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Re: [ox] Produktivkraftniveau und Selbstentfaltung



Hi,

Benni Bärmann wrote:

>>jetzt bist du mal an der Reihe, uns Stefans zu verwechseln (ich war der
>>mit Kritischen Psychologie), aber sei's drum;-)
>
> Nein, das war mir schon bewusst. Ich kann euch inzwischen recht gut
> auseinanderhalten :-)

Ach so, na ja, dann hat mich nur verwirrt, dass du ein Zitat von
StefanMn genommen hast. Anyway...

>>Selbstentfaltung ist kein originärer Begriff aus der Kritischen
>>Psychologie, aber IMHO dennoch inhaltlich voll kompatibel. Ich habe das
>>mal so übersetzt. Der Begriff heisst dort eigentlich "verallgemeinerte
>>Handlungsfähigkeit". Er taucht dort mit seinem Kumpel, der "restriktiven
>>Handlungsfähigkeit" auf. Übersetzt dann "Selbstentfaltung mit den
>>Anderen" versus "Durchsetzung auf Kosten anderer".
>
> Hm. Warum hasst Du das dann überhaupt übersetzt?

Die Geschichte ist länger. Kurz gesagt geht sie so, dass ich erst mit
dem Begriff "Selbstentfaltung"/"Durchsetzen auf Kosten" völlig ohne
einen Gedanken an die Kritische Psychologie hantierte. Dann fiel mir
später auf, dass ich damit einen sehr passenden Beschreibungsbegriff für
das gefunden hatte (oder übernommen hatte, ist ja nix so Neues), was
analytisch mit dem Begriff der restriktiv/verallgemeinerten
Handlungsfähigkeit gefasst ist. Ist einfach so, dass die Kritische
Psychologie auch unter völliger Abwesenheit der Fachtermini mein
Herangehen an Welt stark strukturiert.

Inzwischen finde ich "Selbstentfaltung" - gerade auch mit der
inhaltlichen Präzisierung und Abgrenzung zu "Selbstverwirklung" -
einfach treffend. Schon der Begriff vermeidet Personalisierung, sondern
legt die Aufmerksamkeit auf Situationen, denn "Selbstentfaltung" ist ja
auch keine "personale Eigenschaft", sondern eine Handlungsmöglichkeit
bzw. eine Art Handlungsmodus in bestimmten Situationen oder
Zusammenhängen. Das gefällt mir.

Seine "Handlungsfähigkeit zu erweitern" ist allerdings auch prima, denn
es guckt auf die machbaren Möglichkeiten hier und heute.
Selbstentfaltung hört sich demgegenüber "weiter weg" und "größer" oder
"umfassender" an. Obwohl das ja nicht gemeint ist, es gibt ja auch stets
kleine Schritte. Na, das nur so in die Nacht gedacht...

>>"Handlungsfähigkeit" ist _die_ zentrale Kategorie der Kritischen
>>Psychologie. Davon handeln folglich viele Texte. Am gründlichsten wird
>>das in der "Grundlegung der Psychologie" entwickelt auf schlappen 580
>>Seiten. Ein geniales Buch, aber sehr wissenschaftlicher Sprachduktus.
>
> Na, das werd ich mir dann vielleicht auch mal zu Gemüte führen bei
> Gelegenheit.

Oha, viel Glück. Nur als allgemeine Möglichkeit, vielleicht ergibt sich
ja mal wieder was: Annette hatte mal ein Seminar organisiert, auf dem
ich in drei Tagen dieses Buch "erzählt" habe. Das war unglaublich, aber
das ging (und es waren 25 Leute dabei).

>>Ich habe vergessen, was ich dir letztens empfahl, aber zum Reinlesen
>>eignet sich eine Tonbandabschrift eines Vortrages von Klaus Holzkamp
>>kurz, nach dem er die "Grundlegung..." veröffentlicht hatte ("Der Mensch
>>als Subjekt wissenschaftlicher Methodik").
>
> Genau das hattest Du mir u.a. empfohlen und das hab ich inzwischen auch
> gelesen. Ich fands garnicht so kompliziert. Ich hatte da aber glaub ich noch
> ein paar Fragen zu, die kann ich ja mal bei Gelegenheit per PM an Dich
> schicken, oder?

Wenn keine Proteste kommen - warum nicht über die Liste? Off topic?

>> > Ich würd es also eher so sehen, dass man zu jedem historischen
>>Zeitpunkt und
>> > an jedem Ort die Gesellschaft auf Selbstentfaltung umbauen kann, dass es
>> > aber zu unserem Zeit/Ort-punkt sinnvoll ist, dazu die schon in der
>> > Produktivkraftentwicklung angelegten selbstentfalterischen Tendenzen zu
>> > nutzen.
>>
>>Das sehe ich ähnlich, sprich: nicht ganz so. Bestimmte
>>Entwicklungsschritte waren - von heute aus gesehen - einfach notwendig.
>>Das heisst aber nicht, das es so kommen musste, vielleicht wäre es auch
>>anders gegangen. Ist aber nicht. Von daher finde ich es ein wenig
>>müssig, die Frage zu entscheiden, ob Selbstentfaltung als
>>Vergesellschaftungsprinzip auch anderenzeits möglich gewesen wäre.
>>Individuell gab es das sowieso immer wieder mal.
>
> Ich hab oben schon absichtlich Zeit _und_ Ort erwähnt. An anderen Orten wird
> nämlich auch heute noch oft auf ganz anderem Niveau produziert. Das wurde
> hier ja auch schon oft als Kritikpunkt an der Linuxkeimformthese angesehen,
> dass die nur für die Metropolen taugt und die weltweite Situation ausser
> acht lasse.
>
> Und anderenzeits wäre ja vielleicht interessant um zu gucken, ob es denn da > nicht vielleicht schonmal "Keimformen" gegeben hat und warum aus denen nix
> wurde.

Ja, stimmt, wäre interessant. Schärft den Blick auf heute.

Ciao,
Stefan

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