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Re: [ox] Wert, Mehrwert, produktive Arbeit und mehr



Hallo Uli,

ich hab auch nicht die Zeit, auf diese Debatten weiter so viel Zeit drauf zu 
verwenden. Zumal hier in hohem Maße Glaubensbekenntnisse verbreitet werden, 
über die schwer zu diskutieren ist. Und eiegntlich hab ich auch keine Lust 
mehr dazu, aber trotzdem:

 Und bei Marx, wie immer: alles unvollendet, Fragment, Torso, Werkstatt, 
 Manuskripte, widersprüchlich, von wegen ausgereifte Theorie, aber 
spannend: 
 Ralf hat ihn doch zitiert - da heißt es dann "super-eindeutig": die 
Sängerin 
 sei "annähernd produktiv" - und dachte, dieses Zitat spreche für ihn. Für 
mich 
 spricht das nur dafür, daß mensch mit Marx über Marx hinaus und nicht 
 marxistisch denken sollte. 

Selber und über Marx hinaus denken find ich auch wichtig. Allerdings scheinen 
wir in unterschiedliche Richtung weiter gehen zu wollen: M.E. ist Marx von 
Relikten einer Fixierung an Stoffgebundenheit produktiver Arbeit in diversen 
Formulierungen zu befreien, wogegen du genau diese notwendige Erweiterung für 
falsch hältst.

 Und überhaupt. 
 Immer der doppelte Marx, egal wo Du hinguckst. Ich glaube ja, eigentlich 
immer 
 nur zwei Seiten einer abstrakten Medaille: 
 die "schlechte" abstrakte und die gute "konkrete" Arbeit und damit 
 zusammenhängend der "wertvolle aber nutzlose" Tausch- aber der nützliche 
 "Gebrauchswert". Man nehme doch nur den Begriff: Gebrauchs-w e r t. Spielt 
der 
 Gebrauch wirklich irgendeine Rolle in Hinblick auf wirklichen Nutzen oder 
 Bedürfnisse oder nur auf Ver w e r t ung, Tausch w e r t igkeit hin. Der 
 Gebrauchswert auch so ein Fetisch wie der Wert und die Arbeit.

Der Unsinn besteht m.E. darin, Wert, Gebrauchswert, abstrakte oder konkrete 
Arbeit etc. als normative Begriffe zu betrachten. Die sollen erst mal 
Realität begrifflich fassen, die sind weder "gut" noch "schlecht". 
"wirklicher Nutzen" ist ein moralische und keine kritisch-wissenschaftliche 
Kategorie. Überall das "abstrakte" = böse zu entdecken und schon weil 
irgendwo der Wortbestandteil "wert" vorkommt, den Begriff als böse zu 
entlarven, das ist für mich wirklich Fetischismus. Wertkritikfetischismus, 
dem ernsthafte wissenschaftliche Analyse dann leider zum Opfer fällt. Diesen 
Fetischismus hat Marx allerdings nicht betrieben, schon das Wort "Wertkritik" 
spielt bei ihm keine Rolle. Die Krisis-Gefolgschaft mag ihm das als Schwäche 
vorwerfen, aus meiner Sicht ist es ein großer Vorzug.

     "Debatten um den Sinn von Arbeit sind in der Tat wichtig, können aber    
    
     nicht darin bestehen, Leuten zu erzählen, dass ihre Arbeit sowieso 
     sinnlos sei und sie nur Schrott produzieren,
 sage ich: doch genau das ist bitter notwendig.
     wenn sowohl die Arbeitenden als auch die ganz überwiegende Mehrzahl 
der     
     Gesellschaft das anders sehen. 
 sage ich: eben "subjektlose Charaktermasken" wie die Vertreter des 
fungierenden 

Ich halte es für sachlich falsch und politisch erst recht völlig daneben, die 
Menschen, die bloß nicht die eigenen überzogene Auffassung von der 
Sinnlosigkeit der meisten Produktion teilen, so zu bezeichnen. Alle linke 
Politik beruht letztlich darauf, dass die Menschen eben nicht nur 
Charaktermasken des Kapital sind.

 Kapitals auch.
     Das Problem, dass Arbeit (konkret i.d.R.: Erwerbsarbeit) überhöht und    
    
     fetischisiert wird und auch dass sie erheblich verkürzt werden könnte, 
 sage ich: nein das Problem liegt tiefer. 
     ändert nichts daran, dass sie überwiegend für die Reproduktion der       
     Gesellschaft wie der Einzelnen notwendig ist und auch in             
     nichtkapitalistischen Verhältnissen notwendig wäre." 
 sage ich: Dann sind es leider keine, hatten wir realsozialistisch zur 
Genüge.

Diese Definition von Kapitalimus durch die Notwendigkeitzur Arbeit kann ich 
nur als abstrus betrachten. 

 Da glaube ich unterscheidet sich auch der historische 
 Arbeiterbewegungs-Marximsus von Marx, so widersprüchlich dieser auch sein 
mag. 
 Für ihn sind die kapitalistischen Verhältnisse und die sie prägenden 
 Basiskategorien - Ware, Arbeit, Wert, Kapital, aber auch die anderen 
Sphären 
 gesellschaftlichen Lebens wie Staat, Politik, Kultur usw. schlechthin 
 Fetischverhältnisse, eine ver-kehrte Welt, deren wirkliche 
 Zusammenhänge der warenproduzierende Mensch auf den ersten Blick nicht 
 erkennt und auch verinnerlicht. 

 Das Problem ist nicht: ".., Es gibt wesentlich größere ... Probleme als 
die 
 Fetischisierung der Arbeit", nein das Fetischverhältnis abstrakter 
 kapitalistischer Arbeit  i s t  das Problem, die Ursache der "großen 
globalen, 
 sozialen und ökologischen Probleme." 

Ich denke nicht, dass Marx mit dieser Reduzierung seienr Analysen auf die 
Fetischproblematik und dessen Überhöhung zum quasi totalen Problem üebrhaupt 
einverstanden gewesen wäre. Er kann sich ja leider nicht mehr wehren, auch 
nicht gegen weiter unten Mutmaßungen über den "wahren Marx". Ich find das 
jedenfalls daneben.

Die Überhöhung der Arbeit gerade in der 
 Arbeiter(Arbeits)bewegung ist nur ein Ausdruck desselben. Und bei dem 
Gedanken 
 an die Subotniks der Rabotniki, der Superakkordarbeiter Stachanow oder 
 Hennecke ("eine Art Leistungsprinzip"), da wird mir ganz schlecht, weil 
mensch 
 dann auch noch die Nähe zum national-sozialistischen "schaffenden Kapital" 
und 
 zu "Arbeit macht frei" spürt.

Findest du nicht, dass du etwas überziehst?

 reale Utopoie, und darin 
 liegt der Nutzen (nicht Gebrauchswert) von Oekonux.

Wenn tatsächlich die Utopie sich nicht völlig vom realen trennt. Außerdem 
nochmal: Nutzen, Nützlichkeit und Gebrauchswert sind (jedenfalls bei Marx und 
überall außer bei der Krisis-Gefolgschaft) Synonyme, nur verschiedene Wörter 
für das Gleiche.

 Ich empfehle, in Anlehnung an die Worte von Hans Gert - "Schaut doch mal 
beim 
 Meister selbst" nach - sich den Text auf der webseite "krisis.org", Heft 
16/17
 der "krisis" anzusehen oder runterzuladen. Ich finde, es lohnt sich.

Hosianna, lobet den Meister. M.E. schreibt der ziemlich oft ziemlichen Unsinn.

Zum Abschluss noch mal ein schönes, realistisches Zitat von Marx (Kapital 
III, MEW 25, S. 859, gegen den Wertkritikfetischismus:

Es "bleibt, nach Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise, aber mit 
Beibehaltung gesellschaftlicher Produktion, die Wertbestimmung vorherrschend 
in dem Sinn, dass die Regelung der Arbeitszeit und die Verteilung der 
gesellschaftlichen Arbeit unter die verschiednen Produktionsgruppen, endlich 
die Buchführung hierüber, wesentlicher denn je wird".

Sozialistische Grüße

Ralf Krämer
Fresienstr. 26
44289 Dortmund
Tel. 0231-3953843
Fax 0231-3953844

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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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