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Re: [ox] Wert, Mehrwert, produktive Arbeit und mehr



UlrichLeicht t-online.de

RalfKrae aol.com schrieb:

Hallo Uli,
...
ich hab auch nicht die Zeit, auf diese Debatten weiter so viel Zeit drauf zu 
verwenden. Zumal hier in hohem Maße Glaubensbekenntnisse verbreitet werden, 
über die schwer zu diskutieren ist. Und eigentlich hab ich auch keine Lust 
mehr dazu, aber trotzdem:
...

Lieber Ralf, nun hast Du Dich durch deine vielen Wortmeldungen selber ein wenig 
in diesen mail-stress gebracht. Ich sage auch ganz offen, daß ich anfangs den 
Ton - "Unsinn", "Unfug", und ähnliche Äußerungen - für ziemlich provokant und  
auch verächtlich machend fand. Jetzt würde ich dich bitten, nicht wieder, nur 
weil Du offenbar gefrustet bist, in einen ähnlichen Ton zu verfallen, zumal Du 
selber von Glaubensbekenntnissen nicht frei bist. Dein letztes gestern:

In deiner Antwort auf Stefan am 26.11. schriebst Du:

   "Die Krisis-Spezialdefinition von "Arbeit", deren Bedeutung nüchtern 
   betrachtet in etwa Erwerbsarbeit ist, teile ich nicht. Arbeit ist 
   zweckbestimmte Tätigkeit auf menschlichem Niveau, Erwerbsarbeit ein Teil 
   davon, aber z.B. unbezahlte Hausarbeit ist auch Arbeit, und der Anteil der 
   Arbeit an der Lebenszeit der Individuen 
es folgt das Glaubensbekenntnis:
   dürfte in den meisten früheren Gesellschaften höher gelegen haben als 
   heute."

Der Freizeitforscher Horst W. Opaschowski hat in seiner "Einführung in die 
Freizeitwissenschaft" (1997, S. 27 ff.) unter anderem darauf verwiesen, daß 
erst in der Moderne mit dem Aufkommen und der rasanten Ausdehnung der Arbeit 
auch die "Arbeitszeit" explosiv zunahm: "Unter den primitiven Agrarvölkern und 
in der Antike machten die Ruhetage oft die Hälfte des Jahres aus ... (Auch) 
die Lohnarbeit leistenden Sklaven und Banausen waren nicht so intensiv in das 
Arbeitsleben eingespannt, wie man dies aus neuzeitlicher Sicht annehmen könnte.
... In der Mitte des vierten Jahrhunderts zählte man in der römischen Republik 
nich weniger als 175 Ruhetage ..."
Wenn mensch in den agrarischen Gesellschaften vorwiegend im freier Natur tätig 
war, dann haben allein der Jahreszeitenwechsel und die dadurch bedingten 
Unterschiede in der Intensität der notwendigen und erzwungenen Tätigkeiten 
einen angenehmeren Wechsel von Muße und Arbeit gebracht. Künstlich beleuchtete 
und beheizte Arbeitshallen und -räumlichkeiten haben diese natürlichen 
Begrenzungen fundamental aufgehoben. Im Mittelalter war auch der 
anstrengendste Arbeitstag durch das gekennzeichnet, was ich als Kind noch in 
meinem Geburtsdorf erlebte, und was Urlauber aus den warmen südlichen 
Ländern kennen. Neben wiederholten Pausen über den ganzen Tag, die lange, 
ausgedehnte Mittagspause mit geselligem Essen und Schläfchen im Schatten des 
Baumes, eine entspannende Siesta.

Um Mißverständnissen vorzubeugen, die du dann nicht wieder ohne Grund 
formulieren mußt (wie bei dem Vorwurf der vermeintlichen Moralisierung 
bezüglich Tausch- und Gebrauchswert, der ich auch im Blick auf deine Argumente 
eigentlich für jeden lesbar genau entgegengetreten bin): Ich will diese Zeiten 
der niedriger entwickelten Produktivkräfte und ihre Probleme und 
Beschränktheiten nicht verherrlichen, aber bei ihnen war die Freizeit nicht 
auch noch Stress und Arbeit und Produktivitätsfortschritte wurden anders als 
heute meist für mehr Muße und nicht Ausdehnung der Arbeitszeit verwendet.

Wie sagte der nicht ganz ausgereifte Marx in den GR:
"Die entwickelste Maschinerie zwingt den Arbeiter daher jetzt länger zu 
arbeiten als der Wilde tut oder als er selbst mit den einfachsten, rohsten 
Werkzeugen tat." (Seite 596)

Und woher habe ich diese Weisheit, natürlich "Hosianna, lobet den Meister. 
M.E. schreibt der ziemlich oft ziemlichen Unsinn."

Daß Du bei dem ganzen mail-Stress auch noch deinen Humor verloren hast und 
nicht verstehen konntest, daß Hans Gert schon mit einem wohltuenden ironischen 
Unterton auf ein Interview des "Meisters selbst" verwiesen hatte und ich diesen 
mit einem zwingernden Auge übernommen habe, das tut mir dann doch leid.
So wenig wie Kurz ein Marxist bin ich ein Kurzianer, allerdings gespannt, ihn 
am kommenden Wochenende in Dortmund kennenzulernen.
Ein kritisches Urteil über etwas, wenn man sich wirklich auseinandersetzt hat, 
oder: die Einschätzung, lohnt sich nicht, setzt ich mich erst gar nicht 
auseinander, d'accord. Ein vorurteiliges "Unsinn" würde ich mir ersparen.

wertlose Grüße
Uli


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