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Re: Fair use (was: Re: [ox] Rundschauartikel)



Guten Morgen Thomas & der Rest,

Am Dienstag, 11. Dezember 2001 01:44 schrieb Thomas Uwe Gruettmueller:

Schrankenbestimmungen am Beispiel des deutschen UrhG:
...

In allen anderen Fällen ist die Zustimmung des
Urhebers/Rechteinhabers einzuholen.

Was du mal eben unterschlägst, ist daß für die meisten dieser
Nutzungsarten eine Vergütung fällig wird.

Es ist natürlich richtig, daß ggf. Vergütungsansprüche seitens der 
Urheber/Rechteinhaber gestellt werden können. In der Regel wird das über die 
Verwertungsgesellschaften laufen, d.h. in diesem Fall über die VG Wort.

Das habe ich aber für sekundär erachtet. Im Vordergrund stand die Frage nach 
der urheberrechtlichen Zulässigkeit der Verwendung und der ggf. 
notwendigen/nicht notwendigen Eraubniserteilung durch den/die 
Urheber/Rechteinhaber. Der Vergütungsanspruch ist ein Rechtsanspruch der 
Rechteinhaber, die Verwendung -im Rahmen der Schrankenbestimmungen- ein 
Rechtsanspruch der Nutzer. Das sind zwei Schuhe eines Paares.

Der entscheidende Paragraph¹ ist hier wohl:
| § 49 Zeitungsartikel und Rundfunkkommentare
|
| 1. Zulässig ist die Vervielfältigung und Verbreitung einzelner
|    Rundfunkkommentare und einzelner Artikel aus Zeitungen und
|    anderen lediglich Tagesinteressen dienenden
|    Informationsblättern in anderen Zeitungen und
|    Informationsblättern dieser Art sowie die öffentliche
|    Wiedergabe solcher Kommentare und Artikel, wenn sie
|    politische, wirtschaftliche oder religiöse Tagesfragen
|    betreffen und nicht mit einem Vorbehalt der Rechte versehen

                         ^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^
                         Hmmm... Was heißt das?
                         "(C) 20xx Blabla. All Rights Reserved"?

(C) galt nur im [anglo-]amerikanischen (Rechts-)Raum und wies -vor dem 
Beitritt der USA zur revidierten Berner Übereinkunft (RBÜ)- auf die erfolgte 
(bzw. angestrebte) Registrierung beim Copyright-Office hin, die formelle 
Voraussetzung für den gesetzlichen Copyright-Schutz war. Ist inzwischen 
-rechtlich- überflüssig, weist lediglich auf die Schutzfähigkeit des 
Gegenstandes hin. Kontinentale Urheberrechtssysteme kennen solche formalen 
Erfordernisse etwa für Schriftwerke schon lange nicht mehr.

[Manche Dinge sind in den USA generell nicht schutzfähig, etwa bestimmte 
Texte der Regierung, Gesetze u.a.m.]

Dem "All Rights Reserved" entspricht in D das "Alle Rechte vorbehalten", das 
man manchmal unter Veröffentlichungen findet. In diesem Fall würde dann die 
entsprechende Formulierung in § 49 (1) greifen, d.h. die Veröffentlichung 
wäre unzulässig. Der Hinweis muß allerdings an der Veröffentlichung selbst 
angebracht sein. Welchen tieferen Sinn das hat, konnte ich allerdings den 
Gesetzeskommentaren nicht entnehmen. Die waren nicht aussagekräftig, scheint 
also in der Praxis (bisher) von sehr untergeordneter Bedeutung zu sein.

Also, es scheint zwar nach Punkt 1 legal zu sein, den Artikel
ins [ox]-Archiv einzuspeisen und damit auch im Web abrufbar zu
halten; 

Vorsicht! Der Paragraph bezieht sich im Wortlaut auf "Zeitungsartikel und 
Rundfunkkommentare". Da die Schrankenbestimmungen immer "eng" auszulegen 
sind, müßte ein Mailinglisten-Archiv als "Zeitung" bzw. "Rundfunk" oder als 
ein funktionales Äquivalent einzustufen sein. Das wäre aber zu prüfen, 
pauschal kann man davon nicht ausgehen.

Dazu Engels zu §49 in Möhring/Nicolini: Urheberrechtsgesetz. Kommentar, 2. 
Aufl., Vahlen, München 2000, S.486:

<<Die Vorschrift ist daher keine Sonderregelung zugunsten der periodischen 
Presse oder des Rundfunks (Schricker/Melichar Rdnr. 1; a.A. Elster UFITA 4 
(1931) 215, 247), vielmehr dient sie auch anderen Medien, wenn und insoweit 
sie ebenfalls den Kommunikations- und Meinungsbildungsprozeß fördern oder 
ermöglichen. Folglich profitieren dann auch andere Informationsblätter (z.B. 
Pressespiegel, Nachrichtendienste, Korrespondenzen o.ä., s. Rdz. 9) von 
dieser Norm.>>

Wie man sieht, bezieht sich das auf "Blätter" und "Rundfunk", das Internet 
ist hierbei noch nicht vorgesehen.

Man müßte also anderweitig nachsehen, z.B. im Teledienstegesetz und im 
Mediendienstestaatsvertrag, ob man ein funktionales Äquivalent begründen 
könnte. Dort würde man herausfinden, daß die Mailingliste vermutlich als 
Teledienst und das Listenarchiv als Mediendienst eingestuft werden können, 
denn die Mailingliste ist der Öffentlichkeit nicht unmittelbar zugänglich und 
wendet sich an einzelne Teilnehmer. Das Archiv ist dagegen der Öffentlichkeit 
ohne weiteres zugänglich und wendet sich nicht an einzelne User.

Und dann wird es ganz haarig ...

[Das alles ist der unterschiedlichen Zuständigkeit von Bund und Ländern 
geschuldet.]

Fazit: Bis es passende Präzedenzfälle für das Internet gibt, muß man mit der 
(Rechts-)Unsicherheit leben.

allerdings könnte es sein, daß irgendwann mal eine
Verwertungsgesellschaft angeschissen kommt und Geld sehen will.

Da würde ich fast drauf wetten ...


Problematisch wird es vielleicht auch, wenn eines Tages die
Artikel im Archiv nicht mehr "politische, wirtschaftliche oder
religiöse Tagesfragen betreffen".

Das ist, denke ich, nicht so eng auszulegen. Wenn es um Fragen mit 
öffentlichem Interesse geht, also um mehr als bloß Privates, ist man im 
grünen Bereich.

Gruß, Robert

-- 
Von/From: Dipl.-Inform. Robert Gehring
E-Mail:   rag cs.tu-berlin.de
privat:   zoroaster snafu.de
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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