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Re: [ox] Wert, Mehrwert, produktive Arbeit und mehr



Lieber Uli,

Lieber Ralf, nun hast Du Dich durch deine vielen Wortmeldungen selber ein 
wenig 
 in diesen mail-stress gebracht. Ich sage auch ganz offen, daß ich anfangs 
den 
 Ton - "Unsinn", "Unfug", und ähnliche Äußerungen - für ziemlich provokant 
und  
 auch verächtlich machend fand. Jetzt würde ich dich bitten, nicht wieder, 
nur 
 weil Du offenbar gefrustet bist, in einen ähnlichen Ton zu verfallen, 
zumal Du 
 selber von Glaubensbekenntnissen nicht frei bist. 

Ich spar mir mal die weiteren Zitate und antworte zusammenhängend:

Du hast recht, dass meine Aussage mit dem Anteil der Arbeits- an der 
Lebenszeit der Individuen auch unbelegt war und möglicherweise falsch. 
Allerdings schrieb ich schon bewusst Lebenszeit und dachte dabei auch an die 
früher nicht in der diesem Umfang vorhandene Zeit von Kindheit und Jugend 
sowie Ruhestand, in dem der Anteil der Nichtarbeitszeit sehr hoch ist. Und 
bei den Angaben zu früheren Zeiten bin ich auch skeptisch, zumindest wo sie 
Gegenden betreffen, die nicht durch natürliche Bedingungen ein eher leichtes 
Leben ermöglichten, ob die an den angeblich ferein Tagen tatsächlich nicht 
gearbeitet haben, z.B. im eigenen Haushalt. Aber ok.

Du hast auch recht, dass ich selbst mit Schuld an dem mail-Stress bin. 
Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass in einem Diskurs, in dem mit 
marxistischen Begriffen hantiert wird, diese in z.T. freundlicher ausgedückt 
eigenwilligen Bedeutungen und Zusammenhängen verwendet werden, zu denen mir 
z.T. schlicht  "Unsinn" als passendste Bezeichnung einfällt. Das ist wie 
schon mal geschrieben nicht böse gemeint und schließt nicht aus, darüber 
ernsthaft zu diskutieren, wenn vernünftige Begründung kommt. Jedenfalls finde 
ich es schwierig, wenn mit Begriffen, die in einem marxistischen Diskurs eine 
einigermaßen geklärte Bedeutung haben, ziemlich freihändig hantiert wird. 
Wenn dann in Repliken immer neue Punkte angesprochen werden, die ich falsch 
finde, entsteht ein gewisser Druck, darauf zu reagieren, um klar zu machen, 
dass man das falsch findet. Und wenn man das dann auch noch etwas begründen 
will, braucht man schnell viel Zeit, die nicht vorgesehen war, und das nervt 
dann.

Mit deiner mail vom 25.11. hatte ich an einer Reihe von Punkten Probleme, 
inhaltlich und auch vom Stil her, einige davon habe ich angesprochen in 
meiner Replik. Ich bekräftige auch ausdrücklich meine Kritik anm 
Wertkritikfetischismus. Die Rede davon, dass der Fetischismus der abstrakte 
Arbeit sozusagen die Wurzel aller Übel und ihre Kritik die zentrale Aufgabe 
sei, verdreht m.E. Ursache und Wirkung und gibt keine sinnvolle strategische 
Orientierung her. Und zumindest implizit sind diverse Begriffe schon ziemlich 
normativ bei dir und anderen. Z.B. folgt aus der Kritik des Waren- und Geld- 
etc. Fetischismus keineswegs automatisch die Konsequenz, deshalb müsse man 
nun Ware, Geld etc. und abstrakte Arbeit in dem Sinne "kritisieren", dass man 
sie schlicht abschaffen will, als ob das so ohne weiteres möglich wäre und 
ohne die Frage, ob - Fetischismuskritik hin oder her - Warenproduktion nicht 
vielleicht in vielen Bereichen durchaus sinnvoll ist. Aber darüber kann man 
streiten (will ich jetzt aber nicht noch mal).

Ein besonderes Problem habe ich aber auch damit, auch speziell bei dir, und 
darum habe ich deinen Hinweis auf den "Meister" durchaus nicht nur als 
ironisch begriffen, mit dem Bezug auf Kurz und Krisis (und überhaupt auf 
längere Texte anderer, auch den von Fuchs habe ich drei mal mit deinem 
Absender bekommen, bis ich darauf reagiert habe) als Ersatz für konkretere 
eigene Argumentation, und mit der Art der Verwendung von Begriffen und 
Theorieversatzstücken hier in der Liste in einer spezifischen Bedeutung, die 
außerhalb des speziellen Krisis-Diskurses so nicht üblich ist (das betrifft 
nicht nur "Arbeit"). Ich schlage vor, dass außerhalb irgendwelcher 
spezifischer Krisis-Listen demnächst explizit deutlich gemacht wird, wenn 
z.B. Arbeit, Gebrauchswert, produktiv, fiktives Kapital oder sonst was mit 
diesen spezifischen Bedeutungen und Konnotationen benutzt werden, vielleicht 
mit "(K)" dahinter. Das erspart dann viele Missverständnisse und sinnlose 
Diskussionen, denn zumindest ich habe dann kein Interesse, darüber zu 
diskutieren, und wir alle sparen Zeit dabei.

Ich hab auch deinen Hinweis auf den Kurz-Text "Die Himmelfahrt des Geldes" 
zum Anlass genommen, mir den mal anzugucken, und es hat alle meine Probleme 
mit Kurz bestätigt, und ich sehe wirklich keinen Sinn darin, mich im 
Einzelnen damit auseinander zu setzen, wenn ich nicht dafür bezahlt werde. 
Bei Texten dieser Art kriege ich einfach die Krise. Das strotzt von Metaphern 
und Wörtern, die zwar wissenschaftlich nichts beitragen, aber massiv mit 
negativen Konnotationen beladen sind und damit eine bestimmte Haltung zu den 
behandelten Gegenständen ausdrücken und einfordern, aber keine 
auseinandersetzungsfähigen Argumente sind. Belegt wird wenn überhaupt dan 
sehr spärlich und selektiv. Auffassungen anderer werden meist mit abfälligen 
Bemerkungen erledigt, ohne sich auf die Argumentation der anderen 
einzulassen, sie nachzuvollziehen und sich dann ernsthaft damit 
auseinanderzusetzen. Empirische Angaben haben keinen systematischen und 
nachprüfbaren und hinterfragbaren Stellenwert, sondern dienen eher der 
Illustration bzw. Ausschmückung des Sprachgemäldes. Im marxistischen Diskurs 
eigentlich definierte Begriffe werden in verschobener individueller 
Abwandlung verwendet (z.B. hier fiktives Kapital oder wo er von dem 
"moralischen Element" der Wertbestimmung der Arbeitskraft redet) und es 
werden einfach Behauptungen formuliert, als wären sie selbstverständlich 
wahr, die dies m.E. keineswegs sind. Eine Reihe von Aussagen sind m.E. 
einfach unzutreffend. Kurz bringt in dem Text auch eine besondere sog. 
"kreislauftheoretische" Definition von "produktiver Arbeit", die vor allem 
den Zweck hat, zu zeigen, dass solcherart passend gemachte "produktive 
Arbeit" kaum noch geleistet und immer weniger wird und also der Kapitalismus 
bald am Ende ist. Dummerweise ist diese Bestimmung nur für Kurz' selbst und 
seine Gemeinschaft relevant und stört den realen kapitalistischen 
Akkumulationsprozess überhaupt nicht. 

Solche Texte mögen ja einigen das Bedürfnis nach einer bestimmten Art von 
Kapitalismuskritik befriedigen und das ist ihr Gebrauchswert (ähnlich dem 
einer rhetorisch beeindruckenden Predigt für traditionell religiös 
orientierte Leute). Ich (und ich denke auch viele andere Leute in 
Diskussionen außerhalb dieses speziellen Diskurses, analog: außerhalb dieser 
Kirche) empfinde es als störend, mehr oder minder unfreiwillig in einen 
solchen Diskurs gezogen zu werden, sozusagen die unerwünschten Wirkungen 
dieses Produktes (wenn ich am Wochenende zu der Veranstaltung mit Kurz gehe, 
weiß ich ja, was mich erwartet). Aber ich sehe ein, damit muss man in 
gewissem Maße leben, so wie andere mit meinen Beiträgen. Iich werde demnächst 
vorsichtiger sein, mich in irgendwelche Debatten einzumischen, wo ich nicht 
absehen kann, ob der Aufwand unverhältnismäßig wird.

Rote Grüße

Ralf Krämer
Fresienstr. 26
44289 Dortmund
Tel. 0231-3953843
Fax 0231-3953844

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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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