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Re: Re(2): [ox] Grundsicherung



Ciao Benni,
ist zwar schon wieder einige Zeit her, aber was solls, zumindest du wirst es
schon lesen.
Ich beziehe mich nur auf ein paar Dinge in deinen Zusammenfassungen und
lasse das Andere weg.

Worauf man sich ja vielleicht einigen kann: Auch vom liberalen oder
sozialdemokratischen Gesichtspunkt her kann man für eine
Grundsicherung argumentieren. Worum der Streit sich hier ja wohl
dreht (zumindestens aus meiner Perspektive), ist ob man dies von
einem antikapitalistischen Standpunkt heraus auch kann...

Was ich meine, wie die "Welt" ausschaut (irr kurz, daher brutal apodiktisch,
überspitzt, aber dafür hoffentlich ein bissl klarer und angreifbarer):

Den Kap.ismus werden wir nur zusammen mit Markt, Staat, Nation etc. los,
weil das alles zusammengehört und einander braucht. Das Herz dieser ganzen
kap.istischen Lebensweise ist was ganz Unpersönliches: der historisch
etablierte Zwang, dass du kaufen und (dich) verkaufen musst, dass aus Geld
(angelegt in Arbeitskraft) mehr Geld (durch Verkauf der Produkte auf dem
Markt) gemacht werden muss. Wenn das nicht funktioniert, sollen wir
verhungern oder erfrieren.
Das Werkl läuft aber seit einiger Zeit aus dem Ruder, weil das mit der
Geldvermehrung durch Arbeit nicht mehr hinhaut - Seit etlichen Jahren wird
durch die steigende Produktivität mehr Arbeit erspart als neue Arbeit
hinzukommt. Durch Kredit und Spekulation kann man das eine Zeitlang
kaschieren und weitermachen, aber nicht ewig - Das Geld repräsentiert immer
weniger reale Wertschöpung, und die aus der Zukunft vorweggenommene (Kredit,
Spekulation) wird nicht mehr real werden. Von ihrer Substanz (Arbeit) her
schrumpft die Marktwirtschaft.

Nicht Umverteilung ist mehr angesagt, sondern Ausstieg und Aneignung des
Brauchbaren für eine Gestaltung des Lebens in Kooperation und
Selbstbestimmung zur Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen. Nicht
Politik machen, um den Staat zu erobern, sondern eine Gegengesellschaft
freikämpfen sollte die grundsätzliche Orientierung sein. Ohne dieses Ziel im
Hirn zu haben, führt jeder Weg nur wieder in die alte Sch. zurück. Die Freie
Software Bewegung ist in meinen (hoffentlich nicht zu kurzsichtigen) Augen
deshalb so interessant, weil sie Elemente einer solchen Gegengesellschaft
enthält.

"Grundsicherung" ist, soviel ich sehe, eine urliberale Idee: Garantie einer
kümmerlichen Existenz durch einfache staatliche Zuwendungen unter Einsparung
des aufwendigen und vielgliedrigen Sozialsystems. Zweck: kostengünstigere
Ruhigstellung des Menschenmaterials.

Auch als linke "Umverteilung" formuliert führt sie keinen Schritt über das
rissige System hinaus.
Im Übrigen passiert mit dieser Forderung dasselbe wie mit allen linken
Reformforderungen, die auf Solidarisierung der Arbeiterklasse setzen: Sie
haben angesichts der Konkurrenz / Individualisierung der Menschen keine
Chance, eine Massenbewegung zu initiieren, die dem Staat was abtrotzen
könnte.
Wenn Grundsicherung aus dem "Diskurs" der dazu "berufenen" Leute kommt, dann
garantiert nur im liberalen Sinn.

..............
Wenn ich geahnt hätte, dass sich die Diskussion in diese Richtung
dreht, hätte ich die nächsten Zeilen des Zitates auch noch mit
aufgeführt, die da lauten:

   Auch hier ist das demokratische Pathos, gegen Korruption,
   Patronage und Leistungserschleichung zu kämpfen, politisch meist
   ein rechtes Programm, das sich im Wesentlichen gegen diese
   Massenpolitik der kreativen Grundsicherungs-Vorwegnahme richtet.
   "Es heißt, die Grundlagen des ganzen sozialen Systems zu
   verkennen, wenn es in letzter Zeit üblich geworden ist, die
   Bezieher falscher , d.h. erschlichener Pensionen, zu
   denunzieren. Das wirkliche Problem ist, dass jemand, der nichts
   hat, sich als Blinden ausgeben muss, um eine Hilfe zu erlangen
   ... "

"Kreative Grundsicherungs-Vorwegnahme" hat mit der "Grundsicherung", gegen
die ich da was gesagt habe, wahrscheinlich nicht viel zu tun.

Ciao,
Lorenz G.




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