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Re: Re(2): [ox] Grundsicherung



Hallo!

On Tue, Jan 30, 2001 at 06:55:55PM [PHONE NUMBER REMOVED], Glatz wrote:
Was ich meine, wie die "Welt" ausschaut (irr kurz, daher brutal apodiktisch,
überspitzt, aber dafür hoffentlich ein bissl klarer und angreifbarer):

Ja, ich hab die Krisisposition inzwischen schon verstanden ;-)

Ich teile das Untergangsszenario zwar nicht, aber nachvollziehen
kann ich es schon. Ich glaube jedoch, das es für unsere Frage nicht
sooo wichtig ist ob und wann und warum genau der Kapitalismus den
Geist aufgibt.

Nicht Umverteilung ist mehr angesagt, sondern Ausstieg und Aneignung des
Brauchbaren für eine Gestaltung des Lebens in Kooperation und
Selbstbestimmung zur Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen. 

Völlige Zustimmung. Nur meine Meinung wäre das eine richtig
verstandene Grundsicherung genau so etwas sein kann. Der
Umverteilungsaspekt ist da eher notwendiges Übel als Ausgangspunkt
der Überlegungen.

Nicht
Politik machen, um den Staat zu erobern, sondern eine Gegengesellschaft
freikämpfen sollte die grundsätzliche Orientierung sein. 

Naja, Gegengesellschaft halte ich für ein problematisches Wort. Aber
sich Räume frei kämpfen, das sollte man schon, da geb ich Dir Recht.
Ich würde halt wieder sagen: Und genau dafür ist eine Politik der
Grundsicherung eine Möglichkeit. Eine die mit den Unzulänglichkeiten
des Systems umgeht und das Beste draus macht.

Ob die genaue Ausgestaltung dann eher einer klassischen
Sozialstaatsform ähnelt oder Landenteignung in Brasilien heisst oder
auch Kraftwerk1 in Zürich oder meinetwegen auch eine sich selbst
versorgende Landkommune ist vielleicht garnicht mal so wichtig.
Was mir wichtig wäre, ist unter den gegebenen vorgefundenen
Umständen das Beste draus zu machen.

Ohne dieses Ziel im
Hirn zu haben, führt jeder Weg nur wieder in die alte Sch. zurück. Die Freie
Software Bewegung ist in meinen (hoffentlich nicht zu kurzsichtigen) Augen
deshalb so interessant, weil sie Elemente einer solchen Gegengesellschaft
enthält.

Völlig Deiner Meinung. Nur sollten wir doch langsam auch mal die
Frage angehen, was wir denn tun können um den Prozess voranzutreiben
- ausser zu programmieren, aber darum geht es ja hier nicht, sonst
wären wir auf einer Linuxkernelmailingliste und nicht bei Oekonux.

Eine Grundsicherung ermöglicht es, dass auch nicht Priveligierte in
den Genuss dieser neuen Moeglichkeiten kommen. Deswegen bin ich
dafuer. 

"Grundsicherung" ist, soviel ich sehe, eine urliberale Idee: Garantie einer
kümmerlichen Existenz durch einfache staatliche Zuwendungen unter Einsparung
des aufwendigen und vielgliedrigen Sozialsystems. Zweck: kostengünstigere
Ruhigstellung des Menschenmaterials.

Auch als linke "Umverteilung" formuliert führt sie keinen Schritt über das
rissige System hinaus.

Wie gesagt, Grundsicherung kann viele Formen annehmen. Ich halte die
staatliche aber durchaus auch für bedenkenswert solange es noch
einen Staat gibt.

Im Übrigen passiert mit dieser Forderung dasselbe wie mit allen linken
Reformforderungen, die auf Solidarisierung der Arbeiterklasse setzen: Sie
haben angesichts der Konkurrenz / Individualisierung der Menschen keine
Chance, eine Massenbewegung zu initiieren, die dem Staat was abtrotzen
könnte.
Wenn Grundsicherung aus dem "Diskurs" der dazu "berufenen" Leute kommt, dann
garantiert nur im liberalen Sinn.

Man sollte sich nicht so sehr auf Massenbewegungen stützen. Gerade
in Deutschland. Ich hab da immer ein ganz mulmiges Gefühl. Naja,
aber unabhängig davon:

Ich würde es eher so sehen. Grundsicherung kommt eh. Die Frage ist
nur ob als Arbeitszwang auf Sozialhilfeniveau oder als unbedingtes
Grundeinkommen in vernünftiger Höhe. Und ich glaube dass selbst in
dieser Frage noch Bündnisse möglich sind. 

Ich denke vor allem dass man sich doch nicht einfach ausklinken kann
und sagen: Macht was ihr wollt, geht vor die Hunde, wir steigen aus.
Das wird nicht funktionieren. Man muss doch irgendwie auf diesem
Planeten mit den ganzen Arschlöchern zu Rande kommen, oder?
Natürlich weiß ich, das sie unrecht haben und das der Kapitalismus
lieber heute als Morgen abgeschafft gehört. Da sie aber nunmal so
verblendet sind und das nicht sehen wollen macht es doch Sinn sich
innerhalb dieses Rahmens Möglichkeiten zu suchen, die in die
richtige Richtung gehen. 

Und noch ein Gedanke zur Durchsetzbarkeit: Selbst wenn man damit
scheitert, so macht das doch auch was deutlich, oder? Vielleicht
weckt das den einen oder anderen auf? Wäre doch auch schon ein
Erfolg. 

"Kreative Grundsicherungs-Vorwegnahme" hat mit der "Grundsicherung", gegen
die ich da was gesagt habe, wahrscheinlich nicht viel zu tun.

Das ist aber genau der Punkt. Grundsicherung kann viele Formen
annehmen. Ihr versteift euch alle so sehr auf diesen
Sozialstaatsquatsch. Ich würde selbst das noch verteidigen, aber
worauf es ankommt ist eine Politik die den Leuten ermöglicht
überhaupt aktiv zu werden (z.B. als FS-Programmierer). Wie sich das
genau dann buchstabiert ist für mich zweitrangig.

Grüße, Benni
-- 
      Ragnaroek-Play-by-email: http://ragnaroek.home.pages.de/
               Goetter und Erdlinge am Ende der Welt

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