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Re: [ox] Noch mal zur Freien Gesellschaft



Hallo El Casi,

ich habe mir heute mal einen "Posttag" genehmigt, also auch zu dem Thema
ein "post" (Ha, war mir noch gar nicht aufgefallen, dass das semantisch
was miteinander zu tun hat)

El Casi wrote:
Das ist eine gute Frage und es gibt zwei Antworten darauf. Die eine sagt
"Versklavungseffekt", d.h. der Takt der höheren Ebene zwingt der unteren
seinen Rhythmus auf. Und die andere (etwa Dawkins "egoistisches Gen")
behauptet gerade das Gegenteil: Die höhere Ebene gibt es überhaupt nur,
um die Reproduktionsbedingungen der unteren Ebene zu stabilisieren (und
die höhere Dynamik ergibt sich weitgehend aus diesem "Zweck").  Und wenn
diese höhere Dynamik nicht mehr passt, dann wird sie umgekrempelt.

Da drängt sich doch gleich der Gedanke auf, daß auch die niedere
und die höhere Dynamik ein Ganzes bilden, welches eigentlich nicht
mehr aufzulösen ist... Auch hier handelt es sich also
doch wieder, wie Du unten anmerkst, (immer?) im ``Aspekte
*derselben* Dynamik''.  Nichts desto trotz ist es sinnvoll, sie
auch unterscheiden zu können, da man sie sonst ja auch schwer
zusammen-denken kann.

Zweifelsohne, die Ebenen bringt da der Mensch rein, ums zu verstehen.
Aber ohne Ebenen versteht er's eben nicht. Die Dynamik besteht aus
verschiedenen Teilen mit unterschiedlicher "Halbwertzeit". Insofern sagt
dein "dieselbe Dynamik" nicht viel mehr aus als "alles hängt mit allem
irgendwie zusammen". Teile dieses ALLES vernünftig zu separieren
(Ebenen, besser Skalen), einzeln zu verstehen (Ein-Skalen-Effekte) und
dann auch in der Zusammenwirkung (Mehr-Skalen-Effekte --
Zwei-Skalen-Effekte kann die Mathematik, vor allem die Numerik mal grade
so seit 20 Jahren behandeln), darum geht es ja letztendlich. Oft ist
dabei im Interpretationsmodus ein qualitatives Verständnis von
Zusammenhängen (Geisteswissenschaften) dem detaillierten quantitativen
Verständnis von Einzelheiten (Naturwissenschaften) deutlich überlegen.
Allerdings dreht sich das um, wenn man instrumentell eingreifen will.

In dem von Dir skizzierten Sinne von Gleichgewichtshierarchien ist
für mich die _Sicht_ der Warenmonade die untergeordnete, die
_Situation_ der Warenmonade die übergeordnete Ebene.

Hmm, das würde ich so nicht gegenüberstellen, Sicht und Situation sind
ja zwei Aspekte *derselben* Dynamik, Sein und Wahrnahme. Eher würde ich
hier kurzwelligere Phänomene als die untergeordnete Ebene betrachten,
eben z.B. die Suche nach einer Bleibe, auf die das übergeordnete
Phänomen (Sein als Warenmonade) im Sinne des "Versklavungseffekts" wirkt.

Einerseits möchte ich nochmal sagen, daß ich mit der ``Situation
der Wahrenmonade'' ihre Umgebung meinte, also ihre `Situiertheit'
-- im Warenmonadensystem.  Denn zwar betrachtet sich die Monade
als Monade, kann dies aber nur, wenn dies systemseitig begünstigt
wird, bzw. wenn dies tendenziell alle anderen auch so machen.
Darum stand für mich die `Situation' als Ausdruck für das System
inklusive `aller anderen Monaden', und somit als übergeordnete Ebene.

Die Sicht ist doch aber nur eine verinnerlichte Form der Situiertheit
als Warenmonade, oder? Du willst doch darauf hinaus, dass diese Sicht
das Verhalten in anderen Situiertheiten (eben kurzwelligeren) prägt. So,
wie du die Ableitung einer Funktion (also f') nicht verwenden kannst,
wenn es nicht überhaupt so was wie eine Ableitung (also ') gibt.

*Wann* ich umziehe entscheide ich genausowenig autonom, wie
*wohin* ich umziehe.  ...

Das ist der Kern der Argumentation von F.O.Wolf: wenn wir über freie
Kooperation und all das reden, dann müssen wir berücksichtigen, dass wir
historisch, sozial und biologisch konstituierte Subjekte sind.  Aber
offensichtlich gibt es neben dem Entscheidungsrahmen auch einen
Entscheidungsspielraum.

Ich glaube, so meinte ich das gar nicht. .... Wo ich hier autonom
sein soll, will mir wirklich nicht einleuchten. 

Mit dem Wort "autonom" kann ich da auch wenig anfangen - das ist aber
auch der Punkt obiger Bemerkung. Du bist nicht autonom, weil du in einen
Entscheidungsrahmen eingebunden bist. Aber das ist auch nicht vollkommen
determiniert, denn innerhalb des Rahmens hast du Entscheidungsspielräume.

Der Entscheidungsspielraum, den ich in dieser Situation habe,
beschränkt sich auf genau zwei Möglichkeiten (und das Spektrum
dazwischen): Entweder ich blende die Ursachen meines
diesbezüglichen `Geworfenseins' aus (-- quasi das werfende Moment an
meinem Geworfensein --) und unterwerfe mich dieser Situation
nicht nur praktisch sondern auch geistig, oder ich behalte diese
Ursachen meiner Abhängigkeit im Auge und `mecker darüber rum'.
Rahmen und Spielraum. 

Das meine ich nicht. Du hast den Spielraum, eins der 5 Angebote (falls
du so viele hast) anzunehmen. Und selbst wenn du nur eins hast, dann
hast du immer noch den Spielraum, es anzunehmen oder nicht.

Aber mit dem "Geworfensein" gehst du die Entsscheidungsrahmen an, die du
sprengen möchtest. Das ist ein anderes Thema. In der Kritischen
Psychologie geht es bei ersterem um restriktive, bei zweiterem um
erweiterte Handlungsfähigkeit. Aber ich verstehe natürlich, dass es hier
um zweiteres geht. Nur sollte dazu klar sein, dass der Rahmen der
ersteren verlassen wird (wenn wir dazu eine Theorie machen wollen).
Aber "wann *ich* umziehe entscheide *ich*" könnte auch ein
Sich-zur-Wehr-Setzen gegen Erscheinungen sein, die nur unter dem
Deckmantel der "gesellschaftlichen Bedingtheit" daherkommen.  

Ja, das könnte es sein.  Aber dies ist das Sich-zur-Wehr-Setzen
gegen vor- bzw. nicht(-ganz)-kapitalistische Verhältnisse, welches
in meinen Augen in dieser Form zu nichs anderem geeignet ist, die
relative Fortschrittlichkeit kapitalistischer Verhältnisse zu
propagieren.  

Ja, aber *sind* es die Verhältnisse in diesem Bezug nicht auch?

Ob dieses Propagieren der Fortschrittlichkeit des
Kapitalismus aber selbst fortschrittlich ist, oder konservativ,
oder rückschrittlich (also quasi anti-dynamisch), das hängt von
der geschichtlichen Situation ab.  Dieses Argument tritt immer
dort auf, wo `der Kapitalismus sich ausbreiten möchte', ...

Inwiefern ist es gerechtfertigt, dass sich kapitalistische gegen
vorkapitalistische Verhältnisse ausbreiten? Gibt es darin eine
Entwicklungslogik? Diese Frage ist zu beantworten angesichts (und trotz)
der Tatsache, dass die kapitalistischen Verhältnisse selbst bereits an
ihre Grenze kommen. Wenn deine Antwort NEIN sein sollte, dann müsstest
du erklären, wie das Auslassen einer Entwicklungsetappe funktionieren
soll. Die gesellschaftlichen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts sprechen
GEGEN eine solche Antwort.

... existenziellen Abhängigkeit der Befreiten (inkl. mir selbst) von
der »vollständigste[n] Anarchie, innerhalb deren der
gesellschaftliche Zusammenhang [...] sich nur als übermächtiges
Naturgesetz [...] geltend macht.«¹

Diese Anarchie ist zu überwinden, indem die der (geistigen Gestaltungs-)
"Kraft der vereinten Produzenten" unterworfen wird, die erstmals in der
Geschichte "alle gesellschaftlichen Verhältnisse als von Menschen
gemacht" erkennt.

Aber (z.B.) Markt ist eben *nicht* vollständigste Anarchie, dafür bringt
er dingliche Logiken zu gut zusammen. Der Grund ist aber, dass der
Prozess des Erkennens von Verhältnissen als "von Menschen gemacht" schon
lange läuft, wenigstens die ganze Industrialisierung lang - ja
Kapitalismus gar nicht funktioniert ohne die "kommunistische Vernetzung
der Sachen", wie das bei Kurz heißt.  Es ist das Spagat dieser
Gesellschaft zwischen dem mitdenkenden Produzenten und dem hirnlosen
Konsumenten, das sie auseinandertreiben wird. Aber da ist "Autonomie"
und "Befreiung" förmlich zu greifen, jedoch auf der Seite der
Produzenten, während du sie in der WG-Sache als Konsument denkst.

Aber das ist es ja auch, was dir aufstößt: du möchtest selbst bestimmen,
aktiv sein, dich nicht in eine Situation wie mit der WG reingestellt
fühlen, sie nicht als "Konsument" wahrnehmen, sondern möchtest einen
Gestaltungsspielraum aktiv und sinnlich *erfahren*. Unterstelle ich dir
mal, auch wenn du danach vielleicht in derselben WG landest wie ohne das
alles.

Ist das Spannungsfeld zwischen Entscheidungsrahmen und
Entscheidungsspielraum (nach dem bekannten Motto: Gib mir drei
Dinge - Kraft, das zu ändern, was zu ändern geht, Geduld, das zu
ertragen, was nicht zu ändern geht, und Weisheit, das eine vom
anderen zu unterscheiden).

Ebent. So sinnvoll der Spruch auch sein mag, ist er doch (auch)
hervorragend geeignet, strukturelle Gegebenheiten in den Bereich
des Unantastbaren und des zu ertragenden zu rücken, z.B.:
Softwareproduktion braucht Investitionsschutz, weil sonst die
Programmierer großer Projekte nicht bezahlt werden können, und die
müssen doch auch ihre Lebensgrundlage mit Geld bezahlen -- DAS
KANN DOCH KEINER ÄNDERN. Also braucht die Wirtschaft, ja die
Gesellschaft, Schutz gegen freie Kopierbarkeit.  Also brauchen
Programmierer Softwarepatente. 

Aber du siehst doch, dass es praktisch längst nicht so glatt läuft, wie
medial eingetrichtert und - mit Blick auf Machtverhältnisse - eigentlich
zu erwarten. Es läuft eine harte politische Auseinandersetzung um diese
Frage, die längst nicht mehr in ein klassisches Links-Rechts-Schema
einzuordnen ist. Es geht da ganz fundamental um das Ringen zwischen den
"Kreativen" und den "Besitzern", wie bei Moglen exzellent
ausargumentiert. Hier stoßen *technologische* Erfordernisse an die
Grenzen einer auf Eigentum begründeten Produktionsweise.

Ich verlange von niemandem, er solle sich unvernünftig verhalten.
Oder entgegen seinen (woher auch immer geprägten) Bedürfnissen
oder Interessen handeln.  Sondern ich schlage vor, den konkreten
Zusammenhang von Bedürfnissen und ihrer Bedingtheit (sowie die
daraus sich ergebenden Zielfunktionen) auf seine Effizienz hin zu
prüfen.  Unter den gegebenen Bedingungen und in Anbetracht ihrer
Wandelbarkeit.

Das ist aber erweiterte Handlungsfähigkeit, siehe oben. Zu der lassen
sich Menschen im "normalen" Leben nicht hinreißen, dazu muss es ihnen im
normalen Leben schlecht gehen (und nicht zu schlecht - Holloway: "Am
Anfang war der Schrei" als Symbiose von Unwohlsein und Hoffnung). Es
muss sich also erst ein gewisses Aktivierungspotenzial aufgebaut haben,
ehe das gesellschaftsmächtig wird. Wobei die erforderliche Größe des
Aktivierungspotenzials von der Tiefe der zu erwartenden Umbrüche
abhängt, denn wer gibt schon gern lieb gewordene Gewohnheiten auf. Diese
Tiefe - wenn wir Theorie machen wollen - wäre also vorab auch noch zu
analysieren. "Learn to think in a new way" weist darauf hin, dass die
aktuellen Umbrüche *sehr* tiefreichend sein müssten.  Dann wird aber
auch ein sehr hohes Aktivierungspotenzial erforderlich.

Dieses Szenario geht von so was wie einer "Umwälzung" aus. Ist natürlich
die Frage, ob auch andere Szenarien denkbar sind, etwa "die Welt
verändern, ohne die Macht zu übernehmen".

Ist diese Autonomie der Zielfunktionen aber nicht eine
kulturelle Errungenschaft und ein Kernelement einer Freien
Gesellschaft? Muss man dann nicht auch Karsten Webers Frage nach
dem "Preis d(ies)er Freiheit" stellen?

Die Autonomie der Zielfunktionen ist die Grundlage für die
Fetischisierung des Werts und die ideelle Verewigung der
Warenbeziehungen. Sie ist die `moderne' Grundlage der Verwandlung
eines Produkts menschlichen Tuns, nämlich der gesellschaftlichen
Verhältnisse, in eine `unsichtbare Hand', in eine
naturgesetzartige Kraft, der wir Menschen ohnmächtig unterworfen
sind.  Sie ist sicher eine Errungenschaft verglichen mit der
Fetischisierung güldener Kränze und anderer Utensilien, blauen
Bluts, schwarzer, purpurner und weißer Kutten oder
verschiedenfarbiger Kreuze.  Aber wie lange wollen wir uns noch
geistig auf dieser Errungenschaft ausruhen?  Ist denn nicht auch
sie ziemlich begrenzt? Und kann sie denn überhaupt ihren
Verheißungen gerecht werden?

Die Autonomie der Zielfunktionen bedeutet auch, dass Strukturen
entstehen können, die nicht in einem Kopf gedacht sind, dass Welt in
einer Dimension gestaltbar wird, die über den Horizont einzelner
hinausreicht. Ist in meinem Mawi-Paper genauer ausgeführt. Die
Menschheit ist in ihrer jahrtausendelangen Entwicklung an einer Stelle
angekommen, wo sie eine solche Fähigkeit braucht, und hat die letzten
300 Jahre damit verbracht, eine allererste pubertäre Form eines solchen
Zusammenwirkens auszuprobieren. Manche nennen diese Form Kapitalismus.

Diese Art, gesellschaftliche Verhältnisse in versachlicher Form
wahrzunehmen, ist nach meinem Verständnis der Kern des Marxschen
Fetisch-Begriffs. Also mehr als "nur" Warenmondadensicht (letztere nimmt
ihren Ausgangspunkt in einer speziellen Subjekteigenschaft, erstere in
der generellen Art der Wahrnahme gesellschaftlicher Phänomene - sind wir
schon wieder beim Thema "Wissen und Information").

Kannst Du das etwas näher Erläutern?  

(U.a. gesellschaftliche) Verhältnisse wurden auch vor dem Kap. in
versachlichter Form wahrgenommen. Was man nicht ändern konnte, das
stellte man sich als Zorn Gottes, Einfluss des Teufels etc. vor, worauf
man durch rituelle Handlungen, Opfer etc. Einfluss zu nehmen versuchte.
Das hat sehr viel mit der Art und Weise der Komplexitätsreduktion im
Denken zu tun. Wenn du auf einer Ebene denkst (wie oben diskutiert),
dann interessierst du dich einerseits nicht für die Dynamik der
Einzelteile (du abstrahierst als Black Box von deren Details),
andererseits werden externe Einflussfaktoren als konstant angenommen,
obwohl sie vielleicht eine eigene längerwellige Dynamik haben.

(Fetisch ~ Wissen, Warenmonadensicht ~ Information?)

Damit hat meine Bemerkung nix zu tun.

Sostschenko ...

"Hassen", "ausrotten" -- du weißt, wohin das geführt hat. Sostschenko
ist da Beobachter und Kind seiner Zeit zugleich. Erich Fromm hält dem
"Die Kunst des Liebens" entgegen, und ähnliche gedankliche Linien
findest du auch im Potsdamer Manifest.  Vielleicht muss man auch lernen,
Leidensfähigkeit bis zu einem gewissen Grad zu kultivieren - im Sinne
der oben angeführten drei Dinge (Kraft, Geduld, Weisheit). Sowohl in der
christlichen Ethik als auch den fernöstlichen Religionen spielt sie eine
große Rolle. Und das sind jeweils die Erfahrungen von mehr als 2000
Jahren Kultur.

Erstens weiß ich nicht inwieweit diese Übersetzung dem Original
anzulasten ist, ich kenne es leider nicht. Und zweitens: Wohin
irgendwas führt, hängt nicht nur vom Tool oder vom Wortlaut ab.

.. sondern von der Dynamik, in der Tool oder Wortlaut zum Einsatz
kommen. Und wenn ein Kontext die Begriffe "Leiden" mit "Hassen",
"ausrotten" in einen engen Zusammenhang bringt, dann gehen bei mir alle
Alarmglocken an. Weil es meist verschiedene Subjekte sind. Und
Sostschenko ist da absolut authentisch (ich kenn ein paar Sachen von
ihm), wenn er so subjektlos "Das Leiden" als "Geißel der Menschheit"
thematisiert. Das war die Denke Anfang des 20. Jahrhunderts in Ost wie
West, die schließlich zur ethischen Katastrophe von Auschwitz führte.
Und ich weiß nicht, ob wir da wirklich weiter sind. Bin da mit Adorno
eher Pessimist.

Die Frage ist doch vielmehr, ob es nicht genau diese von Dir
gepriesene 2000-jährige Kultur war, die zu dem von Dir gemeinten
"Hassen" und "Ausrotten" geführt hat.

Ja klar, und die Antwort lautet JA. Das macht den Umgang mit dieser
Antwort aber nicht gerade leichter.

Bei Sostschenko wird dieser Zusammenhang eben einfach mal umgedreht,
und das kann ich ihm nicht verübeln. Er schreibt nämlich nicht, daß
man die Leidenden (oder Nicht-Leidenden) hassen oder ausrotten müsse.

Ah ja? Das kann man auch *praktisch* trennen?

Und ja, ich sehe hier auch einen Zusammenhang mit der Kultivierung
des Leidens und Duldens.  Geduld und Dulden sind zwei verschiedene
Angelegenheiten, ebenso wie Erleiden und Leiden.  Die Kultivierung
von Dulden und Leiden (bis hin zur entsprechenden Geißelung,
Selbstgeißelung, Ketzer- und Hexenverbrennung und sonstigem
Exorzismus als logischer Folge) hat in meinen Augen nicht nur nichts
mit Kraft und Weisheit zu tun, sondern hat eben genau die Funktion
der Lähmung bzw. des im-Keim-Erstickens von sowohl Kraft als auch
Weisheit.

Nun wird die Komplexität des Themas in vieltausenden Fäden von Aktiv und
Passiv langsam sichtbar. Wenn wir über Menschen heute reden, dann reden
wir über Menschen mit diesen Traditionen "auf dem Buckel" (genauer: tief
im Inneren ihres Werte- und Motivationsgefüges verankert, weit hinein
bis in die unbewussten Regionen der Psyche und Emotionen).

Zum Widerspruch zwischen Erich Fromm und Mikhail Sostschenko bitte
ich Dich um nähere Verweise, da ich in meinem Gedächtnis keinen
ausfindig machen kann ;-(  

Fromm setzt nicht auf "Hassen und Ausrotten", sondern auf "Die Kunst des
Liebens" (kannst du als Taschenbuch kaufen) - das PM steht da sehr in
seiner Tradition ("Liebe" ist auch dort ein zentrales Thema).

(Mit dem Potsdamer Manifest habe ich hingegen so meine Probleme, aber
das wirst Du Dir wohl schon gedacht haben ;-)

Da der Untertitel heißt "Learn to think in a new way", müssen die
Autoren ja davon ausgehen, dass sie Leuten was sagen, die noch nicht
*so* denken. Also eine Botschaft in die Welt setzen, die die Adressaten
(eigentlich) nicht verstehen *können*. Nur mal zu einer rein
methodischen Frage, jenseits aller Inhalte.

So viel mal für heute.

Viele Grüße, HGG

-- 

  Prof. Dr. Hans-Gert Graebe, Inst. Informatik, Univ. Leipzig
  Augustusplatz, D-04109 Leipzig, Raum 5-53	
  tel. : +49 341 97 32248
  email: graebe informatik.uni-leipzig.de
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