Re: [ox] Wert, Mehrwert, produktive Arbeit und mehr
- From: RalfKrae aol.com
- Date: Sun, 26 Nov 2000 16:25:56 EST
Hallo Uli,
ich hab auch nicht die Zeit, auf diese Debatten weiter so viel Zeit drauf zu
verwenden. Zumal hier in hohem Maße Glaubensbekenntnisse verbreitet werden,
über die schwer zu diskutieren ist. Und eiegntlich hab ich auch keine Lust
mehr dazu, aber trotzdem:
Und bei Marx, wie immer: alles unvollendet, Fragment, Torso, Werkstatt,
Manuskripte, widersprüchlich, von wegen ausgereifte Theorie, aber
spannend:
Ralf hat ihn doch zitiert - da heißt es dann "super-eindeutig": die
Sängerin
sei "annähernd produktiv" - und dachte, dieses Zitat spreche für ihn. Für
mich
spricht das nur dafür, daß mensch mit Marx über Marx hinaus und nicht
marxistisch denken sollte.
Selber und über Marx hinaus denken find ich auch wichtig. Allerdings scheinen
wir in unterschiedliche Richtung weiter gehen zu wollen: M.E. ist Marx von
Relikten einer Fixierung an Stoffgebundenheit produktiver Arbeit in diversen
Formulierungen zu befreien, wogegen du genau diese notwendige Erweiterung für
falsch hältst.
Und überhaupt.
Immer der doppelte Marx, egal wo Du hinguckst. Ich glaube ja, eigentlich
immer
nur zwei Seiten einer abstrakten Medaille:
die "schlechte" abstrakte und die gute "konkrete" Arbeit und damit
zusammenhängend der "wertvolle aber nutzlose" Tausch- aber der nützliche
"Gebrauchswert". Man nehme doch nur den Begriff: Gebrauchs-w e r t. Spielt
der
Gebrauch wirklich irgendeine Rolle in Hinblick auf wirklichen Nutzen oder
Bedürfnisse oder nur auf Ver w e r t ung, Tausch w e r t igkeit hin. Der
Gebrauchswert auch so ein Fetisch wie der Wert und die Arbeit.
Der Unsinn besteht m.E. darin, Wert, Gebrauchswert, abstrakte oder konkrete
Arbeit etc. als normative Begriffe zu betrachten. Die sollen erst mal
Realität begrifflich fassen, die sind weder "gut" noch "schlecht".
"wirklicher Nutzen" ist ein moralische und keine kritisch-wissenschaftliche
Kategorie. Überall das "abstrakte" = böse zu entdecken und schon weil
irgendwo der Wortbestandteil "wert" vorkommt, den Begriff als böse zu
entlarven, das ist für mich wirklich Fetischismus. Wertkritikfetischismus,
dem ernsthafte wissenschaftliche Analyse dann leider zum Opfer fällt. Diesen
Fetischismus hat Marx allerdings nicht betrieben, schon das Wort "Wertkritik"
spielt bei ihm keine Rolle. Die Krisis-Gefolgschaft mag ihm das als Schwäche
vorwerfen, aus meiner Sicht ist es ein großer Vorzug.
"Debatten um den Sinn von Arbeit sind in der Tat wichtig, können aber
nicht darin bestehen, Leuten zu erzählen, dass ihre Arbeit sowieso
sinnlos sei und sie nur Schrott produzieren,
sage ich: doch genau das ist bitter notwendig.
wenn sowohl die Arbeitenden als auch die ganz überwiegende Mehrzahl
der
Gesellschaft das anders sehen.
sage ich: eben "subjektlose Charaktermasken" wie die Vertreter des
fungierenden
Ich halte es für sachlich falsch und politisch erst recht völlig daneben, die
Menschen, die bloß nicht die eigenen überzogene Auffassung von der
Sinnlosigkeit der meisten Produktion teilen, so zu bezeichnen. Alle linke
Politik beruht letztlich darauf, dass die Menschen eben nicht nur
Charaktermasken des Kapital sind.
Kapitals auch.
Das Problem, dass Arbeit (konkret i.d.R.: Erwerbsarbeit) überhöht und
fetischisiert wird und auch dass sie erheblich verkürzt werden könnte,
sage ich: nein das Problem liegt tiefer.
ändert nichts daran, dass sie überwiegend für die Reproduktion der
Gesellschaft wie der Einzelnen notwendig ist und auch in
nichtkapitalistischen Verhältnissen notwendig wäre."
sage ich: Dann sind es leider keine, hatten wir realsozialistisch zur
Genüge.
Diese Definition von Kapitalimus durch die Notwendigkeitzur Arbeit kann ich
nur als abstrus betrachten.
Da glaube ich unterscheidet sich auch der historische
Arbeiterbewegungs-Marximsus von Marx, so widersprüchlich dieser auch sein
mag.
Für ihn sind die kapitalistischen Verhältnisse und die sie prägenden
Basiskategorien - Ware, Arbeit, Wert, Kapital, aber auch die anderen
Sphären
gesellschaftlichen Lebens wie Staat, Politik, Kultur usw. schlechthin
Fetischverhältnisse, eine ver-kehrte Welt, deren wirkliche
Zusammenhänge der warenproduzierende Mensch auf den ersten Blick nicht
erkennt und auch verinnerlicht.
Das Problem ist nicht: ".., Es gibt wesentlich größere ... Probleme als
die
Fetischisierung der Arbeit", nein das Fetischverhältnis abstrakter
kapitalistischer Arbeit i s t das Problem, die Ursache der "großen
globalen,
sozialen und ökologischen Probleme."
Ich denke nicht, dass Marx mit dieser Reduzierung seienr Analysen auf die
Fetischproblematik und dessen Überhöhung zum quasi totalen Problem üebrhaupt
einverstanden gewesen wäre. Er kann sich ja leider nicht mehr wehren, auch
nicht gegen weiter unten Mutmaßungen über den "wahren Marx". Ich find das
jedenfalls daneben.
Die Überhöhung der Arbeit gerade in der
Arbeiter(Arbeits)bewegung ist nur ein Ausdruck desselben. Und bei dem
Gedanken
an die Subotniks der Rabotniki, der Superakkordarbeiter Stachanow oder
Hennecke ("eine Art Leistungsprinzip"), da wird mir ganz schlecht, weil
mensch
dann auch noch die Nähe zum national-sozialistischen "schaffenden Kapital"
und
zu "Arbeit macht frei" spürt.
Findest du nicht, dass du etwas überziehst?
reale Utopoie, und darin
liegt der Nutzen (nicht Gebrauchswert) von Oekonux.
Wenn tatsächlich die Utopie sich nicht völlig vom realen trennt. Außerdem
nochmal: Nutzen, Nützlichkeit und Gebrauchswert sind (jedenfalls bei Marx und
überall außer bei der Krisis-Gefolgschaft) Synonyme, nur verschiedene Wörter
für das Gleiche.
Ich empfehle, in Anlehnung an die Worte von Hans Gert - "Schaut doch mal
beim
Meister selbst" nach - sich den Text auf der webseite "krisis.org", Heft
16/17
der "krisis" anzusehen oder runterzuladen. Ich finde, es lohnt sich.
Hosianna, lobet den Meister. M.E. schreibt der ziemlich oft ziemlichen Unsinn.
Zum Abschluss noch mal ein schönes, realistisches Zitat von Marx (Kapital
III, MEW 25, S. 859, gegen den Wertkritikfetischismus:
Es "bleibt, nach Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise, aber mit
Beibehaltung gesellschaftlicher Produktion, die Wertbestimmung vorherrschend
in dem Sinn, dass die Regelung der Arbeitszeit und die Verteilung der
gesellschaftlichen Arbeit unter die verschiednen Produktionsgruppen, endlich
die Buchführung hierüber, wesentlicher denn je wird".
Sozialistische Grüße
Ralf Krämer
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