html]
und der wiederum stammt aus dem Paper, das den RLS-Preis gewonnen hat
[http://www.oekonux.de/texte/eigentum/ bzw.
http://www.opentheory.org/eigentum/text.phtml (aber OpenTheory mag
momentan wohl nicht :-( )]. Dort sind ein paar Dinge ausführlicher und
differenzierter überdacht. Für Kommentare, Diskussion, Kritik,
Anregungen bin ich natürlich jederzeit dankbar.

38 minutes ago Sabine Nuss wrote:
Aus Stefans Paper:
Eigentum
========

Eigentum wozu?
- --------------

o    Erweitert Freiheit über Verfügungs-/ Nutzungsmöglichkeiten

o    Schränkt Freiheit für die Nicht-EigentümerInnen ein

Positiv: Materieller Konsum, Geheimnisse

Könntest Du das noch näher ausführen, wieso am Eigentum "materieller
Konsum" und "Geheimnisse" positiv sind, bzw. was das bedeuten soll?

Nun ganz simpel den Apfel, der mir per Rechtstitel gehört, kann ich
ungestörter konsumieren, da der Rechtstitel mir quasi die Gewaltmittel
in die Hand gibt, wenn andere mich davon abhalten wollen. Das finde
ich ein nützliches Ding am Eigentum, das auch in einer
emanzipatorischen Vision auf irgend eine Weise gegeben sein sollte.
Hängt natürlich stark mit der konkreten Verfügbarkeit erwünschter
(materieller) Güter zusammen.

Und der Gedanke mit den Geheimnissen stammt aus der Frage, ob es
Informationsgüter gibt, bei denen die Einschränkung der
Nutzungsmöglichkeiten für Nicht-EigentümerInnen sinnvoll sein könnte.
Geheimnisse sind genau das: Wenn's alle wissen / nutzen können, ist
das Geheimnis keins mehr und hat seinen Gebrauchswert verloren.
Informationen aus der Privatsphäre wären ein Beispiel für diese Klasse
von Informationsgütern. Oder Passwörter.

o    Nutzung oder Eigentumsübertragung nur unter Bedingungen
(Kauf oder Lizenz)

o    Nutzungsausschluss ist Kern des Eigentums

Besonders augenfällig bei Informationsgütern (Lizenz)

o    Bei Informationsgütern fehlt die stoffliche Begründung

Stoffliche Begründung ist bei materiellen Gütern auf Grund
ihrer exklusiven Nutzbarkeit gegeben

Was heißt hier "exklusive Nutzbarkeit"? Willst Du darauf hinaus, dass
materielle Güter knapp sind im Gegensatz zu nicht-materiellen Gütern? Ich
glaub, das trifft es nicht ganz, was Du meinst, oder???

Nein, auch hier denke ich es differenzierter als es da steht. Sind
halt Folien für einen Vortrag und ich habe nur 30 bzw. 20 Minuten und
ein wenig vorbereitetes Publikum.

Egal, es ist
jedenfalls ein verbreitetes Argument, vielleicht wäre es gut, dazu dann
nochmal was zu sagen:

"Knappheit" ist immer gemessen am Bedürfnis knapp, sonst könnte ich nicht
von "Knappheit" sprechen, oder? Denn: Knapp - gemessen woran? Kann man
beispielsweise in Anbetracht der Vernichtung von Nahrungsmitteln (altes
Beispiel: Butterberg, etc.) oder den brachliegenden Agrarflächen in der EU
oder den nicht genutzten Produktionskapazitäten in den Fabriken in den
entwickelten Industrieländern tatsächlich von Knappheit bei materiellen
Gütern sprechen? Unbenommen, dass es keine Replikatoren gibt für stofflich-
materielle Produkte, aber auch diese Art der Produkte sind solange nicht
knapp, solange sie das tatsächlich vorhandene (nicht das zahlungsfähige!)
Bedürfnis der Menschen stillen können, bei aller Berücksichtigung von
ökologischen Aspekten und das wäre meines Wissens bei einer Menge von
stofflich-materiellen Produkten realisierbar, so dass die uns als solches
erscheinende Knappheit bei materiellen Gütern ebenso eine künstliche ist,
wie bei immateriellen Gütern, wie Software.

Dass "Knappheit" in eher wenigen Fällen eine stoffliche, also "natürliche"
Kategorie ist, sondern eine politische-ökonomische-soziale, kurz
gesellschaftliche, sieht man nicht zuletzt auch an den Prioritätensetzungen
von Staaten, wenn es darum geht, ihr Militär aufzurüsten.

Völlig d'accord und schöne Beispiele :-) . In der Kladde gibt es dazu
ein "Stichwort: Knappheit"
[http://www.oekonux.de/einfuehrung/kladde/default_13.html], auf dessen
Begriffsbildung ich mich gewöhnlich beziehe.

Aber wo wir gerade dabei sind, würde ich gerne hier noch versuchen
weiter zu denken. Mir ist nämlich aufgefallen, dass die Kategorie
Vorkommen nur eine sehr kleine Rolle spielt. Die allermeisten Dinge
unserer täglichen Welt sind nämlich Produkte. Sogar das Eisenerz und
das Erdöl ist in gewisser Hinsicht ein Produkt, weil menschliche
Arbeitskraft zu dessen Förderung und Verfügbarmachung notwendig ist.

Wie du richtig bemerkst, ist in den allermeisten Fällen nämlich die
Produktionskapazität der entscheidende Faktor für den Aspekt
Begrenztheit. Und dieser Faktor ist in vielen Fällen in weiten
Bereichen variierbar. Tatsächlich ist also die Versorgung mit
materiellen Gütern offenbar eine *extrem* gesellschaftlich bestimmte
Größe. Hmm... vielleicht habe ich das nur (immer) noch nicht genügend
verinnerlicht, dass wir es eigentlich andauernd mit Knappheit (d.h.
künstlicher Begrenzung) zu tun haben und habe es nur deswegen noch
nicht so völlig klar.

Geistiges Eigentum dient ausschließlich der künstlichen Verknappung
                                               ^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^

Hier versuche ich mich durch das Attribut "künstlich", über die
genannte Klippe zu hangeln. Ich hoffe, dass das Publikum das dann so
versteht.

Na - das gilt halt generell für Eigentum (zumindest seit und in der
kapitalistischen Warenproduktion). Eigentum (und "Geistiges Eigentum" ist
nur eine Unterart der Kategorie Eigentum) ist ja ein soziales Verhältnis
zwischen Menschen (keine "Sache" und auch kein Herrschaftsverhältnis über
"Sachen", wie es im Alltagsverstand und in der Jurisprudenz definiert wird)
und dieses Verhältnis besteht darin, dass der eine dem anderen sagen kann,
dass Ding da darfst Du nicht haben/nutzen/betreten, usw. (für einen
einsamen Menschen auf einer Insel wäre die Kategorie Eigentum daher auch
sinnlos). Dieses Verhältnis besteht auch beim Geistigen Eigentum, es ist
ein soziales, bzw. ein gesellschaftliches Verhältnis, welches im Kern die
Funktion hat, andere vom Zugang zu was-auch-immer fernzuhalten - unabhängig
(!) davon, wieviel davon insgesamt vorhanden ist, daher auch unabhängig von
der tatsächlichen stofflichen Daseinsweise der Dinge, auf die sich das
Eigentumsverhältnis bezieht. Daher: Egal ob materiell oder immateriell, das
(moderne) Eigentumsverhältnis beinhaltet immer eine Ausschlußfunktion.

Ja.

Aber es gibt hier wegen der exklusiven Nutzbarkeit - oder besser:
exklusiven Konsumierbarkeit - materieller Güter schon noch einen
Unterschied. Ich habe das auch noch nicht genau raus, aber ich sage
mal: Wegen der exklusiven Konsumierbarkeit materieller Güter ist es
leicht nachzuvollziehen, dass es hier exklusive Nutzungsrechte geben
sollte, dass es gesellschaftlich Sinn machen kann, eine solche
Institution einzurichten. (Im Paper würden Fälle, in denen es sinnvoll
ist, dann wohl mit dem Begriff Besitz bezeichnet.)

Bei Informationsgütern ist dies aber einfach anders, weil sie eben
nicht-exklusiv konsumierbar sind, weil sie - wie drückte es neulich
jemensch so schön aus? - wie ein Lichtlein sind, das von einer Kerze
an eine andere weitergegeben werden kann. Ich denke der Kern des von
der Musikindustrie so beklagten "mangelnden Unrechtsbewusstseins"
liegt genau darin. Und ich habe auch noch niemensch erlebt, der irgend
eine exklusive Nutzbarkeit von Informationsgütern behauptet hätte -
was ja bei IdeologInnen auch denkbar wäre. Aber sogar da geht's immer
nur um die Verwertung.

Du hast recht, dass es sich eigentlich um das Gleiche handelt. Aber
irgendwie ist es auch unterschiedlich. Das genauer zu kriegen, würde
mich sehr interessieren.

Bei Informationsprodukten ist es (noch) nicht gelungen, diese
Ausschlußfunktion durchzusetzen, daher können wir noch sehen und spüren und
realisieren, dass es hier keine "natürliche" Knappheit gibt. Möglicherweise
wird das in einigen Jahren anders sein, wenn (wenn!) Justiz und Technik und
Ideologie Erfolg hatten - in ihrem Zusammenspiel, denn nur in einem solchen
ist es möglich - mit ihren Ausschlussbemühungen, mit der Durchsetzung des
Privateigentumsregimes bei Informationsprodukten, vielleicht werden unsere
Kinder es gar nicht mehr merken, dass Informationsprodukte künstlich
verknappt werden, so wie wir es nicht mehr merken, dass materielle Produkte
auch künstlich verknappt werden, sondern denken, diese Knappheit sei
natürlich, stofflich.

*Sehr* schöner und wichtiger Punkt! Das werde ich noch in die Folien
einbauen.

Materielle vs. Informationsgüter
- --------------------------------

Ja, darauf will ich eigentlich die ganze Zeit hinaus: Ich würde hier den
Unterschied dieser beiden Güterarten nicht auf der stofflichen Ebene
machen, sondern nach dem Grad des Ausschlusses und den Mitteln des Vollzugs
dieses Ausschlusses (der Vollzug muss nämlich bei materiellen Dingen nicht
mehr groß vollzogen werden.

Ja, das ist so ein bisschen der Punkt: Aufgrund der stofflichen
Eigenschaften materieller Güter braucht es da oft gar keinen großen
Vollzugsapparat. Insbesondere nicht mehr bei Dingen, die schon
verkonsumiert worden sind (aka Müll).

Bei Informationsgütern muss dagegen ein Riesenapparat aufgefahren
werden, der umso größer wird, um so leichter und massenhafter Kopieren
möglich ist.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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