Message 10085 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT09961 Message: 55/84 L1 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] Potsdamer Denkschrift 2005



HGG schrieb:
Christoph Reuss wrote:
Produzenten können ganz gut selbst Verantwortung für ihr Tun übernehmen,
wenn sie nicht von Predators bevormundet werden.  Ich gehe mal soweit
zu behaupten, dass es in einer reinen Produzenten-Gesellschaft keine
Gesetze und somit auch keine Juristen bräuchte, und sich die Produzenten
in Firmen selbst organisieren könnten (->Produzenten als "Chefs").

Und Konflikte wird es dabei nie wieder geben?

Doch, aber die lassen sich unter Produzenten vernünftiger und
kostengünstiger lösen als durch Predator-Anwälte und Richter, die
als lachende Dritte primär um ihre Honorar- und Prestige-Maximierung
besorgt sind.


Von *wem* übernehmen die
Produzenten die "Verantwortung für ihr Tun"?

Von den sie bevormundenden Predators?  Obwohl, die handeln ja eh
ziemlich verantwortungsLOS...  Eigentlich ist die Frage falsch gestellt...


Und wo ordnest Du Dich selbst ein in diese Dichotomie ?

:-)  Naja, eher auf der Produzenten-Seite...

Woran machst du dieses Selbsturteil fest?

An meinen Eigenschaften, meiner Einstellung und bisherigen Aktivitäten.

Also ein rein subjektives Urteil?

Nein, objektiv bemessen an den Eigenschaften/Einstellungen/Aktivitäten
von Produzenten vs. Predators.


Lessig wird das nicht anders sagen,
auch wenn du ihm das Recht zu einem solchen subjektiven Urteil nicht
zugestehst:

Lessig wird ja sicher dasselbe über sich behaupten, nehme ich mal an.

Kann er nicht wirklich -- dazu argumentiert er schon zu formal-
juristisch, producer-bevormundend und predator-freundlich.

Warum meinst du, dir selbst ein solches Recht nehmen zu dürfen?

Tue ich nicht exklusiv -- _jeder_ kann die P/P-"Werte" vergleichen
mit seinen eigenen oder den Werten Anderer.  Der Punkt ist: Lessig's
Werte können nicht ehrlicherweise als Produzenten-Werte bezeichnet werden.


Ich halte z.B. das Aus-dem-Saal-Lachen, wie anderenmails diskutiert,
durchaus für eine klassische Predator-Technologie und habe versucht, dir
deutlich zu machen, dass du *für mich* in Teilen wie ein Predator
argumentierst. Fragen über Fragen ...

Mein Punkt war, dass Produzenten den Lessig aufgrund seiner Predator-
Argumentationen nicht anhimmeln und ihm keine Macht geben sollten.
Wenn diese Einschätzung auf inhaltlichen Argumenten basiert, dann ist
es eine Produzenten-Massnahme.  Würde die Beurteilung hingegen auf
Machtspielchen zum Selbstzweck oder auf irrationalen Antipathien
basieren, dann wäre es "eine klassische Predator-Technologie".

---

Sehr gute Frage, zu der Marx in seinen jungen Jahren (in der "Deutschen
Ideologie" - wo er mit Engels ¸brigens gerade Ideologiekritik treibt!)
¸brigens schon eine Antwort hatte: Wenn eine Gesellschaft sich in der
Produktion von G¸tern vervollkommnet hat, dann steht als N?chstes die
"Produktion der Verkehrsformen der Gesellschaft" auf der Tagesordnung.
F¸r eine solche Gesellschaft hat er auch schon einen Namen parat:
Kommunismus.

Das illustriert wiedermal die Unbrauchbarkeit der Marx'schen Rezepte:
Marx zäumt da das Pferd vom Schwanz her auf.  Realistisch gilt:
Die "Verkehrsformen" müssen _zuerst_ stimmen, _bevor_ überhaupt
die Güterproduktion vernünftig oder gar "vollkommen" gelöst werden
kann!  Der real existierende Marxismus hat ja eindrücklich gezeigt,
was für eine unzweckmässige Güterproduktion herauskommt, wenn man nach
der Marx'schen Reihenfolge vorgeht.  Kein Wunder, dass es nie zum
"reinen" Kommunismus kam...  (stattdessen endete es damit, dass
Gysi das Verteilungsproblem auf seine Weise löste, indem er sich
privat seine Bundestags-Flugmeilen aneignete)

Aber Marx's falsche Reihenfolge ist kein Versehen, sondern ein
Predator-Trick, um falsche Strukturen (zugunsten der Predators)
zu perpetuieren! -- Indem man die Leute bis zum St.Nimmerleinstag
vertröstet:  "Ihr müsst noch warten, bis zuerst die Produktion
'vervollkommnet' ist!"   Da dies mit falschen Strukturen _nie_
eintreten wird, können die Predators _ewig_ prassen...  Clever!

Das ist so wie mit dem Jüngsten Tag bei den Religionen...
er kommt nie, aber basierend auf dem Märchen können die
Kirchenbonzen ewig abzocken (Ablasshändel etc.) und Macht
geniessen.  Marx war ja auch Pfarrerssohn, das passt gut.
(So wie auch die meisten Baader-Meinhof-Gang-Mitglieder.)


Genau in der Frage gibt es hier deutlich auseinanderlaufende Positionen.
Common sense herrscht in der Frage, dass Selbstbestimmung,
Selbstentfaltung und Emanzipation einen deutlich gr?þeren Stellenwert
einnehmen werden als heuer.

Du meintest wohl "Konsens"... (common sense = gesunder Menschenverstand)


=======


Stefan Seefeld schrieb:
Klar, dass eine Widerspiegelung dieser Gesellschaft auch so eine Polarit"at
enth"alt. Ich w"urde mich auch nicht an dem P/P Begriffspaar reiben, w"urde
der Autor nicht simplistisch so tun, als m"usste man das Kind nur beim
Namen nennen und h"atte das Problem schon gel"ost.

Bourgeoisie - Proletariat sind auch deshalb viel gehaltvollere Begriffe,
weil sie Begriffe eines historischen Materialismus sind, weil sie aus
der gesellschaftlichen Entwicklung erkl"art werden, was wiederum Schl"usse
auf ihre zuk"unftige Entwicklung zul"asst.

Im Gegensatz dazu wird das P/P Paar so dargestellt, als m"ussten alle
nur endlich die Augen aufmachen, die Ps vom Sockel schubsen, und die
Ps raufstellen. Ehm, Moment mal...

Diese Strohmann-Argumente nerven aber schon langsam.  Ich habe doch
deutlich gesagt, dass

* die Bewusstmachung der richtigen Dichotomie und "Werte" nur der
  1. Schritt zu einer Umwälzung ist, wenn auch sine qua non.

* P/P aus der historischen/gesellschaftlichen Entwicklung abgeleitet und
  erklärt wird (Jäger/Sammler vs. Ackerbau/Viehzucht; Raubritter/Adlige
  vs. Bauern/Handwerker; Jurist vs. Ingenieur).  Und die _zukünftige_
  Entwicklung wird ja hoffentlich _anders_ verlaufen, dank FLOSS-IT,
  also gerade _nicht_ "alter Wein in neuen Schläuchen" à la Marx.

* die Organisationsstrukturen und -Hierarchien in einer Produzenten-
  Gesellschaft _anders_ aussehen als unter Predator-Bevormundung --
  unter sinnvollen Bedingungen können sich Produzenten nämlich _selbst_
  organisieren und "verantworten".

Mangels wirklicher Argumente gegen das P/P-Modell muss halt zu
Strohmann-Argumenten gegriffen werden...  diese Taktik ist ja bekannt.

---

Diese Einwände habe ich ja bereits jeweils beantwortet.  Ein Beispiel,
das dem P/P-Modell effektiv widerspricht, war nach meiner Erinnerung
nicht dabei.  Kann jemand meinem Gedächtnis nachhelfen?

Ok, hier nochmal: Du bist derjenige, der versucht Begriffe in 'richtige'
und 'falsche' einzuteilen. Ich habe nie gesagt, dass Dein P/P Paar
falsch ist.

Du hast behauptet es gäbe keine richtigen Dichotomien, hast meine Rede
pauschal als "Blödsinn" bezeichnet und mich als hoffnungslosen Fall.


Ich habe nur gesagt, dass ich es nicht f"ur produktiv halte,
da es mir "uberhaupt nicht weiterhilft bestimmte (und in meinem Sinne
*wesentliche*) Fragen zu beantworten.

Das liegt wohl dann am Fragenden, denn...

Also nochmal: Wie wird man zum
Predator ? Wie wird man zum Produzent ?

...das habe ich in diesem Thread recht ausführlich beantwortet.
Kurzgesagt: Indem man Predator- bzw. Produzenten-Werte annimmt
und "lebt".


Das ist eine enorm praktische Frage, denn: Wenn ich es tats"achlich
schaffe, die Predators zu entmachten, wie kann ich mich dann davor
sch"utzen, selbst zum Predator zu werden ?

Einfach: seine Produzenten-Werte beibehalten bzw. verstärken.
Entscheide nur basierend auf Fakten und Realitätskompatibilität
fällen, statt basierend auf "might is right" (wer mächtiger ist,
hat recht), Willkür und kurzsichtiger egoistischer Gewinnmaximierung.
Inhalte statt Formalismen.


Und im
Übrigen: eine Theorie, die jeden, der ihr nicht passt, zum "Predator"
deklariert, diskreditiert sich selbst.

Das ist wiedermal eine falsche Darstellung.  Die Theorie definiert
a priori die Eigenschaften und Denkweisen von Predators.  Wenn dann
jemand genau diese in der Debatte praktiziert, dann entlarvt er sich
eben selbst als Predator -- _nicht_ _indem_ er die Theorie kritisiert,
sondern _wie_ er es tut.

Du sagst genau dasselbe: Ich paraphrasiere mal:
"Meine Theorie definiert Predators und Producers. Die die meine Theorie
kritisieren, sind 'a priori' / 'per definitionem' Predators."

Nein, wieder falsch paraphrasiert.  Die Definition von Predator enthält
eben nicht "er kritisiert die P/P-Theorie", sondern z.B.:
"er argumentiert überspitzt formalistisch statt inhaltlich",
"er spielt Machtspielchen" (z.B. ruft die Liste dazu auf, einfach nicht
mehr auf "den Blödsinn" zu antworten, und bringt Strohmann-Argumente).

Wer die Predator-Werte praktiziert, wird eben als Predator klassifiziert,
egal ob er die P/P-Theorie kritisiert.

Gruss,
Christoph



________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



[English translation]
Thread: oxdeT09961 Message: 55/84 L1 [In index]
Message 10085 [Homepage] [Navigation]