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[ox] RE: [ox] Robert Owen der utopische Sozialismus und die Produktivität



Stefan Merten wrote:

Das also, was in späteren Zeiten von sozialdemokratischen (bis hin
übrigens zu faschistischen) Regimen als Modernisierung des
Kapitalismus durchgesetzt wurde.

In der Tat, wobei Owen eben klar geworden ist, dass diese Verbesserungen
alleine zur Beseitigung der Ausbeutung nicht ausreichen.

vorweg. Ein farbiges Drehelement über einem Arbeitsplatz zeigte die
'Leistung' des oder derjenigen an.

Ja genau, er hat da etwas vorweggenommen, was auf späterer
historischer Stufenleiter breit eingeführt wurde.

Ja und das war noch unzureichend. Und es ist eben auch haeufig nicht dadurch
eingefuehrt worden, weil ein paar Menschen so nett waren, oder richtige
Einsichten hatten, sondern weil sich eine Arbeiterbewegung formiert hat, die
diese Verbesserungen mit erzwungen hat. Wobei sicher eine guenstige
Konstellation mit der fordistischen Massenproduktion dazugekommen ist.

Und deren Erfolge sind momentan eher wieder auf dem Rueckzug.

Fakt ist, daß sich seine Vision durchgesetzt hat - oder wie würdest du
deinen Zustand heute vergleichsweise beschreiben. Natürlich in den
kapitalistischen Grenzen.

Das 'sich' impliziert, dass es sich um einen naturwuechsigen Vorgang
handelte und genau das wuerde ich bestreiten, sondern eben gerade mit der
Abkehr von kommunitaristischen, utopistischen und sonstigen Dingen und mit
der Formierung politischer Parteien und Gewerkschaften und mit konkreten
Kampfformen wurde es durchgesetzt. Und das ist auch genau der Vergleich den
ich ziehen wollte.

Bei Ansaetzen wie GPL-Gesellschaft sehe ich sehr viel Utopie und
Begeisterung fuer neue Produktivitaetsforschritte und die implizite
Erwartung, dass diese sich durchsetzen werden. Von Organisation oder gar
Kampf ist und sei es nur in der Theorie kaum die Rede.

Vor dem Hintergrund vergleiche ich das gegenwaertige Projekt eben mit dem
Bewusstseinsstand maximal der Fruehsozialisten.

Und da hat er sich geirrt. Alleine das "New Harmony" verweist schon
auf den idealistischen Charakter der Veranstaltung. Das muß schief
gehen - genauso wie seine sonstigen Gedanken gelungen sind.

Das erstere stimmt zweifellos. Aber das zweite hat 'nur' zu einer
Modernisierung der kapitalistischen Produktion beigetragen - sicher nicht
schlecht und angenehmer als Manchester-Kapitalismus, ein Ende von Ausbeutung
und Unterordnung hat es nicht gebracht. Was Owen wie gesagt spaeter auch
(mit fortschreitender Entwicklung des Kapitalismus) auch erkannt hat.

Ja genau: Er hat sich den Formen zugewandt, die dem Stand der
historischen Entwicklung angemessen waren. Für nichts anderes plädiere
ich heute auch. Er hat sich aber nicht irgendwelchen Formen zugewandt,
die den Feudalismus verewigen wollten und die es sicher auch gegeben
hat.

Ja und spaeter hat er sich dem Kampf der Arbeiterklasse um eine Verbesserung
ihrer Lage zugewandt, weil er das Scheitern seiner kommunitaristischen
Experimente erkannt hat. Wenn GPL-Bewegung/Oekonux das mit Fortschreiten des
digitalen Kapitalismus auch gelingt, na umso besser :-))

Wie man schon an dem Beispiel New Lanark sehen konnte, war es sicher
angenehmer dort in sauberer Umgebung zu arbeiten und die Kinder in die
werkseigene Schule zu schicken, die kapitalistische Ausbeutung
ist deswegen
nicht verschwunden.

Das war ja auch nicht sein Ziel. Wieso sollte sie also?

Doch schon. Er wollte gleich die gesamte Gesellschaft verbessern und sah in
den gigantischen Produktivkraeften den Hebel dazu. Arbeitszeitverkuerzung
war auch schon angedacht. Doch mit dem Vorhandensein der Kraefte in der
Theorie war es bekanntlich nicht getan.

Mag sein, daß manche vielleicht ein bißchen zu euphorisch sind.
Andererseits stellt die Euphorie, die Begeisterung eben auch eine
Kraftquelle dar, die ich nicht gerne verstopft sehen würde. Ich würde
sogar behaupten, daß ohne diese Kraftquelle, ohne diese Begeisterung
überhaupt gar keine Bewegung entstehen kann.

Oh ich bin uach begeistert, va. von all dem technischen Spielzeug, nur wenn
die Begeisterung am Ende nur zu einer Hoeherentwicklung des kapitalistischen
Systems fuehrt, ist das zwar auch begruessenswert, mit persoenlich aber zu
wenig. Denn entgegen der (sorry) unsinnigen Hoffnungen auf die
Replikator-Gesellschaft, sieht die Realitaet eines globalen Kapitalismus
fuer mind. die Haelfte der Menscheit ziemlich beschissen aus.

Wenn es mir nur um eine Effektivierung der Produktion ginge, koennte ich
halt auch einfach einen Job bei einer Firma machen (was ich auch mache :-).

Z.B. finde ich deine und anderer Leute Einwände zur teilweise
kapitalistischen Verfaßtheit der Infrastruktur des Internets einen
wichtigen Hinweis. Der gärt bei mir schon seit einigen Wochen -
allerdings noch ohne Ergebnis.

Ich will gerne gestehen, dass ich hier auch noch nicht sehr weit bin, aber
die alte Formel, dass das Internet niemandem gehoert, kann eigentlich nur
falsch sein. Es kann sein, dass einfache Dinge im Netz wie Mails (GMX usw.)
so preiswert sind, dass sie praktisch wie kostenlos erscheinen. Aber wer
etwa mal einen Blick in das Kleingedruckte der Geschaeftsbedingungen von
Strato geworfen hat, der weiss, dass die trotz Pauschaltarif keineswegs
vorhaben auf miener Site (so ich dort eine haette) unbeschraenkten Traffic
zu zahlen. Obwohl es im Internet mit dem allgemeinen Senden und Empfangen
schon besser ist als mit anderen Massenmedien scheint die tatsaechliche
Aufmerksamkeit immer noch vom Vorhandensein von materiellen Ressourcen
abhaengig zu sein.

Das folgende setzt voraus, daß wir möglicherweise an einem
historischen Epochenbruch stehen. Wer glaubt, daß einfach alles so
weitergehen muß wie bisher, kann mit dem folgenden wohl nichts
anfangen.

Ja, aber es ist schon die Frage,ob man von einer (wenn auch) implizit
teleologischen Geschichtsauffassung ausgeht, die meint, dass aus einem
bestimmten gesellschaftlichen Zustand quasi automatisch eine Besserung
entsteht, oder ob man ggf. was dafuer tun muss. Und zumindest der etwas
simple Determinismus von Marx hat sich bislang nicht als so stichhaltig
erwiesen, dass man in der Alltagsarbeit darauf bauen und einfach auf den
'grossen Kladderadatsch' warten sollte.

Jetzt müssen wir aber doch genau werden. Was diese Patriarchen nach
dem Zitat nicht wollten, war gerade die entstehende Arbeiterbewegung
bzw. früher Aktionsformen dieser welcher. Sie haben sich damit gegen
die Formen ausgesprochen, die sich in der Arbeitsgesellschaft, an
deren Anfang sie ja erst standen, erst noch entwickeln sollten.

Voellig richtig, und ebenso lehnen heutige Protagonisten einer
Replikator/GPL-Gesellschaft die Interessensvertretung durch altmodische
Gewerkschafter ab :-)

Hier ist aber nicht die Rede von irgendwelchen Bewegungen der noch
vorherrschenden feudalen Welt. Und rückübertragen sind das diese
damals fortschrittlichen Arbeiterbewegungsformen ja heute.

Jetzt kommen wir an einen weiteren Punkt. Wenn Du meinst die
Arbeitsgesellschaft verschwinde sozusagen naturgegeben, dann mag das eine
wenn auch etwas arrogante Position sein. Ich kann aber bislang nicht
erkennen, dass die Arbeitsgesellschaft verschwinden wuerde. Mir scheint,
dass Du die Zunahme ungesicherter Arbeit, Informalisierung, Sweat Shops usw.
entweder ausblendest oder bereist als (positive) Vorboten einer 'neuen'
Gesellschaft siehst - wie das etwa Beck und andere tun (Stichwort:
Brasilianisierung)

Solange Arbeit fuer Milliarden von Menschen unerlaesslich ist um sich
taeglich zu reproduzieren finde ich es aeusserst strange um nicht zu sagen
abgehoben, zu behaupten dies muessen (notwendigerweise) verschwinden, bloss
weil im Norden ein paar Spezialisten in der Lage waren ihre
Arbeitsbedingungen so zu verbessern, dass sie Zeit fuer so Dinge wie Freie
Software haben.

Und da hilft mir auch ein psychologisierender Ansatz wie 'arbeitsweltlich
verbogen' nicht weiter, wenn selbst die wenigen Errungenschaften eben der
Arbeiterbewegung, die etwas Freiraeume geschaffen haben heute wieder massiv
unter Druck sind. Und das BTW nicht nur in den 'unteren' Jobs.

Zurück auf unsere Debatten übertragen kann das ja nur heißen, daß wir
eben in den Formen des Neuen denken müssen und uns auch schon mal
Gedanken über die dem Neuen angemessene Ausformung dessen machen
sollten. Aber das versuchen wir ja gerade - oder?

Ich bin mir nicht immer ganz sicher. Neues Denken (SPD-intern bin ich gegen
den Begriff etwas allergisch, aber das ist eher mein Problem) sollte sich
aber nicht soweit von der 'Realitaet' entfernen, dass am Ende nichts
operationalisierbares mehr rauskommt, zumal dann nicht, wenn man den
Anspruch haette, etwas veraendern zu wollen. Wobei OK, das sicher dann
nochmal die Frage ist.  Jemand meinte letztens das waere hier nicht die
Liste der Gewerkschaftslinken, insofern ist es wahrscheinlich falsch
liberalistische Konzepte wie Buegergeld, die jegliche Klassen- und
Verteilungsfragen ausblenden, hier zu kritisieren. Vermutlich bin ich
einfach auf der falschen Party.

Markus


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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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