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Re: [ox] Re: Kooperation



Hi Ralf,

RalfKrae aol.com schrieb:
als 1., gibt es als Modi der Vergesellschaftung weiterhin (zufällige
Reihenfolge):
2. unmittelbare Kommunikation und Kooperation (das ist ja nicht nur
Utopie,
sondern findet in vielen Bereichen des Zusammenlebens durchaus statt, hat
aber seine Grenzen, allgemeine und im Kapitalismus noch besondere)
3. kulturell internalisierte Normen
4. Zwang, letztlich mit Gewalt sanktioniert (wobei wenn das von einem
demokratisch noch etwas kontrollierbaren Staat ausgeht, es allemal
besser ist
als von einem diktatorischen Staat oder von irgendwelchen Banden oder
Einzelpersonen).

 Völlige Zustimmung, und mir fallen noch mehr ein.

Welche denn? Mir fallen nämlich keine ein, die ich nicht unter eine der
genannten subsumieren könnte. Würde mich interessieren.

Familie, Kindergarten, Schule, Uni, Architektur, Medien,
Arbeitsorganisation usw. - steckst du die in deine "Modi"?

 Ich behaupte nur, dass
 die Wertvergesellschaftung bestimmend ist. "Bestimmend" meine ich im
 Sinne eines allgemeinen "Mediums", in dem sich alle Vermittlungsformen
 bewegen (müssen). Das heisst nicht, dass sie durch den Wert
 "determiniert" sind, sondern sich andauernd zur Tatsache des Werts und
 seiner Dynamik etc. verhalten müssen. Das ist entscheidend - auch für
 das Verstehen meiner danach folgenden Überlegungen.

So formuliert könnte ich vielleicht folgen, aber weiter unten schreibst du
über die gen. 4 Vergesellschaftungsmodi etwas anderes, nämlich:

 Sie sind für mich nicht voneinander unterschieden - wie dargestellt. Es
 sind unterschiedliche Aspekte ein-und-desselben "Modus". Aber das ist
 nur Sprachspiel.

Ich meine schon, bei aller Prägung durch und Dominanz der kapitalistischen
Wertvergesellschaftung, dass die anderen eben andere sind und nicht nur
unterschiedliche Aspekte des selben und hatte oben verstanden, du würdest das
teilen. Was denn nun?

Ertappt, ungenau. Ich sehe nur einen Modus und viele Vermittlungsformen
in diesem Modus. Deswegen fallen mir auch so viele ein und nicht nur
Kommunikation, Kultur und Zwang. Aber du sprichst ja auch von
"Dominanz". Also sind die anderen Vermittlungsformen nicht die
Dominanten. Ich habe das lässig "Aspekte" genannt - was ihrer jeweiligen
Eigengesetzlichkeit natürlich nicht gerecht wird (etwa der Bedeutung des
Christentums, wie schon genannt wurde). Ok.

 Dein Tauschbeispiel liegt auf der unmittelbar kooperativen Ebene. So
 kannst du Tausch auf der gesellschaftlichen Ebene nicht denken (wie die
 bürgerliche VWL). Um die gehts mir aber. Und auf dieser Ebene geht es
 andauernd um das Durchsetzen auf Kosten anderer, das geht einfach nicht
 anders.

Aber diese gesellschaftliche Ebene ist eben nicht angemessen zu begreifen nur
oder primär als geprägt durch Tausch, sondern spezifischer als
kapitalistische Gesellschaft.

Nichts anderes habe ich eingewandt, oder?

Und auch dann gilt noch der genannte Aspekt,
dass der Tausch auch ein Verfahren ist, sich Mittel zur Befriedigung von
Bedürfnissen zu verschaffen und eben nicht durch Raub, sondern auf einer
gewissen Basis von Äquivalenz und Freiwilligkeit.

Mit Freiwilligkeit würde ich vorsichtig sein. Wenn du es als
"historischen Begriff" siets, ok. Auch die Wahl aus lauter
sachzwangförmig strukturierten Alternativen geschieht freiwillig. Wir
groß der Möglichkeitsraum ist, ist historisch bestimmt.

Sicher gibt es soziale
Zwänge, muss man kaufen, um Leben zu können und (die meisten ihre
Arbeitskraft) verkaufen, um kaufen zu können und hängt in der ganzen
Konkurrenz drin etc. Dennoch: ich kaufe eine Ware, weil sie mir ein Bedürfnis
befriedigt und niemand zwingt mich dazu.

Hey, so naiv bist du doch nicht. Guck dir den Möglichkeitsraum an:
"Kaufen" ist darin seeehr dominant. Was bleibt dir also...

Ich verkaufe meine Ware (ggf. meine
Arbeitskraft), damit ich etwas kaufen kann, was mir ein Bedürfnis befriedigt.

Das findest Du, ist kein Sachzwang?

Als Lohnabhängiger schade ich damit nicht unmittelbar anderen, sondern nütze
dummerweise zusätzlich und ungewollt denen, deren Kapitalverwertung ich damit
voranbringe. Und dieser Prozess führt dann wiederum zu allen möglichen
Schäden etc. Aber beides bedingt sich doch gegenseitig und man kann nicht so
tun, als wäre die Gebrauchswertseite irrelevant, sonst gäbe es in der Tat
keine Erklärung dafür, warum die Leute das mitmachen. Sie machen das mit,
weil sie (nur) so ihre Bedürfnisse wenigstens halbwegs befriedigen können,

Ja, richtig. Nur, ich will's nicht wiederholen, reproduzieren sie den
"Partialinteressen-Modus", in dem sie auch immer wieder auf der
"Kostenseite" stehen ("...auf Kosten anderer").

jedenfalls besser als ohne Tausch. Und gesellschaftlich hat es sich
durchgesetzt, weil es nicht nur irgendwie, sondern trotz aller damit
verbundenen Schäden und Deformationen und Fetischismen etc. effizierter
funktionierte und ein höheres Niveau an Reichtum und Bedürfnisbefriedigung
ermöglichte als die vorher gewesenen Gesellschaften und die bisher
durchgesetzten Alternativen es konnten - jedenfalls aus der Sicht der
Mehrheit der Menschen in diesen Gesellschaften.

Das bestreite ich ganz entschiedend! In einem kleinen Teil der Welt gibt
es in der Tat die Durchsetzer, während in einem größeren Teil der Welt
die "Kosten" anfallen. Hier gibt es ein höheres Niveau an Elend, Zerfall
und Ausgeliefertheit an die Bedingungen.

Irgendwie versuchst du mir jetzt wieder von der individuellen Ebene aus
denkend zu erklären, dass der Kapitalismus sozusagen "naturwüchsig" von
den Menschen so gewollt wurde. Das verkennt den systemischen Charakter,
von dem du doch sonst sprichst.

Wir sind uns dabei wohl
einig, dass die damit verbundenen destruktiven Tendenzen nicht und immer
weniger akzeptabel sind und eine bessere, sozialere, humanere, ökologischere
Gesellschaft entwickelt werden muss. Aber wie die funktionieren könnte, das
sehen wir unterschiedlich und ist mir bei dir nicht nachvollziehbar.

Ja, einig. Wie das innerhalb der Wertvergesellschaftung gehen soll, ist
mir schleierhaft. Deswegen suche ich ja nach Alternativen - aber eben
jenseits des alten Modus. Ist in der Tat noch sehr ausgegoren, aber so
ist das eben.

 Andere haben dazu schon Nützliches geschrieben. Nichts ist "an sich
 knapp". Menschen stellen ihre Lebensbedingungen gesellschaftlich her, wo
 liegt darin die Knappheit? Darin liegt unbeschränkter Reichtum. Wenn du
 jetzt entgegnest: aber die arme Erde..., dann sage ich dir, dass dieses
 Denken aus dem "Partial-Interessen-Denken" kommt. Nur, wenn man annimmt,
 dass sich Produktion stets auf Kosten von Menschen oder Naturgrundlage
 abspielt, sieht man die Zerstörung als Folge.

Wie ich schon auf Franz schrieb: Mit "knapp" geht es mir darum, dass sie
nicht einfach vorliegen und nur genommen werden können, sondern immer wieder
Arbeit nötig ist, und zwar nicht nur zur Selbstentfaltung, sondern um
bestimmte Produkte herzustellen, die dann konsumiert und damit vernichtet
werden sollen (was bei Informationsprodukten eben nicht so ist), auch wenn
man das nicht als Selbstentfaltung empfindet.

Wo du einen Widerspruch siehst, sehe ich keinen: Für das Reich der
Notwendigkeit muss die (Zwangs-)arbeit sein, nur im Reich der Freiheit
funktioniert die Selbstentfaltung - argumentierst du. Ich meine: Der
Charakter der Arbeit als Zwangsarbeit in der kybernetischen Maschine
stellt - in globaler Bilanz - schon eigentlich nichts mehr her, sondern
zerstört nur noch. Die Kurve ist nur noch zu kriegen, wenn die
kybernetischen "effizienten" Selbstzwecke ersetzt werden durch die
Bedürfnisse der Menschen.

"Das
Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das
durch Not
und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört" (Marx, MEW 25, 828).

Ich sehe weiterhin jetzt und in absehbarer Zukunft die Notwendigkeit von
Arbeit, auch ohne Wertvergesellschaftung. Mir geht es um die alternative
Gesellschaftsform, die die notwnedige Arbeit so weit möglich reduziert, bei
gleichzeitiger Entfaltung der Bedürfnisse und Fähigkeiten der Menschen. In
Letzterem sind wir uns wohl einig. Aber ich sehe nicht, dass völlige
Beseitigung von Warenproduktion und Tausch dafür eine hilfreiche Perspektive
wäre und dass dazu unter dem Label "herrschaftsfreie personal-konkrete
Vergesellschaftung" eine überzeugende und realisierbare Vorstellung vorliegt.

Ich stelle mir gerade auf einer Demo ein Transparent vor: "Für eine
herrschaftsfreie personal-konkrete
Vergesellschaftung" - hihi:-))

Würde mich auch nicht gerade überzeugen;-)

Was wir hier doch machen, ist zu untersuchen und zu überlegen, welche
anderen Vergesellschaftungsformen es geben kann. Das ist für mich ein
wissenschaftliches Unterfangen - auch wenn ich das nicht dick vor mir
hertrage. Darin kann ein Label für irgendwas nicht überzeugen, ist doch
klar. Entweder du lässt dich ein auf eine etwas umfangreichere
Überlegung und versuchst sie zu entwickeln - oder eben nicht. Das zweite
sehe ich bei dir. Na gut.

 Ja, sehe ich genauso. Passiert aber - nur zur Erinnerung - in der FS
 nicht. Ist im "Allgemein-Interessen-Modus" nicht nötig, über alles
 Bescheid zu wissen.

In der FS braucht es keinen Plan, in der Gesellschaft insgesamt schon. In der
FS ist ok., wenn jede/r einfach das beiträgt, was er/sie möchte. Für
gesellschaftliche Reproduktion insgesamt reicht das nicht.

Warum nicht? FS ist ja auch nicht gerade ein Unterfangen von ein paar
Hanseln...

Mein Probem ist
doch, dass ich nicht sehe, wie ein"Allgemein-Interessen-Modus" in
gesellschaftlichem Maßstab funktionieren soll außer über demokratische
gesellschaftliche Planung und Steuerung unter Einsatz der verschiedenen
genannten Vergesellschaftungsmodi.

Demokratie, Planung, Steuerung sind doch alles Formen der ganzen alten
Misere. Damit kannst Du ein bisschen rumregulieren - aber ändern tust du
nichts wesentliches. Wesnetlich ist für mich der
Vergesellschaftstungsmodus. FS übrigens ist undemokratisch.

 Auch Zustimmung. Wenn du Inhalt-Form-Dialektik kennst, dann ist die
 "Selbstentfaltung" als bestimmendes Moment der Produktivkraftentwicklung
 einer freien Gesellschaft _Inhalt_, während ich - hilfsweise, besser
 kann ich es nicht - die _Formseite_ als "herrschaftsfreie
 personal-konkrete Vergesellschaftung" bezeichne (ausführlicher siehe
 z.B. Gegenbilderbuch: http://www.opentheory.org/proj/gegenbilder).

Ich hab mir das da noch mal angeguckt, hilft mir aber nicht weiter. Da werden
fein Wörter hingesetzt wie "freie Gesellschaft", "freie Vereinbarung",
"allgemeine Interessen", "freie Kooperation" etc. und durch gegenseitigen
Verweis aufeinander erläutert, aber m.E. auch nicht ansatzweise plausibel
gemacht, wie dabei eine hoch ausdifferenzierte gesellschaftliche und globale
Arbeitsteilung und Austausch ihrer Produkte funktionsfähig und effizient
organisiert werden kann.

Das kannst Du für den Kapitalismus auch nicht ohne Verweis auf das
lebendige Beispiel (die Fragwürdigkeiten außen vor gelassen).
Theoretisch ist etwa die bürgerliche VWL ziemlich hohl und begründet gar
nichts. Das ist ein Spezifikum des Systemcharakters von Gesellschaft:
die kannst Du gar umfassend beschreiben. Du kannst nur sinnvoll auf der
Ebene der Kategorien und Eigengesetzlichkeit sowie der Ebene der
Vergesellschaftung und Vermittlung argumentieren. Das haben wir versucht
(ja, mehr nicht). Auf diese kategoriale Ebene müsstest du dich
einlassen, ein Blick ins Glossar hilft da alleine nicht.

 Wenn ich die der bürgerlichen Form geschuldeten Verhaltensweisen
 (Achtung: nicht als Determinationsresultat, sondern als ein "Bewegen im
 Medium der Wertform") mal "abziehe", weiss ich nicht, "wie die Menschen
 so sind". Den der Gesellschaftlichkeit entkleideten Menschen gibt's
 nicht, und die heutige Form ist nun mal die bürgerliche. Wie also
 Menschen unter freien Bedingungen sind, kann doch keiner wissen. Wieso
 also ich?

Einverstanden. Ich habe aber den Eindruck, z.B. in og. Gegenbilder-Text, dass
implizit das eben doch zugrundeliegt. Z.B. in der Vorstellung, dass dann
nicht mehr instrumentelle, sondern (nur noch?) "Subjektbeziehungen"
existieren würden, die dann m.E. normativ und mit Bezug auf Leerformeln (oder
sagen wir freundlicher: inhaltlich unbestimmte Begriffe wie etwa "allgemeine
Interessen") bestimmt werden.

Wir haben es explizit reingeschrieben (im Text, vielleicht nicht im
Glossar): Instrumental- und Subjektbeziehungen sind keine
Beschreibungs-, sondern analytische Begriffe. Wenn du sie einzig
beschreibend liest, dann entsteht ein "normatives Missverständnis". Das
scheint mir bei dir so zu sein. Da steht nichts davon, dass "dann" nur
noch diese oder jene "Beziehung" existieren würde. Das ist kein "Typ",
den man drauf hat oder nicht. Es ist keine "Eigenschaft" von Menschen,
und erst recht keine Norm.

Du missverstehst mich. Ich sehe nicht Gesellschaft als Summe der Individuen,
sondern als System, das allerdings aus der Wechselwirkung der Tätigkeiten
menschlicher Subjekte sich entwickelt und Eigengesetzlichkeiten hervorbringt,

Der zweite Halbsatz nach "allerdings" hebt den ersten auf.

die wiederum die Entwicklung der Individuen prägen. Es besteht aber die Frage
der Vermittlung, die Frage, wie sich die Systemlogiken aus den Tätigkeiten
der Individuen ergeben und andersrum in konkrete Anforderungen an und Motive
der Individuen transformieren, also wie die Tätigkeiten die Strukturen
hervorbringen und die Strukturen die Tätigkeiten determinieren.

Determinieren - nein, niemals.

Das kann ich
für die bisherigen Gesellschaftn und mit og. 4 Vergesellschaftungsmodi
erklären.

Das glaube ich dir nicht. Tätigkeiten sind nicht vom Außenstandpunkt
erklärbar. Oder ich verstehe dich miss.

Aber ich sehe wie gesagt nicht, wie das mit der "herrschaftsfreien
personal-konkreten Vergesellschaftung" funktionieren soll.

 Und wenn du Näheres über Motivation wissen willst, kannst ich dir nur
 wärmstens die Kritische Psychologie ans Herz legen.

Damit ist es keineswegs getan, das löst mein Problem nicht.

Lohnt sich trotzdem;-) Danach behauptest du nicht mehr, du könntest die
Tätigkeiten der Leute aus den Strukturen erklären.

Ciao,
Stefan

-- 
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