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Re: [ox] Wert, Mehrwert, produktive Arbeit und mehr



Hi Uli und alle,

Ulrich Leicht schrieb:
Am Ende einer Woche "Zwangsarbeit" mache ich meine Drohung wahr und wage es,
Euch mit meiner angekündigten zweiten mail zu belästigen. Ich versuche, von
den Erfahrungen meiner beschränkten Arbeits-Fetisch-Welt aus zu argumentieren
und auf Dinge in mehreren mails einzugehen.

Vielen Dank für diese Mail, für deine langen Ausführungen, die mir
viel gebracht haben. Ich bin eher ein schwankender und
ausprobierender Argumentierer: Den Kapitalismusregulierern gelten
meine Antiarbeits-Argumente, den Krisistheoretikern meine Zweifel an
der Reduktion aller Arbeit auf abstrakte Arbeit. Dadurch versuche
ich für mich die Diskussion produktiv zu machen und zu halten. Dem
steht nichts so sehr entgegen wie die Attitüde des
"Recht-haben-wollens" - auch wenn das bei mir selbst manchmal so
klingen mag. Glücklicherweise ist das Gesamtklima auf dieser Liste
so nicht, bei keinem Thema - von Ausreissern abgesehen, die die
Liste aber gut verdaut.

Die Grundschwierigkeit, vor der wir stehen, ist der Versuch etwas
Neues zu denken.

Dieses "Neue" kann man nun versuchen als "neue" Variante des
Bekannten, als noch eine nicht ausprobierte Möglichkeit im
Vertrauten, zu denken. Diese Neue ist mit dem Alten zu machen, ist
partiell widersprüchlich aber nicht antagonistisch. Es treibt das
Alte voran, gibt ihm ein neue Modernität.

Man kann das Neue auch als etwas das Alte grundsätzlich, qualitativ
Überschreitendes, das Alte Aufhebendes ansehen. Dieses Neue ist mit
dem Alten nicht zu machen, es verhält sich nicht nur
widersprüchlich, sondern antagonistisch. Das Neue bricht mit allem,
was das Alte wesentlich ausmachte. Es entsteht zwar im Alten als
Keimform, doch im Maße der Aufhebung des Alten ändert es notwendig
selbst seine Form bei der Entfaltung. Der Form, in der der Keim
erscheint, sieht man das Neue nicht an - deswegen ja auch
Keim_form_. Der Inhalt dieses Keimes birgt aber Potenzen, die über
das Alte hinausweisen. Diese Potenz zu denken, _muss_ schwierig und
widersprüchlich und tastend sein, denn wir können heute nur so
denken, wie heute und nicht wie morgen. Niemand gibt einem die
Garantie dafür, dass man Recht hat beim Denken, weswegen
"Recht-haben" eine völlig unangemessene Denkform darstellt. Es geht
eben nicht nur um denkende Annäherung an eine Realität (auf die man
ja auch verschiedene Perspektiven haben kann), sondern um eine
denkende Annäherung an eine beginnende, eben nur keimförmige
Minirealität mit einer möglichen grossen Potenz.

Beide Umgehensweisen haben ihre Verankerung und Berechtigung. Ohne
Verteidigung gegen die Zumutungen im Bestehenden wird es kein Neues
geben. Verschiedene Menschen haben dabei unterschiedliche
Schwerpunkte. Und mein Schwerpunkt ist - das seht ihr an der Länge
oben - die Beschäftigung mit den möglichen Keimformen. Diese
Beschäftigung hat ein notwendig utopisches Moment, was für mich vor
allem Phantasie bedeutet. Sie ist für mich auch wissenschaftliche
Herausforderung - von der Utopie zur Wissenschaft eben.

Unterschiede in den Einschätzungen wird es notwendig immer wieder
geben. So wie für mich eine immanente "Reformalternative" das
Irrealste ist, was ich mir vorstellen kann, so für andere vielleicht
die Utopie der Freien Gesellschaft. Lassen wir's halt nebeneinander
stehen.

Denn day by day und immer direkt,
das schafft nur ein schon "freier" oder "teilzeitfreier" Mensch. Dabei möchte
ich unbedingt einmal ein Lob für Stefan Mn. loswerden, der sich als maintainer
die Aufgabe eines Herkules gestellt hat, nämlich, offensichtlich vorwiegend am
Wochenende, jede mail nicht nur zu lesen, sondern auch noch zu beantworten, zu
kommentieren.

Dem kann ich mich nur anschliessen.

Norbert Szepan, unser Bezirkssekretär, der bei der Dortmunder
Besprechung dabei war und sich bei oekonux eingeloggt hatte, ist nach
dreitätiger Abwesenheit von 120 emails in einer Minute auf seinem Rechner
erschlagen worden. Voller Respekt für das, was da abgeht, aber total
überwältigt, hat er SOS gefunkt: "unsubscribe, bitte helft mir". Obwohl schon
routinierter, geht's mir natürlich nicht selten ähnlich.

Zur einem mehr an Routine und Handlungsfähigkeit auch beim Mailen
gehört auch die Einrichtung von Filtern, die die spannenden
Oekonux-Mails in einen Folder umleiten, wo sie dann gelesen werden
können, wenn man sich mal wieder was gutes tun will - das ist (auch)
der Sinn des [ox] im Subject ;-)

Ciao,
Stefan

-- 
  Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen
  HA II, Abteilung Datenverarbeitung
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