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Re: [ox] Re: Kritik, Widerstand, Perspektive



Hi Benni!

Da waren auch noch Threads von vor den Anschlägen. Sogar Bush hat sich
ja gewünscht, daß wir zur Normalität zurückkehren sollen. Tu ich ihm
halt auch mal einen Gefallen ;-) .

2 weeks (15 days) ago Benni Bärmann wrote:
On Tue, Sep 11, 2001 at 11:08:43PM [PHONE NUMBER REMOVED], Stefan Merten wrote:
Wenn ich ihn recht verstanden habe, dann fällt für ihn vor allem das
Dämme und Schiffe bauen zusammen - und zwar - zugespitzt - als einzige
Option.

Aha. Komisch, hab ich ganz anders verstanden.

Ich hatte ihn auch schon mal hier in KL erlebt, wo wir ihn mal von der
Kritischen Uni eingeladen hatten. Bleibender Eindruck kann ich da nur
sagen...

Witzigerweise waren außer Christoph Spehr, der ein heißer Kandidat
wäre, und Annette übrigens alle Leute dieses Podiums schon mal bei der
Kritischen Uni :-) .

Aber auch Eliten brauchen Freiräume. Das zeigt doch gerade die FS.

Das stimmt. Auch die Bürgers brauchten Freiräume von der
Feudalgesellschaft.

Aber: In beiden Fällen habe sich die Eliten die Freiräume im
wesentlichen selbst geschaffen - bzw. wurden/werden historisch
begünstigt. Ob da der Dammbau eine entscheidende Rolle spielt wäre
vielleicht wirklich nochmal genauer zu untersuchen.

Die ersten bürgerlichen Revolutionen und Aufstände haben sich an meist recht
konkreten Zumutungen entzündet.

Du darfst nicht den Aufstand, die Erhebung mit der Revolution an sich
verwechseln. Ein bloßer Aufstand macht noch keine Revolution. In der
Sowjetunion war der Oktober auch nur ein Markstein in einer
Entwicklung.

Das sind jetzt Jörg B.'s Erregungskorridore. Ich bin da skeptisch...

Ja. Worin genau besteht Deine Skepsis?

Widerstand ist erstmal eine Anti-Haltung. Aus der folgt aber erstmal
gar nichts.

Das ist eine allgemein Skepsis zu Widerstand. Ich wollte aber wissen, was Du
speziell an Jörgs Variante auszusetzen hast. Er macht ja gerade durch seine
"Erregungskorridore" deutlich, dass es ihm um mehr geht, als nur den Akt des
Widerstands an sich.

War auch auf dem Workshop: Die Erregungskorridore sind erstmal leer.
Die Benetton-Plakate mit den Katastrophenbilder (aber auch andere
Werbung) schafft erstmal die gleichen Erregungskorridore, die Jörg so
liebt. Genauso inhaltsleer und deswegen mit beliebigem füllbar. Das
"www.kernenergie.de" auf den Castoren neulich fand ich eine prima
Anwendung von genau den Erregungskorridoren, die Jörg so gerne
schafft.

Meine Kritik ist jetzt, daß es nicht darum gehen kann, nur mal kurz
den Adrenalinspiegel zu heben. Das schaffen Populisten aller Couleur
allemal.

Mir geht es auch nicht um Widerstand an sich, sondern darum, dass man das
mit Perspektive und Kritik verbinden muss.

Ein perspektivischer Widerstand *muß* die Perspektive m.E. vorher
haben und daran den Widerstand anbinden, der immer schon auf das
perspektivische andere hindeuten muß.

Klar gibt es wichtige Effekte bei konkreten Widerstandsaktionen -
Gruppengefühl, Solidarität, das Erleben eigener Macht etc. Aber das
sind keine Sachen, die dem Widerstand vorbehalten sind, sondern, die
kannst du auf vielen Feldern menschlicher Existenz machen. Dafür
*braucht's* also erstmal keinen Widerstand. (Es wäre aber vielleicht
mal interessant zu erfahren, warum einige Linke diese Erfahrung
offenbar vor allem dort machen...)

Vor allem gibt es aber manchmal die Chance konkret etwas zu verbessern. Wenn
man zum Beispiel eine Abschiebung durch eine Widerstandsaktion verhindern
kann, ist das doch klasse. Oder eine Nazidemo. Oder ein Patentgesetz, btw.

Klar ist das Klasse. Aber Widerstand - insbesondere Erregungskorridore
hervorrufender - ist nur eine Form davon. Ich bin ja gar nicht
grundsätzlich gegen Widerstand - wie gesagt Dämmebauen. Aber ich kann
nicht erkennen, wie daraus Perspektive wächst.

Aus Widerstand folgt aber wie gesagt erstmals gar nichts - die Frage
mit dem Gegenteil von Blau. Die Negation ist nur Nein! und kein Ja!
:-( . Und sie begünstigt auch Kritik nicht. Um eine Analyse der
beschissenen Welt zu machen - d.h. Kritik -, dazu brauche ich keinen
Widerstand. Der vernebelt mir da eher den Sinn.

Das genau sehe ich anders. Das klärt auch den Sinn, wenn man z.B. Repression
mal etwas hautnäher erlebt.

Inwiefern? Hautnahe Repressionserlebnisse dürften vor allem erstmal
zornig machen. Oder verängstigt - je nach Naturell. Und die Erfahrung
an sich macht natürlich auch noch mal was klar, was vorher vielleicht
nicht geglaubt oder gewußt wurde. Insofern klärt es was. Aber die
Emotionen? Klären die? Na, vielleicht bin ich manchmal einfach zu kühl
;-) .

Meine Erfahrung ist durchaus, dass es
funktionieren kann.

Ja. Kann. Mir wäre es aber wichtiger, den Widerstand als notwendiges
Übel zu betrachten anstatt ihn zu vergötzen (wie Jörg B. das tut...).

Na, vergötzen würd ich das auch nicht.

Für mich ist das alles hier eh nur "notwendiges Übel". In Wirklichkeit hasse
ich Oekonux ;-)

Da ist durchaus viel Wahres dran. Mir wäre es auch x-mal lieber, ich
müßte nicht erst für die Welt sorgen, in der ich leben will. Aber bis
dahin brauche ich und wohl einige andere hier diesen Laden denn doch
noch.

Und manchmal macht's ja sogar total Spaß ;-) .


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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