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Kritik, Widerstand, Perspektive (was: Re: [ox] Konferenz-Beitrag: Warum Freie Software dem Kapitalismus nicht viel anhaben kann - aber vielleicht trotzdem etwas mit)



Hi Benni und alle!

6 days ago Benni Bärmann wrote:
Wobei hier vielleicht
einfach unterschiedliche Vorstellungen von "kritischer Theorie" zu Grunde
liegen. Ich hatte es in dem umfassenden Sinn verstanden, den ich weiter
unten noch mal kurz skiziere.

Dann wählt bitte eine andere Bezeichnung, denn die "Kritische Theorie"
ist eine Bezeichnung für die "Frankfurter Schule", Horkheimer, Adorno,
Marcuse, Fromm, z.T. Habermas etc. Wobei witzigerweise
Horkheimer/Adorno die Bezeichnung "Kritische Theorie" für die
Marx'sche Theorie benutzt haben - bei den Nazis war das wohl sicherer.

Oder macht das Kleine "k" da schon alles Klar ;-) ?

Stefan Mn. schrieb:
Das nun ist schlicht falsch. Die Abwehr ganz konkreter Zumutungen ist
nicht auf die Zukunft gerichtet und trotzdem wichtig.

Ja, genau. Diese Abwehr setzt aber Kritik (Dekonstruktion,
Begreifen, Erfassen, usw.) voraus, aber jetzt will ich mich nicht
wiederholen...

Ich denke die setzen sich gegenseitig vorraus.

Bzw. sollten Hand in Hand gehen - ja, das denke ich auch.
Theoriebildung ist m.E. immer ein Hand in Hand von Dekonstruktion (der
Realität) und Rekonstruktion (der Realität) als Theorie. Eine neue
Theorie schafft quasi eine neue Sicht der Welt, ein neues Paradigma.

Wir hatten das in dem
"Reibung erzeugt Wärme"-Workshop (Ich glaub, Du warst nicht da, oder?)
Irgendjemand (Heinz Weinhausen?) hat so eine Drei-Teile-Torte aufgemalt mit
Widerstand, Kritik, Perspektive - die sich eben alle gegenseitig bedingen
und vorraussetzen.

Wenn ich Dich jetzt richtig verstanden habe (korrigier mich!), dann siehst
Du da ein mehr oder weniger striktes Nacheinander also erst Kritik, dann
Widerstand, dann Perspektive.

Ja, so habe ich das auch verstanden. Wobei meine Kritik war, daß die
Kritik eigentlich nie erledigt ist und damit alles weitere hinten
runterfällt.

Ich glaube das reicht so nicht.

Weil ich grad nix besseres zu tun hab,

Seufz... Muß es dir gut gehen...

versuch ich mal alle 6 Richtungen
nach alter dröger Mathematikerart aufzudröseln:

Keine schlechte Idee.

1. Kritik -> Widerstand: Man muss sich klar machen wogegen man warum Widerstand
leistet, logisch.

Nun, Kritik im hier verstandenen Sinne geht aber weiter als einfaches
Unwohlsein/Not, daß sehr wohl Widerstand hervorrufen kann.
Brotaufstände sind Widerstand aber ohne Kritik.

2. Widerstand -> Perspektive: Widerstand gegen Zumutungen schafft Räume um sich
Perspektiven zu erarbeiten (Dämme bauen für Schiffebauer)

Das sieht Jörg Bergstedt ja anders - aber das nur BTW.

Ich weiß aber auch gar nicht, ob die Schiffebauer die Dämme so
unbedingt brauchen. Durchgreifende Revolutionen sind immer(?) von den
Eliten ausgegangen - nicht von den Entrechteten. Das kann vermutlich
Christoph mit VP-irgendwas (ich mag Abkürzungen nur bedingt...)
belegen.

3. Perspektive -> Kritik: Man muß ja wissen, warum man das Bestehende
ablehnt, eben weil man sich was spezifisches Besseres wünscht.

Wichtiger Punkt! Wenn ich nicht wenigstens ein bißchen Vorstellung von
etwas Besserem habe, warum sollte ich Kritik üben? Aber das leugnen
die KritikerInnen halt gerne...

Und Kritik
ohne Perspektive wird auch schnell richtungslos. Nazis kritisieren auch.

4. Widerstand -> Kritik: In Zeiten des Widerstandes gibt es viele
Möglichkeiten Kritik zu entwickeln, zu äußern und dabei gehört zu werden.

Das sind jetzt Jörg B.'s Erregungskorridore. Ich bin da skeptisch...

5. Kritik -> Perspektive: Eine Perspektive ohne Kritik bleibt purer
Utopismus.

Genau!

Nur eine analytische Durchdringung des Ist-Zustandes vermag
der Perspektive Glaubwürdigkeit zu verleihen und vor allem zu Begründen, was
man denn _anders_ machen will.

Und was mensch beibehalten und - mir am wichtigsten - was in einem
dialektischen Prozeß aufgehoben werden soll.

6. Perspektive -> Widerstand: Ohne Perspektive wird Widerstand sinnlos weil
am Ende immer zum Scheitern verurteilt. (Ohne Schiffebauen hält der größte
Damm irgendwann nicht mehr)

Ohne Perspektive ist Widerstand vor allem einfach nur konservativ.

Naja, das ist jetzt sehr kurz und knapp.

Aber ein netter Anfang :-) .


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

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