[ox] Freie Software und Eigentum an Informationsguetern
- From: Stefan Merten <smerten oekonux.de>
- Date: Sat, 26 Jul 2003 12:26:14 +0200
Liebe Leute,
ich bin relativ kurzfristig gebeten worden, auf dem so genannten
Vormittagsseminar "Patent und Copyright: Das virtuelle Öl des 21.
Jahrhunderts" der (deutschen) ATTAC-Sommerakademie
[http://www.attac.de/sommerakademie2003/] zwei Beiträge beizusteuern.
Zumindest für einen solchen Rahmen hatte ich da noch nichts
vorbereitet, so dass ich in den letzten Tagen kurzfristig was
zusammenstellen musste.
Darüber hinaus finde ich aber das Thema Eigentum immer wichtiger. Wenn
ich es in klassischen Terms ausdrücken will, dann würde ich sagen:
Leute mit revolutionärem Anspruch und reformistischem Tatendrang
müssten sich heute eigentlich auf dem Gebiet geistigen Eigentums
engagieren. Hier findet momentan konkret greifbar die
Auseinandersetzung zwischen dem alten Regime und den neuen
gesellschaftlichen Möglichkeiten statt. Hier wäre also Eingreifen
sinnvoll.
Gleichzeitig gibt es bei uns hier keine wirklich breite Diskussion zu
diesem Thema. Finde ich schade, aber vielleicht wird's ja. Ich fände
es auch super, wenn wir mittelfristig ein paar Folien zu diesem Thema
zur Kladde hinzufügen könnten.
Auf jeden Fall sende ich anbei nochmal rum, was ich mir bis eben für
die beiden Beiträge überlegt habe. Die Absätze ohne "o" vorne dran
sind nur Gedächtnisstützen für mich und nicht auf den Folien.
Kommentare sind auf jeden Fall erwünscht und vielleicht kann ich ja
damit auch ein wenig Diskussion anstoßen. Gute Gedanken kann ich bis
ca. Mittwoch auch noch aufnehmen (ich muss wohl materielle Folien
machen :-( ).
Mit Freien Grüßen
Stefan
--- 8< --- 8< --- 8< --- 8< --- 8< --- 8< --- 8< --- 8< --- 8< --- 8< ---
Freie Software und geistiges Eigentum
=====================================
Stefan Merten <smerten oekonux.de>
Hintergrund: Oekonux
--------------------
o Prinzipien der Entwicklung Freier Software
o Deren Potential für eine gesellschaftliche Entwicklung
o Besteht seit Mitte 1999 als virtuelles Diskussionsprojekt
o http://www.oekonux.de/
o 3. Konferenz 20.-23. Mai 2004 in Wien
Freie Software und geistiges Eigentum
=====================================
Copyright vs. Copyleft
----------------------
o Freie Software stützt sich auf das Copyright
Inklusive dessen Einklagbarkeit
Wenn auch noch nie vor Gericht getestet, aber vorgerichtlich
schon oft
o Dreht aber den Sinn von Copyright um
Entzieht nicht Rechte sondern gibt sie
GPL erzwingt sogar deren Gestattung
o Form: Lizenz
o Wichtigste Lizenz: Gnu GPL (General Public License)
Diese erzwingt die Vererbung der Rechte auf abgeleitete
Werke
Nach Statistiken stehen über 50% der Freien Software
unter dieser Lizenz
o Es gibt weitere Lizenzen
Wichtige Unterscheidung: Vererbung auf abgeleitete
Werke oder nicht
Copyleft ist ein genialer Trick
Dadurch wird Freie Software auf rechtlichem Boden
unangreifbar
Software-Patente vs. Freie Software
-----------------------------------
o Copyright geben Monopol auf eine bestimmte Ausdrucksform
D.h.: Die gleiche Idee in einer anderen Ausdrucksform ist ok
o (Software-)Patente geben Monopol auf eine Idee
Andere Patente schützen eigentlich deren technische
Umsetzung
o Eine Idee kann aber auch in Freier Software verwendet werden
o Problempotential für EntwicklerInnen
Diese können tendenziell durch die PatentinhaberInnen
verklagt werden
Software-Patente bilden eine Gefahr für Freie Software
Praxis Freier Software
======================
Informationsfluss in der Freien Software
----------------------------------------
o Alles liegt offen
o Offene Quellen
Programm-Code liegt in menschenlesbarer Form vor
o Soziale Interaktion
Ist in der Regel öffentlich
Mailing-Listen
o Daher: Niedrige Einstiegsschwelle
Niemensch muss sich in die Entwicklung einkaufen
Niemensch muss Non-Disclosure-Agreements zustimmen
Fähigkeit auf dem jeweiligen Gebiet braucht es natürlich
immer
o Jedes Eigentumsregime müsste diese Offenheit zerstören
Zur Begründung siehe den weiteren Beitrag
Freier Informationsfluss bildet fundamentale Grundlage
Informationsgüter
-----------------
o Materielles Substrat ist notwendig
Buch, CD, Gehirn
o Materielles Substrat ist nicht entscheidend
o Kopierbarkeit
War immer gegeben
Heute besonders einfach für digitale Information
o Informationsgut wird durch Verbreitung nicht weniger
o Informationsgüter waren immer wichtig
Wissen auch z.B. bei Handwerkern
o Informationsgüter sind heute von entscheidender Bedeutung
Weil auf dem aktuellen Produktivitätsniveau ohne
Informationsgüter materielle Güter nicht mehr denkbar sind
Informationsgüter unterscheiden sich fundamental von materiellen
Gütern
Dieser fundamentale Unterschied hat entscheidende Folgen
Kreativität braucht Freiheit
----------------------------
o Produktion von Informationsgütern ist wesentlich kreatives
Schaffen
o Nicht-kreative Anteile erledigt der Computer
Ähnlich wie Verlagerung der lästigen Anteile
körperlicher Tätigkeit auf Maschinen
o Grundlage kreativen Schaffens ist Selbstentfaltung
o Selbstentfaltung ist Ausleben individueller Freiheit
o Geistiges Eigentum schränkt Selbstentfaltung ein
Durch Verknappung / Geheimhaltung
o Erfolg Freier Software demonstriert die Leistungsfähigkeit
Hohe Qualität entsteht genau durch Selbstentfaltung
Geistiges Eigentum schadet der Kreativität
Freie Software zeigt:
---------------------
o Ohne Verknappung blühen Informationsgüter auf
Auch in anderen Bereichen: Wissenschaft, Musik, Kochrezepte
o Entfremdete Anreize sind überflüssig
Motivation wird durch entfremdete Anreize sogar gestört
o Nutzen für viele ist sehr hoch
Breite Benutzbarkeit
Breite Bildungsmöglichkeiten im Software-Bereich
o Nutzen für einzelne ist sehr hoch
Produktqualität ist höher ohne Verknappung
Freie Software ist eine Keimform
In ihr zeigen sich exemplarisch neue Qualitäten
Lebensqualität braucht Kreativität
----------------------------------
o Hohe Produktqualität ist eine Folge hoher Kreativität
o Der Informationsgesellschaft ist Produktion von
Informationsgütern wesentlich
o Der Industriegesellschaft ist Produktion materieller Güter
wesentlich
o Die wesentliche Produktion dominiert das gesellschaftliche
Ganze
Geistiges Eigentum schadet der Menschheit
--- 8< --- 8< --- 8< --- 8< --- 8< --- 8< --- 8< --- 8< --- 8< --- 8< ---
Pro und Kontra geistiges Eigentum
=================================
Stefan Merten <smerten oekonux.de>
Eigentum
========
Eigentum wozu?
--------------
o Erweitert Freiheit über Verfügungs- / Nutzungsmöglichkeiten
o Schränkt Freiheit für die Nicht-EigentümerInnen ein
Positiv: Materieller Konsum, Geheimnisse
o Nutzung oder Eigentumsübertragung nur unter Bedingungen
(Kauf oder Lizenz)
o Nutzungsausschluss ist Kern des Eigentums
Besonders augenfällig bei Informationsgütern (Lizenz)
o Bei Informationsgütern fehlt die stoffliche Begründung
Stoffliche Begründung ist bei materiellen Gütern auf Grund
ihrer exklusiven Nutzbarkeit gegeben
Geistiges Eigentum dient ausschließlich der künstlichen Verknappung
Materielle vs. Informationsgüter
--------------------------------
o Materielle Güter unterscheiden sich fundamental von
Informationsgütern
Materielle Güter verbrauchen sich durch Nutzung
Informationsgüter vermehren sich durch Nutzung sogar
tendenziell
o Mangels sachlicher Knappheit ist Verwertung von
Informationsgütern schwierig
Knappheit ist die Grundvoraussetzung für Verwertung
Ohne drakonische Maßnahmen bricht deren Verwertung
tendenziell zusammen
Das ist die Angst der Musikindustrie
o Eigentum an materiellen Gütern ermöglicht deren Nutzung
o Eigentum an Informationsgütern verhindert deren Nutzung
Informationsgüter und digitale Kopie
------------------------------------
o Geistiges Eigentum ist historisch relativ jung
Geistiges Eigentum ist synonym für Eigentum an
Informationsgütern
o Entstand mit der Verwertbarkeit von Informationsgütern
Bücher, Schallplatten und Vorläufer
o Kopieren war schon immer "das Problem"
o Bisher: Massenhaftes Kopieren nur mit großen Produktionsmitteln
Monopol an großen Produktionsmitteln sichert Monopol über
die Kopierbarkeit
Historisches Beispiel: Tonbänder und CompactCassette wurden
von der Musikindustrie als Bedrohung wahrgenommen, da sie
deren Monopol an Produktionsmitteln in Frage stellten
o Jetzt: Digitale Kopie flächendeckend verfügbar
o Via Computer für jeden Haushalt
Computer sind wesentlich Kopiermaschinen
o Via Internet im globalen Netz
Internet ist wesentlich ein globales Fernkopiernetzwerk
Digitale Kopie bildet einen historischen Wendepunkt
Genauer: Deren flächendeckende Verfügbarkeit
Monopol auf Kopiermaschinen unwiderruflich gebrochen
Eigentumsregime wird für Informationsgüter de facto
ausgehebelt
Pro und Kontra geistiges Eigentum
=================================
Pro: Ermöglicht Kapitalverwertung
---------------------------------
o Indem künstlich Knappheit erzwungen wird
o Die dann gegen klingende Münze aufgehoben wird
o Nutznießer ist die Verwertungsindustrie
Bei Musik: Und nicht etwas die KünstlerInnen
Schon gar nicht die ohne Plattenvertrag
Bei Software: Stichwort Informationsrente
o Heute nur noch mit drakonischen Maßnahmen durchsetzbar
Ist die Welt des Geldes noch möglich?
Kontra: Zur allgemeinen Reichtumsmehrung
----------------------------------------
o Freie Software zeigt beispielhaft
o Freier Fluss an Informationsgütern nutzt allen
Freie Software nutzt allen, die sie nutzen wollen
o Ohne Knappheit entsteht mehr Reichtum
Selbstentfaltung als Grundlage schafft bessere Freie
Software
o These: Dies gilt tendenziell für alle Informationsgüter
o Wissenschaft postuliert dies schon lange
Auch wenn es da in der Praxis harte Grenzen gibt
o Andere Beispiele zeigen dies ebenfalls
Kochrezepte
Eine andere Welt ist besser!
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de