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Re: [ox] Eigentum



Hi Markus und Hans-Gert,

Markus Lauber schrieb:
Um deine ökologische These mal zu Ende zu denken: Wenn jedem Menschen
auf diesem Planeten seine Bedürfnisse erfüllt werden, kriegen wir den
Öko-Kollaps. Wenn du das ernstlich denkst, dann kannst du dich von
jeglicher emanzipativen Perspektive verabschieden und anfangen zu
überlegen, was dein Beitrag an zur Sicherung der Festung Europa sein
könnte.

Voellig richtig. Hier muss es Alternativen geben, wenn man nicht einem
moerderischen Sozialdarwinismus huldigen will. Wobei wenn man sich die
aktuellen Debatten um Klonen, Züchtung und Euthanasie ansieht, bin ich nicht
sicher, ob es immer die richtigen sind.

Euren wenn-dann-Aussagen liegen zwei Annahmen zugrunde, die
entweder-oder oder sogar beide gelten:
(1) Marktwirtschaft ist die Form der gesellschaftlichen Produktion
(2) Es ist eine Eigenschaft des Menschen, sich selbst zu schaden.

Zustimmung, unter den Bedingungen der Marktwirtschaft kriegen wir
den Öko-Kollaps. Und wenn den Menschen ihre Selbstdestruktivität in
die Gene geschrieben ist, dann ist wohl auch keine Alternative drin.

Nur:
(1) Marktwirtschaft währt nicht ewig. Ich teile die Ausfassung, das
sie gerade dabei ist, sich die Geschäftsgrundlagen unterm Hintern
wegzurationalisieren. Damit ist keine positive Aufhebung gesetzt,
eher eine katastrophale. Dazu braucht es alternative Ansätze, aber
darum sind wir ja hier.
(2) Die Vereigenschaftlichung (Naturalisierung) so mancher realer
Verhaltensweisen von Menschen halte ich für einen schweren Fehler.
Das war Anlass des "Wesen des Menschen"-Threads.

Wenn man also (1) nicht als ewig und (2) als falsch ansieht, kommt
man überhaupt nicht zu dem Schluss. Provokativ würde ich den Schluss
umdrehen: Nur, wenn jeder Mensch sich seine Bedürfnisse erfüllt, ist
der Kollaps (nicht nur Öko-) zu vermeiden. Auch darin stecken
Annahmen:
(a) Eine andere Gesellschaft funktioniert nach dem Prinzip, dass die
Entfaltung des Einzelnen die Voraussetzung für die Entfaltung aller
ist.
(b) "Bedürfnis" ist keine Eigenschaft des Menschen, sondern immer
ein Verhältnis von Möglichkeit und Verfügung.

Die Annahme (a) kann man mit Ökonomie-Theorie-Anstrengungen
begründen (Produktivkraftentfaltung etc.), kann also die Kriterien
für Keimformen des Neuen im Alten entwickeln. Guck(t) mal in die
Texteliste auf http://www.oekonux.de. Die Annahme (b) kann man mit
verschiedenen Ansätzen begründen, ich nehme dazu gerne die Kritische
Psychologie. Alles sehr streitbar.

Wenn nun von Freier Software als möglicher Keimform die Rede ist,
dann ist das nicht zu verwechseln mit "revolutionärem Subjekt" oder
sowas. Das behauptet wohl keine/r hier. Keimform bedeutet doch
gerade, das sich aus dem objektiven Prozess heraus ohne Bewußtsein
desselben etwas Neues entwickelt hat, das bestimmten Kriterien
genügt (hatte ich mal mit individuelle Selbstentfaltung, kollektive
Selbstorganisation, globale Vernetzung und Wertfreiheit versucht zu
fixieren). Diese Form _muss_ widersprüchlich sein, denn sie kommt ja
aus dem Alten. Und sie ist _nicht_ schon das Neue selbst, sonst wäre
es ja kein Keim mehr. Daher sind Bemerkungen wie "die freien
Softwareentwickler/innen sind privilegiert, weil sie leicht ihre
Kohle verdienen" zwar als Hinweise nützlich (man sollte dies oder
jenes eben nicht vergessen), aber keine Gegenargumente.

Deswegen kommt es mir so vor, als ob ihr aneinander vorbei redet,
wenn Stefan Mn. diverse Erscheinungen danach abklopft, ob sie
"keimförmig" sind (mit den o.g. Kriterien im Hinterkopf und
vermutlich noch ein paar mehr), und wenn Du, Markus, argumentierst,
der Kapitalismus habe schon noch immer alles integriert, und
vielleicht ändert der finstere staatliche Überbau das IP-Protokoll
so, dass freies Saugen abstellbar ist". So what? Würden wir
realerdings etwas anderes erwarten? Es sind keine Argumente gegen
die Keimform, denn was interessiert es die Keimform, wenn sie platt
gemacht wird - bis dahin war sie trotzdem eine, und wenn sie eine
Keimform des irgendeinmal durchgesetzten Neuen war(ist), dann wird
sie in anderer "Form" wiederkommen (wg. objektivem Prozess und so).

Ist das verständlich? Mit "die Bösen wollen das nicht" kann man
nicht gegen "Keimformen" argumentieren, das geht haarscharf dran
vorbei. Besser wäre es also, gegen die Kriterien zu reden (und ggf.
neue vorzuschlagen), oder zu begründen, warum dies oder jenes eben
die Kriterien nicht erfüllt. Jetzt bin ich rausgedriftet aus dem
Thread...

Ciao,
Stefan

-- 
  Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen
  HA II, Abteilung Datenverarbeitung
  Kanzlerstr. 8, 40472 Duesseldorf
--
  stefan.meretz hbv.org
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